18. Filmfest Schleswig-Holstein 2014

Das Religiöse des Raums

„Die Innere Mission“ (Lene Markusen, D 2011)

Lene Markusen und ihre Kamerafrau Bettina Herzner sind nach Dänemark gereist und haben 14 Missionshäuser in ruhigen, fast unbewegten und zuweilen ganz leicht aus dem Lot verschobener Kadrierung gefilmt – in weit gefasster Außenaufnahme und atmosphärischen Panorama- und Großaufnahmen von skurrilen Details der Innenräume.
So lakonisch die Gebäude, die erst auf den zweiten Blick als Sakralbauten identifizierbar sind – häufig sehen sie aus wie ganz normale Wohnhäuser oder auch Vereinsheime -, wirken, so „hyggelig“ sind sie in ihrer bürgerlichen Gemütlichkeit abgebildet. Die Beschreibung des Abgebildeten, wie sie die Regisseurin liefert, bringt das seltsame Verhältnis von innerer Mission und Religiosität und äußerlich kleinbürgerlicher Unscheinbarkeit auf den Punkt: „In einer ambivalenten Atmosphäre zwischen Gemütlichkeit und sozialer Kontrolle zeugen diese Räume und Orte von religiöser Praktik als möglicher Repression und als möglicher spirituellen Erfahrung.“
Die Räume werden als Hülsen für verinnerlichte Seelenräume gezeigt, die in ihrer beengten Kleinräumigkeit auch bedrängend erscheinen. Verschnörkelte Tapetenmuster neben wie naive Malerei wirkenden „Altarbildern“, die Kanzel des Predigers mitten zwischen dem Mobiliar wie aus dem Saal der örtlichen Gastwirtschaft. Konsequent „zoomt“ der Blick dabei vom Außen – untermalt von der Klangatmo dörflichen Straßengeräuschs – ins innen Verschachtelte, in das Licht und Sound von Außen nur noch gedämpft dringen. Eine Reise ins Innere der missionierten (und missionierenden) Seele, transformiert in Bilder zunehmend sich verengender, aber auch auf ihren (Sinn-) Kern konzentrierender Räume.
Die filmische Installation ist rein äußerlich ein Architekturfilm, der an manche ebenso still und mit ausschließlich natürlicher Raumatmo gefilmte Filmessays von Heinz Emigholz erinnert. Wie bei diesem Grenzgänger zwischen Film, Foto und auf die Leinwand geworfener Rauminstallation wird der (menschenleere) Raum zu einem seltsam belebten. Der architektonische Raum in seiner Weitung wie Enge wird zum Abbild religiöser Verinnerlichung und Einkehr, zweier Bewegungen des Geistlichen, die sich ebenso ergänzen wie konterkarieren. Am deutlichsten wird das in der Schlusseinstellung, wo die Kamera sich langsam einmal um die optische Achse dreht und dabei das Unterste nach Oben und das Äußere nach Innen gekehrt werden – der Raum des Hauses zu dem der Seele. (jm)
„Die Innere Mission“, D 2011, 14 Min., Regie: Lene Markusen, Kamera: Bettina Herzner, Ton: Oliver Kracht
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