Ein Film über das Sterben und daher das Leben

(„Ich hab noch Auferstehung_“, Jan-Gerrit Seyler, D 2013)

Der blinkende Cursor am Ende des Titels – „Ich hab noch Auferstehung_“ – von Jan-Gerrit Seylers Abschlussfilm an der Hamburg Media School wird gern weggeschnitten oder übersehen, dabei ist er doch ein wichtiges Bindeglied zwischen der virtuellen und der realen, der toten und der lebendigen Welt, um die es in diesem 23-minütigen Kurzspielfilm so vielschichtig geht.
Marco aka Lanar und Lisa aka Elorie haben sich bei einem Online-Spiel kennen und lieben gelernt. Mit vereinten Kräften haben sie schon oft gegen die virtuellen – und alsbald allzu wirklichen – Monster gekämpft und gesiegt. Eine Romanze, der noch ihre wirkliche Seite fehlt. So das Setting des feinen kleinen Drehbuchs von Katarina Kokstein zu Beginn von Seylers Film.
Eines Abends – wir sehen in Nah- und Nächstaufnahmen Marco/Lanar mit dem Schweiß des letzten Kampfes auf Stirn und Maus (Kamera: Jürgen Kemmer) – könnte aus der Internetkampfgemeinschaft eine im wirklichen Leben werden. Eloise küsst ihren Lanar per Mausklick ob des bestandenen Kampfes gegen ein böses Monster. Doch, ihm unverständlich, zuckt sie zurück, als er einen wirklichen Kuss sich von ihr wünscht.
Schweiß auf der Stirn und im Herzen ob des letzten Kampfes: Marco (Bazon Rosengarth) in „Ich hab noch Auferstehung_“
Ebenso in der virtuellen Realität jugendlicher Online-Spieler wie auch der archetypischen Märchenszene des Jünglings, der ein Mädchen liebt, siedelt Seyler den schon durch diese Spannung mitreißenden Beginn seines Films an. Wie kann das weitergehen, fragt sich der Zuschauer. Und ist wie Marco enttäuscht, als Lisa ablehnt. Sie habe einen anderen. Dass dieser „andere“ ihre Krebserkrankung ist, erfährt Marco erst Tage später, als er die Spur seiner Online-Märchenprinzessin im wirklichen Leben aufnimmt, seit sie offline sich nicht mehr meldet.
Als erfahrener Hacker hat er ihren Account längst geknackt und erfährt so ihre Adresse. Dort warten Eltern, die ihm eröffnen, warum Lisa nicht seine Geliebte werden kann. Doch Marco lässt sich davon so wenig wie von den Internet-Monstren beirren und besucht Lisa im Krankenhaus für die kurze Liebe im Realen, die ihnen noch bleibt.
Der Tod ist immer Begleiter dieses kurzen Films. Als Ewigkeit, die der liebende Augenblick stets erhofft und doch auch fürchtet. Denn was ist, indem es diese große Teenager-Liebe wird, ist immer schon vergänglich. Und dadurch ewig, dass man sich immer daran erinnern wird. Und er, der Tod, bricht den Augenblick der Zärtlichkeit, der hier so zart und zugleich voller Ahnung und Melancholie gezeigt wird, wenn Marco Lisa in ihrer beider erster letzter Nacht in den Tod begleitet.
Seyler inszeniert das mit einer Leichtigkeit, die dem schweren Thema umso angemessener erscheint, als einen Film über das Sterben, der eigentlich einer über das Leben ist. Dass wir, um es biblisch zu sagen, „mitten im Leben mit dem Tod umfangen“ sind, gilt in diesem Kurzfilm auch umgekehrt: Mitten im Tod ist das Leben am intensivsten. Und das weniger im virtuellen Spiel, wo man nach einem verlorenen Leben immer noch einmal „Auferstehung hat“, sondern vielmehr im wirklichen Leben, wo – ja, ganz altes Thema, ganz altes Pathos, alte Geschichte, aber dennoch immer wieder neu – die Liebe das Leben über den Tod hinaus auferstehen lässt. Chapeau und manch Tränchen im Knopfloch für diesen kurzen Film über eine ganz lange Frage nach dem Leben vor und nach dem Tod. (jm)
„Ich hab noch Auferstehung_“, D 2013, 23 Min., 16 mm (Blow-Up 35 mm)/HDCam/QT/DVD/Blue-Ray/DCP, Regie: Jan-Gerrit Seyler, Buch: Katarina Kokstein, Kamera: Jürgen Kemmer, Schnitt: Max Mittelbach, Produktion: Hamburg Media School, Darsteller: Bazon Rosengarth, Swantje Kohlhof, Jochen Nickel, Tina Eschmann, Pia Fischer, gefördert von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein. Infos: www.hamburgmediaschool.com, www.facebook.com/ichhabnochauferstehung. Der Film war nominiert für den Max-Ophüls-Preis 2013 und den Publikumspreis Kurzfilm des Studio-Hamburg-Nachwuchspreis.
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