55. Internationale Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2005

Tod in Afrika

Filme über Afrika auf der Berlinale 2005

Afrika war ein Schwerpunkt der diesjährigen Berlinale. Gleich zwei Filme im Wettbewerb beschäftigten sich mit dem Genozid, bei dem Hutu-Milizen 1994 eine Million Tutsi und gemäßigte Hutus im ruandischen Bürgerkrieg töteten, während die übrige Welt von den Metzeleien und Gräueln in dem kleinen Land kaum Notiz nahm.

Einer dieser Filme, „Hotel Rwanda“ von Terry George, basiert auf wahren Begebenheiten. Er versucht, sich anhand eines Einzelschicksals den brutalen Ereignissen in Ruanda zu nähern. Er handelt von der Zivilcourage eines Hotelmanagers (Don Cheadle brachte seine Darstellung eine Oscar-Nominierung ein), der während der Massaker über 1.000 Verfolgten in seinem Hotel Unterschlupf gewährt und ihnen damit das Leben rettet. Trotz Lebensgefahr für sich und seine Familie verteidigt er mit taktischer Unterwürfigkeit, List und Mut das belagerte Hotel gegen die Hutus und verliert selbst dann nicht die Hoffnung, als die Situation nach tagelanger Belagerung immer dramatischer wird und so gut wie aussichtslos erscheint. Er verhandelt mit einem fast ohnmächtig bemühten UN-Colonell (Nick Nolte), Polizeioffizieren und fanatischen Hutu-Milizen, die im Zweifelsfall lieber ihre Landsleute mit Macheten abschlachten als einen Funken von Menschlichkeit zu zeigen. Nach mehreren vergeblichen Anläufen gelingt es ihm schließlich, mit Hilfe von Bestechung und Erpressung der Hutu-Schergen die Bedrohten mit einem UN-Konvoi in Sicherheit zu bringen.

„Hotel Rwanda“ (Szenenfoto: Berlinale)

Der Film will das Kunststück fertig bringen, von einem realen Völkermord zu berichten und das ganze dennoch in spannende Kinounterhaltung zu verpacken. Doch kann er von den grausamen Ereignissen nur hilflos ohne zu beschönigen erzählen und sich redlich bemühen, den vorhandenen Sadismus nicht als Schauwert zu präsentieren. Dass wir dem Grauen nicht entkommen ist dennoch unvermeidlich. Denn außerhalb der Trutzburg des Hotels herrscht die Hölle, immer wieder geschürt von den Hasspredigten des „Hutu Power Radio“ und dem Blutrausch des Mobs der Straße. Besonders heftig zeigt dies eine zentrale Episode. Als der Hotelmanager versucht, Lebensmittel zu organisieren, beginnt sein Lieferwagen auf einer nebeligen Landstraße fürchterlich zu schaukeln. Entsetzt muss er feststellen, dass der Weg mit Hunderten von Leichen übersäht ist. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als seine Fahrt über sie fortzusetzen.

Doch die Anklage des Films richtet sich mehr gegen uns, den zivilisierten Westen, der so gut wie keine Anstalten machte, das Massenmorden zu beenden, sondern eher desinteressiert wegschaute. So ist der Film eine klagende Erinnerung und ein vehementer Appell, der nichts an Aktualität eingebüßt hat, besonders in Zeiten, in denen das Morden z.B. im Sudan und im Kongo immer noch zur Tagesordnung gehört.

Noch ein zweiter Film über ein afrikanisches Thema rüttelte das Publikum der Berlinale auf. Es war der deutsche Dokumentarfilm „Lost Children / Verlorene Kinder“ von Ali Samadi Ahadi und Oliver Stoltz, der in der Programmsektion „Panorana“ lief. Der Film behandelt das Schicksal von Kindersoldaten. Er erzählt von der brutalen Grausamkeit, die diesen entführten Kindern von den Rebellen in Uganda und Sudan angetan wird, und von dem sehr schwierigen, aber dennoch beharrlich verfolgten Versuch, diese traumatisierten Kinder wieder in ein normales Leben in ihrer Heimat einzugliedern.

„Lost Children / Verlorene Kinder“ (Szenenfoto: Berlinale)

Schon im Alter ab sechs und sieben Jahren werden Jungen und Mädchen von den Rebellen geraubt, gequält, misshandelt und zu Soldaten ausgebildet. Die überwiegende Mehrzahl dieser Kinder hat getötet. Die, denen die Flucht aus den Fängen ihrer Peiniger gelingt, werden in einem Auffanglager der Caritas betreut, behutsam psychologisch wieder aufgebaut und stabilisiert, bis sie sich soweit erholt haben, dass sie in ihre Familien zurückkehren könnten. Doch diese Station ihrer „Heilung“ erweist sich oft als die schwierigste. Die Kinder werden von ihrer Familie und der Gesellschaft als Mörder empfunden und meist ausgegrenzt. Viele von ihnen werden zu Hause oft nur geduldet, müssen bei entfernten Verwandten leben oder bleiben im Heim.

Der Film macht sich zum Anwalt dieser Kinder, erzählt eindringlich und sensibel von ihren traumatischen Erlebnissen bei den Rebellen und ihren oft schmerzvollen Erfahrungen bei ihren Versuchen, zu Hause wieder aufgenommen zu werden. Erschüttert verfolgt der Zuschauer ihre Erzählungen von den Gemetzeln und Grausamkeiten, bei denen sie als Täter zu Opfern wurden. Der 13-jährige Kilama kann seine Erinnerungen an einen kleinen Jungen nicht vergessen, der mit ansah, wie er dessen Mutter erstach. Francis, 12 Jahre alt, berichtet, wie er anderen Kindern beim Töten zusehen musste. Sie haben zwei Jungen mit Machteten hingerichtet. Danach war allen klar, dass ihnen dasselbe bei Widerstand drohen würde.

Traurig machen auch die selbstgerechten Argumente der Angehörigen, die damit die Ablehnung der Kinder zu rechtfertigen suchen. Die Kinder seien Kriminelle geworden. Ein Leben mit ihnen sei den Familien nicht zuzumuten. Umso erleichternder ist ein Glücksgefühl am Schluss des Films: die unbändige Freude einer Mutter ihr Kind wieder bei sich zu haben. Leider wohl eher eine Ausnahme. (Helmut Schulzeck)

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