Utopien, Daten, Digitales

FFHSH-Förderentscheidungen Gremium 2

In ihrer ersten Sitzung als Geschäftsführerin der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH) traf Maria Köpf gemeinsam mit dem Gremium Förderentscheidungen mit einem starken Dokumentarfilmschwerpunkt. Das Gremium 2 der FFHSH, zuständig für Projekte mit Herstellungskosten bis zu 800.000 Euro, vergab am 26. Januar 2016 Fördergelder in Höhe von 606.500 Euro an 21 Projekte.
Produktionsförderung für das Kino erhalten neun Dokumentar- und zwei animierte Kurzfilmprojekte:
Vor dem Hintergrund des bevorstehenden hundertsten Jubiläums des Bauhaus erzählt Niels Bolbrinker in Bauhaus Einhundert (85.000 Euro, Filmtank, Hamburg) die Geschichte und Gegenwart eines utopischen Projekts: die Schaffung des Neuen Menschen aus der Verbindung von Arbeit und Spiel, Handwerk und Kunst. Der Kinodokumentarfilm ist Teil des groß angelegten Crossmedia-Projekts „Bauhaus Spirit“.
„Predictive Policing“ ist die Erfüllung eines alten Polizistentraums, vor dem Täter am Tatort zu sein. Grundlage der Prävention sind Metadaten, die von geheimen Algorithmen nach Mustern und Verbindungen abgesucht werden und Prognosen über Ort und Zeit möglicher Verbrechen stellen. Mit Pre-Crime (85.000 Euro, Kloos & Co Medien, Berlin) verfolgen die Hamburger Matthias Heeder und Monika Hielscher die Entwicklung des Menschen vom Träger unveräußerlicher Grundrechte zum Träger unverwechselbarer Daten.
Eine Nacht in Paris (50.000 Euro, Made in Germany Filmproduktion, Köln) ist die autobiografische Geschichte von Ulrike Schaz. Vor fast 40 Jahren geriet sie in die Mühlen der Geheimdienste, weil sie ausgerechnet die Party besuchte, wo der gesuchte Terrorist Carlos zwei Polizisten erschoss. In den Datenbanken taucht sie seitdem als „Terroristin“ auf, jetzt kämpft sie um ihr Recht auf Vergessenwerden.
Kabul, 2014. Bei einer Theaterpremiere über Selbstmordanschläge sprengt sich ein 17-Jähriger in die Luft. In Die Stille nach dem Anschlag (50.000 Euro, Niklas Schenck, Hamburg) erzählen die Überlebenden von dem Tag, der alles veränderte. Von ihrer Wut, ihrer Angst, ihren Schuldgefühlen. Von ihren getöteten Freunden und davon, wie sie sich selbst zurück ins Leben kämpften.
Peter Sempel nennt sein Projekt You Gotta Say Yes to Another Excess (45.000 Euro) einen „Experimentalpsychodokumusikfilm“. Er widmet sich darin der Figur Dieter Meier, die seit 50 Jahren sehr vielseitig und weltweit erfolgreich als Multimedia-Künstler agiert und setzt Meiers Leben darin in Verbindung zur Kurzgeschichte „Der Traum eines lächerlichen Menschen“ von Fjodor Dostojewski.
Gerhard Mack ist emeritierter Professor für Theoretische Elementarteilchenphysik am Deutschen Elektronen Synchrotron (DESY) in Hamburg. Seine Theorie der komplexen Systeme operiert zwar mit physikalischen Methoden, doch wurde sie von Mack immer wieder herangezogen, um auch gesellschaftliche, politische, psychologische oder ganz persönliche Themen zu begreifen. Die Sinfonie der Ungewissheit (40.000 Euro, Tamtam Film, Hamburg) von Claudia Lehmann nähert sich einer wichtigen internationalen Forschungsstätte in Hamburg und einem der angesehensten deutschen Physiker, der uns eine neue Perspektive auf das ganz normale Leben ermöglicht.
In dem kurzen Animationsfilm 3 Refugees – I Want to Tell You My Story (35.000 Euro, Studio Rakete, Hamburg) erzählen drei Kinder im Alter von sechs bis 14 Jahren von ihrer Flucht aus dem Iran, Afghanistan und Guinea. Mit ihren Zeichnungen, Fotos und Collagen, die während ihrer Therapie entstanden sind und mit Legetrick digital bearbeitet und animiert werden, begleitet Regisseur Sören Wendt die Fluchtgeschichten filmisch.
Seit über 2.000 Jahren wird die Saz gespielt. Von den östlichen Regionen Chinas bis in die Mitte Europas, an den Lagerfeuern kleiner Weiler genauso wie auf Youtube. Petra Nachtmanova ist eine der wenigen Europäerinnen, die das Saiteninstrument beherrscht und macht sich nun in diesem dokumentarischen Roadmovie auf den Weg durch sieben Länder, um dessen Herkunft zu ergründen. Saz (30.000 Euro, Anthro Media Wesnigk und Barth, Hamburg) entsteht unter der Regie von Stephan Talneau, eine Geschichte über Klänge und Kulturen aus Sicht einer Außenstehenden.
Der afghanische Verkehrspolizist Ali wird eines Tages durch eine nagelneue Verkehrsampel ersetzt. Fest entschlossen, dieses „Stahlmonster“ zu beseitigen, bekommt er zusätzlich Probleme mit ranghohen Politikern und der Taliban. Als er aber ein mutiges Mädchen dabei in Lebensgefahr bringt, erkennt er, was von wahrer Bedeutung ist. Der animierte Kurzfilm Stop & Go (25.000 Euro let’s be awesome filmproduction, Hamburg) ist ein Hamburger Nachwuchsprojekt unter der Regie von Ceylan Beyoglu.
Wie verändern die Menschen das Internet und wie verändert das Internet die Menschen? Lassen sich die Ideale und Träume der Hacker-Community auf die Gesamtgesellschaft anwenden? Wie gehen die Hacker mit der ihnen zufallenden Macht in den neuen Konflikten um, die abseits aller Staatsgrenzen und oft außerhalb der geltenden Gesetze geführt werden? All Creatures Welcome (20.000 Euro, Sandra Trostel, Hamburg) begibt sich in das Umfeld digitaler Aktivisten und erzählt vom Beginn eines neuen Zeitalters.
Im Zentrum des filmischen Essays The Ballad of George Barrington (20.000 Euro, Nils Hartlef, Hamburg) steht die Geschichte des Taschendiebs George Barrington, der im London des ausgehenden 18. Jahrhunderts im Kreise des Hochadels verkehrte und später in Australien Polizeichef wurde. Der Film von Matthias Meyer und Alexander Rischer ist eine Suche nach Diebesgut, nach wertvollen und banalen Gegenständen sowie nach Dokumenten, Menschen und ihren Verbindungen zueinander.
Förderung zur Projektentwicklung erhalten zwei Kinoproduktionen: In Mut (12.000 Euro, av medien penrose, Stuttgart) ergründet Christa Pfafferott, warum manche Menschen gegenüber den Herausforderungen der Welt schweigen und andere sich einmischen. Under The Milky Way (12.000 Euro, fuenferfilm, Hamburg) erzählt von Pilzsammlern, die jährlich in den südlichen Karpaten für einige Monate in provisorischen Zeltlagern an den Waldrändern nahe der Transalpina leben. Regie führt Bernd Schoch.
Mit Verleih- und Vertriebsförderung wurden vier Projekte gefördert: Hello I’m David! von Cosima Lange (25.000 Euro, Piffl Medien, Berlin), Urmila von Susan Gluth (20.000 Euro, farbfilm verleih, Berlin), Chamissos Schatten von Ulrike Ottinger (17.000 Euro, Real Fiction, Köln, Kinostart: März 2016) und Athos von Peter Bardele (15.000 Euro, NFP, Berlin, Kinostart: 16.6.2016).
Für die Postproduktionsförderung wird das Dokumentarfilmprojekt Viacrucis Migrante von Hauke Lorenz mit 6.000 Euro unterstützt.
Kinoförderung erhalten die Kinemathek Hamburg für eine Stummfilmreihe mit Kriminal- und Detektivfilmen (7.000 Euro), das 3001 Kino für die 26. Lateinamerika Filmtage & Cinespanol (4.000 Euro) sowie das B-Movie für das Programm Film Fatale (3.500 Euro), das sich dem weiblichen Filmschaffen widmet.
Die Förderentscheidungen haben getroffen: Barbara Denz, Katrin Klamroth, Maria Köpf, Hansjürgen Rosenbauer, Arne Sommer, Andres Veiel.
(nach einer Pressemitteilung der FFHSH)
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