Urheberrechtsnovelle verabschiedet
Der Bundestag hat am 30.6.2017 die Urheberrechtsnovelle für den Wissenschafts- und Bildungsbereich beschlossen. Das Gesetz soll den Lehr- und Wissenschaftspersonal einen unkomplizierten “Basiszugang” für sämtliche Medien (Text, Film, Musik, Foto, …) ermöglichen. Verbände der Verlags- und Teile der Kreativwirtschaft sowie verschiedene Redaktionen von Tageszeitungen (z.B. NZZ) sprechen von Enteignung.
Hier die wichtigsten Änderungen für Dokufilmer:
- 15 Prozent Werkumfang von Filmen dürfen zu Bildungszwecken ohne Lizenzerwerb kopiert, verbreitet und öffentlich wiedergegeben werden (Paragraph 60a UrhWissG). Die Nutzung von mehr als 15 Prozent Werkumfang bleibt voll lizenzpflichtig. Der Staat kompensiert die freie Nutzung der 15 Prozent durch pauschale Zahlungen an Verwertungsgesellschaften, die über die Gießkanne an Urheber ausgeschüttet werden. Die Bundesregierung nennt dies “faire Vergütung”, Filmemacher, die Qualität statt Masse produzieren, wissen dass es sich um eine Pseudo-Vergütung handeln wird, mit marginalen Erlösen.
- Ausnahme: Bei Lehrfilmen, die ausschließlich für den Einsatz im Schulunterricht konzipiert wurden, dürfen keine 15 Prozent Werkumfang lizenzfrei verwendet werden.
- Filme die kürzer als 5 Min. sind (sofern keine Lehrfilme) dürfen zu 100 Prozent verwendet werden (“Werke geringen Umfangs”)
- “Vergriffene Werke” (dieser Terminus stammt aus dem Buchhandel und gilt für verlegte Bücher mit ISBN-Nummer) dürfen ebenfalls zu 100 Prozent verwendet werden. Für die lizenzfreie Nutzung von Filmen dürfte diese Regelung generell nicht greifen.
- Die Hersteller von Bildungsmedien (Schulbuchverlage, Lehrfilmproduzenten) dürfen zukünftig 10 Prozent Werkumfang von ungeschütztem Material (keine Lehrfilme, keine Schulbücher) lizenzfrei für die Herstellung ihrer Lehrmedien verwenden. Die Verwendung des Materials muss den Verwertungsgesellschaften gemeldet werden und dort vergütet werden (Paragraph 60b UrhWissG).
- Das Schulfernsehen bleibt bestehen (sollte ursprünglich gestrichen werden).
- Das Gesetz gilt erst ab dem 1. März 2018.
- Das Gesetz ist auf 5 Jahre befristet und wird nach 4 Jahren evaluiert.
Das Bundesjustizministerium hatte in der Begründung zum Gesetzentwurf (1. Entwurf = Referentenentwurf) die Rechtsauffassung vertreten, dass der Schulunterricht generell als “nicht-öffentlich” anzusehen sei und stellte damit die Lizenzpflicht für Filmvorführungen im Unterricht grundsätzlich in Frage. Die Bundesregierung wollte dieser Sichtweise in ihrem eigenen Entwurf (2. Entwurf = Regierungsentwurf) nicht folgen und strich diesen Abschnitt ersatzlos. Zuvor hatten etliche befragten Verbände (Verdi, SPIO, Initiative Urheberrecht, AG DOK, IPAU, FWU u.v.a.) gegen diese falsche rechtliche Interpretation schriftlich interveniert.
Bis zuletzt haben SPD und CDU noch über einen “Lizenzvorbehalt” gestritten (Schranken hätten nur gegriffen, wenn kein Lizenzangebot am Markt bestanden hätte). Dieser ist nun leider nicht gekommen. Insgesamt konnten die Branchenverbände aber das Schlimmste verhindern: Es stand auch ein 100%-Nutzungsszenario zur Diskussion, und der Referentenentwurf sah noch 25 Prozent Werkumfang zur freien Nutzung vor. Der gemeinsame Einsatz der Spitzenorganisation Filmwirtschaft (SPIO), AG Dokumentarfilm, AG Kurzfilm, IPAU e.V. und weiteren Verbänden hat sich ausgezahlt.
Die Filmwirtschaft muss bei diesem Thema weiter wachsam bleiben, denn auch die EU-Gesetzgebung wird voraussichtlich bis zum Herbst noch neue Vorgaben für den Bildungseinsatz von Medien machen. Die Lobby-Organisationen der Wissenschaft (z.B. www.urheberrechtsbuendnis.de) werden weiter dafür kämpfen, dass wir eine Generalklausel erhalten (100% freie Nutzung, ähnlich dem Fair-Use in den USA).
Es liegt leider im Trend, dass kreative Arbeit – gerade wenn Sie digital vorliegt – immer weniger gesellschaftlich wertgeschätzt wird. Für viele Politiker wachsen Bildungsmedien an Bäumen, und sie gehen davon aus, dass Kreative von Luft und Liebe existieren.
(Gastbeitrag von Kay Gollhardt, www.filmsortiment.de)