23. Filmfest Schleswig-Holstein 2019 – Begleitprogramm LUSCHERN
Die Welt ist kein Actionfilm
“Cops” (A 2018, Stefan A. Lukacs)
Stefan Lukacs hat mit seinem Langfilmdebüt “Cops”, über einen jungen Wiener Polizisten, ein visuell schönes und inhaltlich intensives Drama geschaffen, welches sein Publikum nicht unberührt aus dem Kino gehen lässt.
Beim renommierten Nachwuchsfilmfestival Max-Ophüls-Preis 2019 gewann “Cops” neben dem Preis für den gesellschaftlich relevanten Film eine Auszeichnung für die schauspielerische Leistung von Anna Suk sowie den Publikumspreis.
Lukacs erzählt in “Cops”, wie der Protagonist Christoph (Laurence Rupp), Polizist und Anwärter der Wiener Spezialeinheit WEGA, während seines Diensts ein traumatisierendes Ereignis erlebt, dessen Symptome er jedoch vor seinen Kollegen und der Familie verheimlicht.
Der Film definiert von Beginn zwei metaphorische Räume, in denen jeweils unterschiedliche Vorstellungen von Recht und Moral existieren. Dabei handelt es sich zum einen um den privaten Raum der Familie und zum anderen den so genannten “familiären” innerhalb der WEGA. Christoph bewegt sich von Zweifeln getrieben zwischen diesen beiden Räumen hin und her, auf der Suche nach der Wahrheit und sich selbst.
Von seinen Kollegen wird Christoph nur “Burschi” genannt. Er ist jung, ehrgeizig und freundlich. Wenn Christoph einer älteren Nachbarin im Treppenhaus begegnet, hält er ihr die Tür auf und lässt sie vorgehen. Seit seiner Kindheit möchte er zur WEGA, um die Welt vor den Verrückten zu beschützen, wie er erzählt. In seinem kleinen Apartment hängt ein WEGA-Poster, auf das er während der morgendlichen Sportroutine schauen kann. Auf dem Poster ist ein Adler zu sehen, der in urbaner Umgebung im Sturzflug auf eine Ratte zufliegt. Die Wega (Vega) ist ein Stern im Sternbild Lyra, welches für einen herabstoßenden Adler steht. Die Mitglieder der Spezialeinheit haben jedoch ihre eigene Herleitung: “W(ir) E(rledigen) G(ern) A(lles)”. Damit beziehen sie sich auf besonders gefährliche polizeiliche Einsätze.
Das WEGA-Team – Gruppenzwang zur exzessiven Gewalt
Die Spezialeinheit ist eine männlich dominierte Abteilung der Wiener Polizei, Frauen arbeiten hingegen im Raubdezernat oder auf Streife. Dementsprechend maskulin sind Rituale sowie Umgang innerhalb der Gruppe. Teamgeist, Zusammenhalt sind die Leitsätze der WEGA, die den Rekruten in der Ausbildung beigebracht werden. Diese Grundsätze stehen somit stellvertretend für die familiäre Struktur der Einheit. Daher entspricht es der filmischen Logik, dass sich der Teamleiter Konstantin (Anton Noori) zur stellvertretenden Vaterfigur für Christoph herausbildet. Während sein leiblicher Vater (Roland Düringer), der ebenso Polizist ist, sowie Freundin Nicky (Anne Suk) den privaten Raum der Familie repräsentieren.
Christoph und Nicky versuchen, eine Familientragödie zu verhindern.
Im Film verläuft die metaphorische Grenze dieser Räume an einem Zaun des Fußballstadions. Christophs Vater Heinz steht am Einlass des Stadions wo er die ankommenden Fans kontrolliert und deeskalierend tätig wird, während die WEGA, samt Christoph und Konstantin, auf der anderen Seite des Zauns potenzielle Störenfriede gewaltsam aus der Menschenmasse zerrt.
Lukacs verwendet viele solche metaphorischen Gegenüberstellungen. Ebenso gelungen ist die unterschiedliche Umsetzung der Auseinandersetzungen zwischen Christoph und seinen beiden Vaterfiguren. In einer anderen Sequenz leitet ein Match Cut amüsant den Übergang vom Schlafzimmer in den Polizeieinsatz ein. Weil die männlich geprägte Welt der WEGA keine Schwächen akzeptiert, verheimlicht Christoph seine Panikattacken vor beiden “Familien”.
Zugegeben, Geschichten von traumatisierten, depressiven oder alkoholisierten Kommissaren oder Soldaten kennen die geübten Noir-, Krimi- und Anti-Kriegsfilm-Schauenden zur Genüge. Jeder zweite Tatort thematisiert mittlerweile die psychisch labile Verfassung der Ermittelnden. Was “Cops” von vielen anderen dieser Kino- und TV-Filme unterscheidet: Der Regisseur transferiert das Ereignis in einen uns nahen, bekannten urbanen Raum und stellt uns darüber hinaus beide Seiten nachvollziehbar dar. Mithilfe der filmischen Stilmittel (Subjektivierung) und einem guten Pacing erzeugt der Film einen Sog, der einen förmlich in die Geschichte hineinzieht. Auch wenn einige Metaphern buchstäblich mit der Brechstange daherkommen, ist “Cops” nicht zuletzt durch das schöne Color Grading und den thematischen Wechsel der Farbtemperatur ein atmosphärisch gelungener Polizeifilm, der unbedingt laut und auf einer großen Leinwand geschaut werden sollte. (Marc Asmuß)
“Cops”, Österreich 2018, 89 Min.; Regie/Buch: Stefan A. Lukacs; Kamera: Xiaosu Han, Andreas Thalhammer; Schnitt: Julia Drack; Darsteller*innen: Laurence Rupp (Christoph “Burschi” Horn), Anton Noori (Konstantin Blago), Anna Suk (Nicky Winter), Roland Düringer (Heinz Horn), Maria Hofstätter (Marianne Kelch).
Der Film läuft im Rahmen der Reihe “LUSCHERN vor dem Filmfest” am Fr, 3. Mai 2019, 20 Uhr im CinemaxX Kiel.