Verwunderung der Sinne

Das virtuelle 360-Grad-Konzert „miRatio“ feierte seine Weltpremiere im Kieler Mediendom

Unter der 360-Grad-Kuppel des Mediendoms schweben wir, schwerelos und buchstäblich Schwindel erregend durch Klänge und virtuelle Räume. Unsere Sinne verwundern sich, was der Titel des weltweit neuartigen Fulldome-Konzerts auch schon verspricht: „miRatio“ – Verwunderung.
Moderne Video- und Audio-Technik in 3D machen’s möglich, dass sich sieben Musiker an der Kuppel, wo sonst Sterne ihre Bahnen ziehen, in einem virtuellen Konzert vereinigen: Live an der Gitarre und im Zentrum der Kuppel der Hamburger Komponist und Gitarrist Jens Fischer, der schon 2007 mit „Metavista“ den Mediendom in einen 3D-Konzertsaal verwandelt hatte, und, in Videos von der Fotografin und Filmemacherin Linn Marx ans Firmament projiziert, die „Band“ mit Jens Schliecker (Piano), Katie Zahn (Querflöte), Pirkko Langer (Cello), Friedrich Paravicini (Cello, Bass, Ondes Martenot), Nils Rohwer (Marimbafon) und Lucas Kochbeck (Schlagzeug).
„Unmögliche“ Perspektiven a la M. C. Escher in den virtuellen Räumen von „miRatio“ (Foto: www.miratio.one)
Für diese technisch aufwendige Produktion des Mediendoms hat der Kieler Multimediadesigner Bob Weber in Zusammenarbeit mit Marko Herrmann und Markus Schack seltsam verschränkte Räume geschaffen, die in ihren „unmöglichen“ Perspektiven an die Bilder von M. C. Escher erinnern. Unterstützt wird der optische räumliche Eindruck durch die vom Fraunhofer Institut entwickelte Spatial-Sound-Technik, welche die Klänge mit den 64 Lautsprechern hinter der Kuppel hochauflösend ortsgenau positioniert.
Moderne Technik ganz im Dienst der Kunst
Soweit die technischen Details, die man als fasziniert verwunderter Zuschauer und -hörer aber schon im ersten der sieben Räume vergisst, so real wirkt hier das Virtuelle. Fast möchte man sich in die Kissen legen, die durch ein rustikal holzgetäfeltes Ambiente schweben. Zart schraubt sich Fischers Live-Gitarre durch ihre Loops, ein um der andere Video-Musiker gesellt sich dazu. Die Musik, die Assoziationen an die Soundscapes von Mike Oldfield aus den 80er Jahren weckt, nimmt uns quasi an die Hand, zieht uns mit einem sich begrünenden Rinnsal in den nächsten Raum, einen japanischen Bambus-Garten. Der löst sich allmählich in Splitter auf, die sich wiederum zu einer hexagonalen Raumsymmetrie zusammensetzen, bevor es in das Innere eines futuristischen Raumschiffs geht. Wer hier wen „komponiert“, der Raum den Klang oder umgekehrt, bleibt in den die Sinne verwundernden Traumsphären offen.
Moderne Multimediatechnologie wirkt zuweilen wie ein großes Spielzeug für „Nerds“, die alles ausprobieren, was neuerdings möglich ist. In „miRatio“ ist das anders, die Technik ordnet sich ganz dem künstlerischen Konzept unter, erscheint wie genau dafür entwickelt. Auch das ist so verwunderlich wie unsere Sinne, die nach 60 Minuten nur mühsam von dieser virtuellen Klangraumreise ins – so genannte – Reale zurückfinden. (jm)
Nächste Aufführungen: Di, 18.4.2017, 20 Uhr und So, 7.5.2017, 18.30 Uhr. Weitere Termine und Infos: www.mediendom.de, www.miratio.one.
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