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ARTE G.E.I.E.
z. Hd. v. Gabriele Dasch (Presse-und Öffentlichkeitsarbeit)
Berlin, den 06.11.2020
Sehr geehrte Frau Dasch, sehr geehrte Damen und Herren,
mit großer Irritation haben wir die ARTE-Ausschreibung „Regisseurin gesucht“ vom 27. Oktober 2020 gelesen. Wir bezweifeln, dass ARTE mit dieser diskriminierenden Initiative die fehlende Repräsentation von Regisseurinnen ändern wird.
Die Erkenntnis, dass es eine strukturelle Benachteiligung von Frauen* in der deutschen Film- und Fernsehbranche gibt, ist nicht neu. Der Diversitätsbericht von 2018 belegt, dass Regisseurinnen nicht angemessen in der Film- und Fernsehbranche vertreten sind, obwohl mehr als 50% der Absolvent*innen der Filmhochschulen Frauen* sind.
Seit 2014 engagiert sich Pro Quote Regie/Film filmpolitisch für eine Umsetzung der 50/50 Quote. Bereits 2016 erhielt ARTE ein umfangreiches Paket von Pro Quote Regie mit den Filmographien qualifizierter und zur Verfügung stehender Regisseurinnen.
Welche Maßnahmen hat ARTE seitdem ergriffen um eine gerechte Teilhabe von Regisseurinnen umzusetzen?
In der Ausschreibung „Regisseurin gesucht“ können wir kein ernsthaftes Anliegen von ARTE erkennen sich für Gleichberechtigung der Geschlechter einzusetzen.
- ARTE schreibt einen Wettbewerb aus, für den Filmemacherinnen einen Kurzdokumentarfilm produzieren und einreichen sollen.
Das bedeutet, die Regisseurinnen sind aufgerufen, unentgeltlich einen Film herzustellen. - ARTE limitiert die Ausschreibung auf das Thema „Unbeschreiblich weiblich“.
Das heißt, die Regisseurinnen werden in ihrem Schaffen von vornherein auf die Themen der vermeintlichen „Weiblichkeit“ und des „weiblichen Blicks“ reduziert. - ARTE bietet der Gewinnerin des Wettbewerbs einen Entwicklungsvertrag für ein 52-minütiges Format an.
Die Ausschreibung fördert somit keine tatsächlich gleichberechtigte Teilhabe von Regisseurinnen, v.a. nicht auf einem Prime-Time Sendeplatz. - ARTE richtet seine Ausschreibung explizit an Nachwuchsregisseurinnen.
Das heißt, der Sender ignoriert die Existenz mehrerer Generationen qualifizierter Regisseurinnen.
Wir fordern:
- eine sofortige Überarbeitung der ARTE-Ausschreibung „Regisseurin gesucht“
- Strukturelle Gleichberechtigung und gerechte Teilhabe von Regisseurinnen bei ARTE
- Eine Einführung der Gender-Quote für alle ARTE-Sendeplätze und ARTE-Filmproduktionen
- Transparente Maßnahmen aller ARTE-Redaktionen, um die Gendergleichberechtigung von Autorinnen*, Regisseurinnen*, Cinematografinnen*, Editorinnen*, Tonfrauen* und Filmkomponistinnen* umzusetzen
- Gender-Monitoring von allen redaktionellen Entscheidungen
- verpflichtende Fortbildungen zu Feminismus- und Gendergleichberechtigung für alle ARTE-Redakteur*innen und Programmverantwortlichen
Wir erwarten des Weiteren, dass ARTE als europäischer Kultursender mit Vorbildfunktion Verantwortung für die Produktionsbedingungen übernimmt. Regie ist nicht unser Hobby, sondern unser Beruf. Die Ausschreibung fördert eine (selbst)ausbeuterische Arbeitsweise, von der erneut diejenigen ausgeschlossen sein werden, die sich ein selbstfinanziertes Filmprojekt nicht leisten können.
Erstunterzeichnerinnen:
- Pary El-Qalqili, Autorin und Regisseurin
- Biene Pilavci, Autorin und Regisseurin
Weitere Unterzeichner*innen:
- Barbara Teufel, Autorin und Regisseurin
- Prof. Tatjana Turanskyj, Autorin und Regisseurin
- Jana Raschke, Dramaturgin und Lektorin
- Nuria Gómez Garrido, VFX Producerin
- Anna Koch, Autorin und Regisseurin
- Emma Rosa Simon, Bildgestaltung
- Vera Drude, Autorin und Regisseurin
- Nina Wesemann, Regisseurin, Kamerafrau
- Kristina Kilian, Autorin und Regisseurin
- Janina Rook, Autorin und Regisseurin
- Birgit Stauber, Schauspielerin, Regisseurin und Produzentin
- Lothar Herzog, Autor und Regisseur
- Lisa Voelter, Autorin und Regisseurin
- Esma Ilona Uysal, Producerin und Realisatorin
- Petra Niermeier, Schauspiel, Regie, Coaching
- Juliana Saragosa, Dokumentar- und Experimentelle Filmemacherin, Sounddesignerin
(Quelle: Mailingliste der AG DOK)
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