Von Daniel Krönke

Seit Jahren fordern Film-Archive und Filmrechteinhaber verstärkte finanzielle und organisatorische Bemühungen zur Erhaltung des „Filmerbes“. Zwar förderte die FFA bereits seit 2012 programmatisch die Digitalisierung von Kinofilmen, aber erst seit dem 1.1.2019 wurde durch die „Förderung der Digitalisierung des nationalen Filmerbes“ ein auf zehn Jahre angelegtes Programm mit einem Etat von jährlich 10 Millionen Euro aufgelegt. Finanziert wird das Programm durch den Bund (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien BKM), die Länder und die Filmförderungsanstalt FFA.

Unabhängig davon hat sich der DIN-Arbeitsausschuss „Produktion, Wiedergabe und Archivierung von audiovisuellen Medien“ seit etwa drei Jahren mit der Erstellung einer Spezifikation beschäftigt, die mit den Zielen einheitlicher Begriffsdefinitionen, Qualitätsstandards und der Vergleichbarkeit von Dienstleistungen einen idealtypischen Digitalisierungsworkflow beschreibt und auch Forderungen für eine nachhaltige Digitalisierung analoger Filme und magnetischer Filmtonträger stellt. In der Ankündigung zum Diskussionspanel auf der Berlinale 2019 heißt es zur DIN SPEC 15587 „Empfehlungen zur Digitalisierung von kinematografischem Film“: „Unter Berücksichtigung ethischer Restaurierungsgrundsätze werden darin zudem Anforderungen an die Vorarbeiten zur Digitalisierung, die Digitalisierung selbst und die Nacharbeiten am Digitalisat formuliert.“ Die neue DIN SPEC richtet sich „an potentielle Förderempfänger. Adressaten sind darüber hinaus Film-, Stadt- und Staatsarchive, Rechteinhaber, Produzenten, filmtechnische Dienstleister sowie alle, die analoge Filme digitalisieren möchten.“

Egbert Koppe, ehemals Bundesarchiv-Referatsleiter Restaurierung, Konservierung und Magazinierung von Filmen, und heute freier Berater u.a. für DEFA-Stiftung, hat mit an der DIN SPEC gearbeitet und stellte die in Kürze erscheinende Spezifikation im Rahmen des Retrospektive-Events „Empfehlungen zur Digitalisierung von analogem Film“ vor. Das Interesse an dem Panel war groß, der Saal gut gefüllt trotz des doch sehr technischen Themas. Das mag auch an der zunehmenden Bedeutung der Digitalisierung von analogen Filmmaterialien für eine Langzeiterhaltung von Filmen liegen. Denn die Optionen für eine fotochemische Sicherung von Filmen nimmt stetig ab. Zwar steht im Bundesarchiv noch die Technik für das Kopieren von Filmen, doch sie wird nicht mehr genutzt. In Berlin bietet lediglich noch die Firma Andec Möglichkeiten zur Herstellung von Filmkopien. Die Filmarchiv-Experten sind sich durchaus uneinig über den zukünftigen Ansatz in der Filmarchivierung: Nur noch Digitalisate archivieren und Filmkopien konsequent vernichten oder doch zusätzlich zum Digtital-Archiv auch die beste auffindbare Filmkopie (bzw. das Original-Negativ) fachgerecht archivieren? Die Scan-Technik ist sehr ausgereift, doch niemand kann sagen, ob sie nicht doch noch entscheidende Fortschritte macht. Und wie ist es mit der Aufführungspraxis: Berauben wir uns durch eine ausschließliche Digitalisierung der Option einer Projektion des Originalmaterials?

Um es vorweg zu nehmen: Um diese Fragen ging es beim retrospektive-Event nicht. Eine Stunde auch viel zu kurz gewesen für dieses momentan heftig diskutierte Thema mit weitreichenden Konsequenzen gewesen. Aber die Bemühungen um einen einheitlichen Workflow bei der Digitalisierung von kinematografischem Film sind natürlich Basisarbeit für eine nachhaltige Digitalisierung, digitale Restaurierung und Archivierung. Die DIN SPEC soll laut Egbert Koppe denn sowohl Orientierung für die Entwickler von Hard- und Software als auch für die Digitalisierungs-Dienstleister und deren Auftraggeber geben, für die die DIN SPEC gleichzeitig Verständigungs- und Verhandlungsgrundlage sein kann. Die jetzige Spezifikation kann als Grundlage für eine spätere Norm dienen und sie kann zur Präzisierung der Förderrichtlinien beitragen. Nach unseren Informationen ist die DIN SPEC bisher aber kein Bestandteil oder Voraussetzung für die Förderung von Digitalisierung durch die FFA.

Natürlich fluchtet die Veröffentlichung der DIN SPEC mit dem Start der Förderprogramms der FFA. Und wie immer die Diskussion um analoge und/oder digitale Archivierung ausgeht, die DIN SPEC definiert die speziellen Voraussetzungen an die Qualität und Nachhaltigkeit einer solchen Langzeitarchivierung. „Im gesamten Digitalisierungs-  und Aufbereitungsprozess müssen eindeutige Vorgaben an die einzuhaltenden konservatorischen Rahmenbedingungen definiert werden und deren Einhaltung muss bei der Durchführung  überprüft werden. Die DIN SPEC 15587 – das neue Regelwerk zur Digitalisierung von analogem Film – leistet genau dies. Es definiert die Mindestanforderungen, die bei einer nachhaltigen Filmdigitalisierung einzuhalten sind. Die an der DIN SPEC Erstellung beteiligten Experten aus Industrie, von Archiven und Wissenschaft haben diese Anforderungen in einem dreijährigen Konsensus-Prozess gemeinsam erarbeitet.“ Schreiben Egbert Koppe und Jörg Houpert in ihrem Artikel zur DIN SPEC 15587 in der FKT Anfang 2019.

Experten der Film-Digitalisierung (v.l.n.r.): Thilo Gottschling (ARRI), Egber Koppe, Martin Koerber (Deutsche Kinemathek), Stefanie Eckert (DEFA-Stiftung), Thomas Worschech (DFF) (Foto: Daniel Krönke)

Beim Retrospektive-Event muss sich Egbert Koppe natürlich auf beispielhafte Abschnitte aus der DIN SPEC beschränken. Als wichtige Beispiele erläutert Egbert neben der Definition des Anwendungsbereiches den RAW-SCAN-Bildbereich. Den Bereich also, der in der für die Archivierung wichtigsten Arbeitsphase „Raw Scan Package“ gescannt wird. Natürlich muss schon hier klar definiert sein, welcher exakte Bereich des Filmstreifens im Scan enthalten sein soll. Die Beschreibung der Mindestanforderungen an Auflösung und Farbabtastung sowie an Dynamikbereich, Dynamikverlauf und Bittiefe gehen weit über die Details in den Förderrichtlinien der FFA hinaus. Ein Beispiel dafür, wie notwendig die DIN SPEC in den nächsten Jahren sein wird.

Die DIN SPEC enthält auch eine klare und einleuchtende Unterteilung des Workflows in vier funktional getrennte Bearbeitungsphasen

  • Raw-Scan Package
  • Processing Package
  • Distribution Package und
  • Deliverable Package.

Die beiden ersten Prozessschritte sind auf die konservatorischen Aspekte gerichtet und sollen derart gestaltet werden, dass Fehler bei einer digitalen Aufzeichnung minimiert werden und alle Bearbeitungsschritte möglichst lückenlos dokumentiert werden. Hier geht es um einen optimierten Schritt vom analogen zum digitalen Medium mit möglichst vollständiger, retrospektiver Nachvollziehbarkeit. Die 3. und 4. Arbeitsphase widmen sich der Verarbeitung des Digitalisats für verschiedene Nutzungsszenarien.

Im Artikel von Koppe und Houpert heißt es dazu: „Besonders hervorzuheben ist dabei der Bearbeitungsschritt, in dessen Ergebnis das mit Processing Package betitelte Produkt entsteht. Auf Grundlage der genauen Beschreibung des Entstehungsweges und damit der Eigenschaften des RAW-Scan Packages und des Processing Packages gibt es damit nun für die Langzeitsicherung von digitalisiertem Analogfilm wesentlich besser geeignete Alternativen, als das bislang im Rahmen der Förderung Digitalisierung des deutschenFilmerbes zu archivierende Distribution Package in Form des DCDM.“

Großes Interesse am Thema Digitalisierung von analogem Film (Foto: Daniel Krönke)

Die anwesenden Experten sehen die DIN SPEC 15587 durchweg positiv. Stefanie Eckert von DEFA-Stiftung freut sich über die DIN SPEC, weil damit vielleicht endlich eine Kontinuität im bisher sich stetig ändernden Workflow gewahrt bleibt. Thomas Worschech vom Deutsches Filminstitut und Filmmuseum (DFF) ist es wichtig, dass das Digitalisat die nächsten 10 Jahre oder mehr Bestand hat und begrüßt deshalb die Anforderungen aus dem Dokument. Egbert Koppe stellt noch einmal heraus, dass die DIN Spec auch zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer für Klarheit in der Auftragserteilung sorgt.

Inwieweit die DIN SPEC 15587 „Empfehlungen zur Digitalisierung von kinematografischen Film“ sich als Richtlinie durchsetzen wird hängt ganz wesentlich von der FFA ab, die über die Richtlinien zur Vergabe der Fördergelder den besten Hebel hat, die Spezifikation zum de facto Regelwerk zu machen.

 

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