Kommentar:

Mehr ist wiedermal weniger

Das digitale Fernsehen ist auf dem Vormarsch. In genau zwei Jahren werden die öffentlich-rechtlichen Sender und wohl auch einige Private das analoge Signal auf den Satelliten abschalten. Grund: Digital bietet eine vielfach höhere Programmvielfalt samt Mehrwertangeboten wie einer elektronischen Programmzeitschrift.
Das gilt auch für DVB-T, das digitale terrestrische, also mit Antenne empfangbare Fernsehen. Auf den ehemalig analogen Frequenzen lassen sich digital viel mehr Programme übertragen. Was die Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) auf den Plan ruft, namentlich ihren Medienrat, der darob Handlungsbedarf sieht, die frei gewordenen Kanalschächte zu füllen.
Koste es, was es wolle, möchte man meinen, wenn man liest, welchen Sendern der Medienrat jüngst Kanallizenzen für zehn Jahre einräumte. In Hamburg gibt’s ab sofort vier neue Programme über DVB-T zu sehen. Doch die neue Quantität ist weitgehend frei von Qualität. Bei „Das Vierte“ und „Tele 5“ mag man noch argumentieren, dass die zuweilen auch Spielfilme senden, die sich fürs persönliche Video-Archiv lohnen würden – wenn man denn die Möglichkeit hat, die Werbeblöcke heraus zu schneiden. Wozu aber brauchen wir ein Nachrichtenprogramm wie „Euronews“, das an nachrichten-journalistischer Qualität nicht mal mit „N24“ mitkommt und das wir schon im Kabel mit einem „Überspringen“-Befehl auf der Fernbedienung versehen haben? Und wer will beim DVB-T-Zappen auf Teleshopping-Sender wie das legendär dümmliche „QVC“ oder den sicher kaum besseren Newcomer „Channel21“ stoßen?
Mehr Programm ist also hier wiedermal weniger an Qualität. Warum die MA HSH und ihr Medienrat solchen „Füllfunk“ dann auch noch als Erfolg bei der weiteren Etablierung von DVB-T verkaufen, steht in den Sternen. Ist doch die MA HSH sonst Wächter von medialer Qualität und Anwalt vor allem auch seriöser regionaler TV-Berichterstattung. Warum, so fragt sich der kulturell und nicht an Dauerwerbesendungen interessierte Zuschauer, gibt es – nur ein Beispiel – den Offenen Kanal SH nicht endlich nur im Kabel, sondern auch per DVB-T-Antenne?
Immerhin, den „Luschen“ auf den neuen Kanälen stehen auch Zulassungen von „special interest“-Programmen im Internet gegenüber. Man möchte dem MA HSH-Medienrat wünschen, dass er derlei Augenmerk auch bei der Verteilung der DVB-T-Frequenzen übt und nicht den rein Kommerziellen und ihrem programmatischen Schwachsinn nochmehr Senderaum einräumt. (jm)
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