56. Nordische Filmtage Lübeck 2014

Ankommen in der kalten Heimat

„Manchmal denk’ ich jetzt auf Deutsch“ (Helmut Schulzeck, D 2014)

Drei junge Kenianerinnen in Deutschland. Sie sind als Aupair-Mädchen bzw. durch ein Jugendaustauschprogramm nach Schleswig-Holstein gekommen. Seit rund vier Jahren leben sie dort und sind inzwischen mit deutschen Männern verheiratet. Der Kieler Filmemacher Helmut Schulzeck, selbst verheiratet mit einer Kenianerin, porträtiert die drei in seinem Dokumentarfilm „Manchmal denk’ ich jetzt auf Deutsch“.
Irene hat ihren Mann in Rendsburg auf dem Bahnhof kennengelernt. Es regnete. Er kam mit einem Regenschirm. Er lud sie zum Kaffee ein, sie gab ihm ihre Telefonnummer – „so hat es dann gefunkt“. Irene sagt: „Die Küche gehört zu den Frauen.“ Irene zeigt freimütig die gemeinsame Wohnung, Küche, Wohn- und Schlafzimmer, obwohl sie weiß, „dass man das bei uns in Kenia nicht macht, das Schlafzimmer ist tabu.“ Ein „Mzungu = weißer Europäer“, denkt man in Kenia, habe Geld. Im gelobten Deutschland sieht es anders aus, da haben manche kein Geld – und nie Zeit. Und sie gelten als „kalt“, was Irenes Erfahrung mit den Mzungus aber nicht bestätigt. Deutschland gefällt ihr, „weil es eine Struktur gibt, Pünktlichkeit“.
Heimweh-heimisch im deutschen Wohnzimmer: Irene (Still aus dem Film)
Lilian, verheiratet mit Mathias, ist immer noch erstaunt darüber, „dass es hier so kalt ist“. Mathias, der einzige Gatte der drei mit einem Deutschen verheirateten Kenianerinnen, der sich Schulzecks Kamera stellte, verführt Lilian manchmal zum sehr deutschen Spazierengehen und nervt ansonsten seine Angetraute mit den „vielen Hobbies, die Deutsche haben“. Lilian indes schwärmt inzwischen für deutsche Schlager, und Mathias macht um des Familienfriedens Willen mit. Er weiß: „Viele denken, die hat mich nur geheiratet, um in Deutschland zu bleiben“, er aber hat sie geheiratet, um bei ihr zu bleiben.
Auch Susan jetzt aus einem Dorf bei Schleswig hat so ziemlich „alles gemacht, um hier zu bleiben“. Aber „es war nicht einfach“, anzukommen. „Ich war richtig naiv“, blickt Susan auf ihr Ankommen in der norddeutschen Provinz und bei ihrem Ehemann zurück. Die zukünftige Kindergärtnerin weiß: „Wir haben nicht so viel zu diskutieren, ihr diskutiert viel. Hier muss jeder seine Meinung sagen“, sie auch, hätte sie eine, außer im Neuland Wurzeln schlagen zu wollen. „Manchmal denk’ ich auf Deutsch, auch wenn ich bete“, gesteht sie und gibt so Schulzecks Film den Titel.
Drei Frauen aus Kenia, die hier ankommen und das hiesige Leben nolens volens mitgestalten. Dass Migrantinnen eine Bereicherung für unsere verknöcherte deutsche Wohlstandsgesellschaft sind, zeigt Schulzecks Dreier-Porträt. Gerade auch darin, dass die drei kenianischen Frauen sich nicht für übliche Migranten-Stories nutzen lassen, sondern „sehr deutsch“ sind, manchmal provinzieller als die Einheimischen in ihrer aufgesetzten Weltläufigkeit. Gerade solche Erfahrung macht Schulzecks Film zu einem Erlebnis, das Ankommen hinterfragt und ankommen lässt mitten zwischen den sehr deutschen Bildern hierher gekommener Kenianerinnen. (jm)
„Manchmal denk’ ich jetzt auf Deutsch“, D 2014, 33 Min., HD 16:9. Buch, Regie, Ton, Produktion: Helmut Schulzeck, Kamera: Bernd Fiedler, Schnitt: Caesar Nyumba Lovejoy. Mit: Irene Wambui Munyua, Lilian Bundi-Kopp, Susan Schröder, Mathias Kopp. Gefördert aus Mitteln der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein. Premiere am 30.10.2014, 10.45 Uhr, Cinestar 7.
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