Offener Brief an Claudia Roth

Sehr geehrte Frau Staatsministerin, liebe Claudia Roth,

die Berlinale ist das wichtigste Filmfestival Deutschlands mit großer internationaler Ausstrahlung und mit enormer Bedeutung für den deutschen Film. Darüber hinaus vermittelt die Berlinale ihrem diversen Publikum vor Ort das, was wir alle gemeinhin unter Kino verstehen und fördern wollen. Die Berlinale ist für uns wie für viele andere Akteur*innen der Filmkultur unersetzlich, weswegen uns die Zukunft des Festivals ein besonderes Anliegen ist.

Wir schauen mit Sorge auf die Entwicklungen, die es seit einigen Monaten, insbesondere aber in den letzten Tagen, um die Berlinale gegeben hat. Nach dem angekündigten Weggang der jetzigen Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek hat nun auch der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian, der die Schlüsselposition beim Festival innehat, seinen Rückzug erklärt – als Folge der von Ihnen angekündigten Neustrukturierung der Führungsspitze der Berlinale. Einige Hundert Filmschaffende haben sich mit ihm solidarisch erklärt und gegen Ihren Umgang mit einer international geschätzten und respektierten Persönlichkeit Protest erhoben. Dem schließen wir uns an. Die personalstrukturelle Entscheidung, in Zukunft eine Intendanz und nicht mehr eine Doppelspitze aus Geschäftsführung und Künstlerischer Leitung zu implementieren, wirft zudem drängende Fragen auf.

Das Modell einer Intendanz kann auf sehr unterschiedliche Weise ausgefüllt werden. Ein Konzept mit einer nachhaltigen Zukunftsvorstellung ist in jedem Fall unabdingbar. Um einen Rückschritt in vergangene Zeiten auszuschließen, ist es wesentlich, dass künftig in der Leitungsposition der Fokus auf die kulturelle und künstlerische Bedeutung des Festivals und des Mediums Film auf internationaler wie nationaler Ebene gelegt wird. Eine solche Intendanz muss mit Persönlichkeiten besetzt werden, die Expertise in kuratorischer Arbeit vorweisen. Vergleichbare internationale Filmfestivals mit großer Strahlkraft wie Cannes und Venedig werden von Personen mit entsprechendem filmwissenschaftlichen, -kuratorischen und -historischen Wissen geleitet und von einem starken Team unterstützt. Internationale Vernetzung und Reputation in der Filmbranche sind für diese Position von höchster Bedeutung.

Das von Ihnen angekündigte Intendanzmodell darf nicht bedeuten, dass künftig weniger Wert auf die kuratorische Arbeit gelegt wird. Daher fordern wir Sie auf, zügig öffentlich die drängenden Fragen zu klären: Was genau ist unter der vorgesehenen Funktion der Intendanz zu verstehen? In welcher Teamkonstellation wird die neue Intendanz arbeiten und zu welchen Bedingungen? Wird es für die Intendanz eine öffentliche Ausschreibung geben? Wann wird die neue Position besetzt?

Die aktuelle Unsicherheit und die international von über 400 Filmemacher*innen höchster Reputation geäußerte Sorge bezüglich der zukünftigen Ausrichtung der Berlinale muss schnellstmöglich durch ein transparentes, faires und zukunftsorientiertes Verfahren ausgeräumt werden. Essenziell ist dies auch bei der Besetzung der Findungskommission, die aus diversen Vertreter*innen der Filmkultur bestehen muss, nicht ausschließlich aus Mitgliedern und Mitarbeiter*innen einer einzigen Institution.

Gerne stehen wir und unsere Mitglieder für einen konstruktiven Dialog hierzu zur Verfügung.

Ihre Initiative Zukunft Kino+Film

  • AG Filmfestival
  • AG Kurzfilm
  • Bundesverband Regie
  • Crew United
  • Hauptverband Cinephilie
  • VeDRA – Verband für Film- und Fernsehdramaturgie
  • VDFK – Verband der deutschen Filmkritik
  • Zukunft deutscher Film

Links:

 

Titelfoto: Großes Kino am Festivalpalast 2023 (Quelle: berlinale.de)
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