11. Filmfest Wismar – ein Rückblick

In diesem Jahr zeigte der Sommer sich zum Filmfest nicht nur launisch, sondern er bescherte uns Dauerregen an allen drei Festtagen. Trotz Kälte und Nässe waren alle Vorstellungen gut besucht und unsere großen und kleinen Kinobesucher sowie die zahlreichen Gäste aus Film, Politik und Kultur erlebten ein fröhliches und spannendes Filmfest mit vielen berührenden Momenten und intensiven Gesprächen. Auch alle weiteren Angebote, ob aktive Medienarbeit, das traditionelle Branchentreffen, der Drehbuch-Vortrag oder das historische Filmfenster wurden mit großer Freude und Begeisterung angenommen.
„Die Stadt ist stolz auf das Filmfest Wismar. Vor 11 Jahren begann nicht nur die Erfolgsgeschichte dieses Festivals, sondern auch die des Filmbüros mit seiner ganzjährigen Präsenz, seinen wichtigen Angeboten für Kinder, Erwachsene und Senioren. Mich erfreut die besondere Haltung die hier zu spüren ist, das ist ein wichtiger Ort für das Thema Film und Medien geworden. Das Engagement dieses Teams ist spürbar, auch weit über die Hansestadt hinaus. Für die konsequente Weiterentwicklung bedanke ich mich ausdrücklich bei Sabine Matthiesen und ihrem Team. Es war eine gute Entscheidung, großes Vertrauen in die Arbeit des Filmvereins zu setzen“, sagte Bürgermeister Thomas Beyer zur Eröffnung.
Die vier Musiker von FABULA LUNA verzauberten zu Beginn das Publikum, und Jens Becker, der Regisseur von JAHRESRINGE (gefördert Filmförderung MV) wünschte den Besuchern per Videobotschaft aus Georgien eine schöne Premiere seines neuen Films, dem Portrait über Siegfried Wanka, den 88-jährigen charmanten Tausendsassa, der aus Berlin mit der Produzentin Tanja Georgieva angereist war.
Im Anschluss überzeugte Regisseur Maix Mayer mit seinem Dokumentarfilm-Essay NOTATIONEN ZU ULRICH MÜTHER (gefördert Filmförderung MV), das Publikum ließ sich von seinem besonderen Blick auf den Meister der eleganten Schalenbauten, wie den Warnemünder Teepott, begeistern und es wurde intensiv und lange nach der Vorführung diskutiert. Der Produzent des Films, Olaf Jacobs, war leider im Unwetter stecken geblieben und verbrachte den Abend statt im Kino in Wismar auf der Autobahn. Maix Mayer schnitt mit großem Vergnügen die Filmfesttorte an, eine köstliche und meisterliche Nachbildung des Mütherschen Ahornblattes in Berlin, einer Hyparschale, von Konditor Senf aus Wismar. Jede Schale war mit einer anderen Sorte Buttercreme gefüllt. „Eine tolle Idee, die Überraschung ist gelungen“, freute sich Maix Mayer. Vertreter aus dem Müther-Archiv, das an der Hochschule Wismar betreut wird, hatten schriftliche Informationen rund um Ulrich Müther mitgebracht und berichteten den neugierigen Gästen über das seit April laufende Forschungsprojekt an der Hochschule.
Der Samstag begann traditionell mit dem Filmemacherfrühstück und dem Netzwerktreffen der Vertreter der Medienbildung in Mecklenburg-Vorpommern. Ein gelungener und intensiver Austausch auf und vor der Leinwand! Christoph Woest, Absolvent der Hochschule Wismar und heutiger Mitarbeiter des NDR in Schwerin, stellte TYPO-Filme vor, die Spezialität des Studiengangs Kommunikationsdesign an der Hochschule Wismar.
Weiter ging es mit dem praxisnahen und lebendigen Drehbuch-Vortrag „Wie bekomme ich mein Drehbuch in den Griff?“. Anhand des Kurzfilms FERTIG von Marcus Wojatschke, der im Vorjahr im Filmbüro seine Ausbildung als Mediengestalter Bild und Ton beendete und vor genau einem Jahr auch die Filmpremiere von FERTIG an gleicher Stelle gefeiert hatte, legten die beiden Dozenten Christian Mertens und Bartosz Werner die Finger in die Wunden und Fallen, die man beim Schreiben des Drehbuches vermeiden sollte. Sie ermutigten die anwesenden Zuhörer, die unterschiedlichen Fassungen eines Drehbuches in der Praxis auszuprobieren und Szenen vorab, z. B. mit einem Handy, zu drehen. Praxiserfahrung und Ausprobieren sei sehr wichtig! Leider mußte der Drehbuch-Vortrag, der eher ein kleines Seminar war, nach drei Stunden im Saal beendet werden, da die Vorstellung von FÜNF STERNE auf dem Programm stand. Der intensive Austausch wurde jedoch außerhalb des Saals im Bistro fortgeführt.
Christian Mertens (links) und Bartosz Werner (rechts) im Gespräch mit Marcus Wojatschke über seinen Kurzfilm „Fertig“ (Foto: Michael Grabe, Filmbüro MV)
FÜNF STERNE (gefördert Filmförderung MV) von Annekatrin Hendel bewegte die Zuschauer sehr, das intime Portrait ihrer Freundin Ines Rastig entstand im Januar 2016 in einem Hotelzimmer im „The Grand“ in Ahrenshoop, zwei Monate nach der Diagnose Lungenkrebs, vier Monate vor Ines“˜ Tod. Er zeigt eine Freundschaft zwischen zwei Frauen und eine Lebensbilanz zwischen Krankheit und Facebook, zwischen Scheidung und Online-Liebe. Trotz der schweren Thematik war die Vorstellung gut besucht, und die Anwesenden haben ihren Mut nicht bereut. Jeder erlebte den Film auf seine Weise, denn was so persönlich verhandelt scheint, ist doch universell. Ob es das Sterben ist, aber auch Freundschaft, Suche nach Glück, Erfüllung und Liebe, überhaupt die Suche nach dem, was für einen richtig ist. Große Momente im Kinosaal.
Auch DEPORTATION CLASS (gefördert Filmförderung MV) hinterließ Spuren, die teils dramatischen Bilder berührten tief und machten viele Besucher traurig. Der Dokumentarfilm zeichnet erstmals ein umfassendes Bild von einer Sammelabschiebung in Deutschland, genauer gesagt, in Mecklenburg-Vorpommern – Bilder, die so nie zuvor gedreht werden durften. Noch lange diskutierten die Zuschauer nach dem Film über dieses hochaktuelle Thema. Die Zuschauer waren sich einig: Ein wichtiger Film, den viele Menschen sehen sollten.
Zum ersten Mal auf der Leinwand: Der Dokumentarfilm USEDOM – ODER DER FREIE BLICK AUFS MEER (gefördert Filmförderung MV) von Altmeister Heinz Brinkmann feierte seine Uraufführung in Wismar. Obwohl dies noch nicht die finale Fassung war und einige letzte Korrekturen vorgenommen werden, stellte er den Film, in dem über ein Jahr Personen von der Insel Usedom portraitiert werden, dem Publikum persönlich vor, was dieses mit tosendem Applaus belohnte. Begleitet wurde Heinz Brinkmann von seinem Kameramann Thomas Plenert, seiner Schnittmeisterin Karin Schöning, seinem Produzenten Hartmut Schulz und zwei Protagonisten aus dem Film, dem Rinderzüchter Karl Matthes und von Lars Petersen, dem Bürgermeister der Kaiserbäder. Lars Petersen war rundum begeistert: „Ein toller Film, der im Herbst diesen Jahres in die Kinos kommt. Ich war wirklich sehr angetan von dem Werk. Hervorragende Bilder, großartige Impressionen der schönsten Insel Deutschlands. Der Dank gilt dem Team für dieses schöne Werk, super gemacht.“
Zur Vorführung von COMRADE – WHERE ARE YOU TODAY? (gefördert Filmförderung MV) war die finnische Regisseurin Kirsi Mari Liimatainen mit ihrer Assistentin Jenny Orgis nach Wismar angereist. Der Film führte sie auf eine Reise rund um den Globus auf der Suche nach ehemaligen Kameraden von der FDJ-Jugendhochschule „Wilhelm Pieck“. Sie besuchte in Bolivien, Chile, in Südafrika und im Libanon die Gleichgesinnten von damals und spürte den Idealen aus den 80ern nach. Trotz der vorgerückten Stunde, wurde lange intensiv diskutiert und der Frage nach der Attraktivität und der Krise der internationalen linken Bewegung nachgegangen.
Der Sonntag begann mit einem Poetry-Slam zu den Themen Film und Meer. Henrike Baukhage (FSJlerin Kultur im Filmbüro) und Michael Grabe (Auszubildender im Filmbüro) boten eine großartige Performance, überraschten die Zuhörer mit poetischen Texten und überzeugten mit wunderbaren Stimmen. Zwei wahre Talente, vom Publikum gebührend gefeiert.
Im Anschluss ging es in der Dokumentation ORTE DER ARBEIT (gefördert Filmförderung MV) von André Berthold zu ehemaligen großen Arbeitsstätten der DDR. Damals bestimmte meist ein großer Volkeigener Betrieb das Leben ganzer Regionen. Und die Arbeitswelt war das, was mit der Wende den größten Umbruch erlebte. Nach knapp dreißig Jahren kehrten Menschen zurück an die Orte, die einst ihr Leben prägten. Manch ein Gast im Publikum konnte sich an solche Orte selbst erinnern und bedankte sich für diese gelungene Dokumentation der Hoferichter&Jacobs Filmproduktion aus Greifswald, die noch vor der Fernsehausstrahlung in Wismar auf der Leinwand zu sehen war.
Der krönende Abschluss stand ganz im Zeichen des Volkstanzes in Mecklenburg-Vorpommern. In Zusammenarbeit mit dem Heimatverband MV war ein generationenübergreifendes Projekt entstanden, Jugendliche filmten mit Unterstützung der Medienwerkstätten des Landes einige noch bestehende Volkstanzgruppen. Sechs über das gesamte Bundesland verteilte Tanzgruppen wurden mit der Kamera beim Volkstanz begleitet und so konnten insgesamt 30 unterschiedliche Tänze filmisch gesichert werden. Das Publikum klatschte begeistert mit und man war sich einig, daß diese Filme zum Tanz einladen. Gleich nach der Vorführung wurden nächste gemeinsame Projektschritte beraten, u. a. die Aufarbeitung der Filme zum Einsatz in den Vereinen. „Eine schöne Zusammenarbeit, ein tolles Ergebnis, ein großes Dankeschön an alle Tänzer und Filmemacher“, sagte die 1. Vorsitzende des Heimatverbandes MV, FrauDr. Cornelia Nenz.
Das Landesfilmarchiv im Filmbüro MV recherchierte parallel in den vergangenen Monaten nach älteren Filmen, in denen Volkstänze dargestellt und thematisiert werden. In den mehr als 6.200 Datensätzen der im Filmarchiv verzeichneten Filme konnten 81 Filme ermittelt werden, in denen auf die eine oder andere Weise getanzt wird. Erstaunlich dabei war, daß im Bestand des Filmarchivs lediglich sechs Filme gefunden werden konnten, die sich ausschließlich dem Volkstanz widmen. Nach mehreren öffentlichen Aufrufen konnten 18 Reportagen des Fernsehens der DDR ermittelt werden, die im Deutschen Rundfunkarchiv in Potsdam-Babelsberg betreut werden. Diese Filme liegen nun zur Sichtung im Landesfilmarchiv vor und die spannende Erfassung der fast vergessenen Aufnahmen wird den Landesfilmarchivar Karl-Heinz Steinbruch in den nächsten Wochen beschäftigen. Und natürlich präsentierte er den Zuschauern im historischen Filmfenster unter dem Titel DANZ MIT MI die im Archiv vorliegenden sechs Tanzfilme.
Viel Lob erhielt das Filmfest erneut für seine familiäre Atmosphäre, seinen Service, die Vielfalt seines Angebotes und die Freundlichkeit. Rundum zufriedene und glückliche Gäste, intensive Gespräche und gemütliche Plauderei, gute Stimmung – und im nächsten Jahr hoffentlich wieder mit langen und lauen Abenden an den Feuerschalen.
Fotos sagen mehr als tausend Worte: Eindrücke eines tollen Festivals:
Das 12. Filmfest Wismar findet vom 29. Juni bis 1. Juli 2018 statt, das 10. Kinderfilmfest MV NAUTILUS am 29. Juni 2018.
(nach einer Pressemitteilung des Filmbüro MV/Mecklenburg-Vorpommern Film e.V.)
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