Spokenwords auf der Leinwand
Wolf Hogekamp zeigte im Koki Poetry Clips
Wie kann sich Literatur in ihrer Vermittlung erneuern? Diese Frage stellten sich vor zehn Jahren die Poetry Slammer Bas Böttcher und Wolf Hogekamp. Die Antwort war schnell gefunden: Poetry Slam-Texte sollten nicht nur auf der Bühne neue Hörer finden, sondern als Poetry Clip auch Zuschauer auf den „Leinwänden“ von Youtube & Co.
Wolf Hogekamp performte neben den von ihm präsentierten Poetry Clips „filmisch“ gemachte Texte (Foto: Uwe Lehmann)
Beim Spokenwords.sh Festival zeigte Wolf Hogekamp im Koki, wie sich das neue Format, das dem von Musik Clips in manchem ähnelt, entwickelt hat und welche vielfältigen filmischen Möglichkeiten der Visualisierung von Spokenwords es gibt: vom einfachen Abfilmen des Slam-Vortrags bis hin zu animierten Bildmontagen mit dem Text als Off-Ton. Ein Beispiel für ersteres ist „Bismarckallee“, worin Franziska Holzheimer ihren Text über das Leben auf und an dieser Kiez-Straße vor deren Hintergrund geradeaus in die Kamera spricht. Auch in Nora Gomringers „Du baust einen Tisch“ ist der Text-Bild-Bezug recht einfach und klar, indem sie den Text vor der Kulisse eines Baumarkts performt. Tempo gewinnt das Poem durch rasche Schnitte.
Eine komplexere Verknüpfung zwischen Text und Bewegtbild findet sich in Jason Bartsch’ „Manche Probleme“, wo mit Porträts des sprechenden Poeten gespielt wird, die aus dem Filmbild ausgeschnitten und auf Papier ausgedruckt neu animiert werden – eine treffende Parabel auf die Komposition eines Gedichts und von Bildern im Film. Der Clip „Spiegel“ vom Slam-Duo Großraumdichten ist nach Hogekamps Einschätzung „schon fast zu komplex und lenkt vom Text ab, der beim Poetry Clip eigentlich immer im Vordergrund stehen sollte“. Wie bei vielen Musik Clips wird hier auf der gesamten – surrealen – Klaviatur des Experimentalfilms gespielt.
Aber auch noch eine ganz andere Art der Verbindung von Wort und Film ist möglich, wenn der Text nicht „verfilmt“ wird, sondern sich selbst filmischer Montagetechniken bedient wie in Hogekamps „Cuts 2015“. Mediale Bilder von den Flüchtlingsbewegungen des letzten Jahres reiht Hogekamp – ganz ohne diese Bilder – in „zappenden“ Schnitten zwischen Satzfragmenten. Der Poetry Clip entsteht so nicht auf der Leinwand, sondern „im Kopfkino“. (jm)