Kunst zwischen Globalisierung und Kulturimperialismus
Das Symposion der Muthesius Kunsthochschule fragt nach den Dilemmata der Kunst in einer globalisierten Welt
Ein Dilemma hat Norbert M. Schmitz, Professor für Ästhetik an der Muthesius Kunsthochschule, auf das Thema des ab Donnerstag, 6.6.2013 in der Kieler Kunsthalle stattfindenen Symposions mit dem nicht gleich verständlich fragenden Titel „Globalisierung als Zivilisationsmaschine oder Kunst als Avantgarde einer Weltkultur?“ gebracht: Einerseits behauptet Kunst spätestens seit der Moderne den Anspruch auf die Zivilisation und Emanzipation des Menschen. Andererseits ist dieser ein ausgesprochen abendländisch-europäischer und steht im Gegensatz zu dem emanzipatorischen Anspruch, andere, durch die Globalisierung mehr in den Blick geratende Kulturen in ihren Eigenarten, auch ihren nicht-emanzipatorischen, zu achten.
Oder wie Heinrich Heine es einst konstatierte, dass mit Napoleon zwar die Freiheit nach Deutschland gekommen sei, aber „hoch zu Ross“. Kunst gilt seit der Aufklärung als deren bester Hort. Ihre Revolutionen wie zuletzt die Moderne waren stets mit dem Pathos der Befreiung verbunden. Doch wie gestaltet sich dieses im Zeitalter ihrer Globalisierung? Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs sind die Verblendungen des Kalten Krieges im Blick auf andere Kulturen gewichen, und „die internationalen Kunstmärkte sind gigantisch angewachsen“, so Schmitz. Kaum aber „unser postkolonialistischer Blick“ auf sie. Was etwa in Asien, dessen neue Kunst beim Symposion beispielhaft im Mittelpunkt steht, sich ereignet, sehen wir Europäer manchmal noch immer nur als „Folklore“ oder „low art“ an, wenn etwa in Hanoi Kunstwerke halbindustriell als Massenware gefertigt werden. Oder wir „fahren ab“ auf Ikonen der Befreiung durch Kunst wie den chinesischen Künstler Ai Weiwei, und blenden dabei dessen Herkunft aus einer eben nicht nach abendländisch, europäisch, US-amerikanischen Maßstäben messbaren Kultur aus. Reagieren wir also, ohne uns dessen recht bewusst zu sein, auf die Globalisierung der Kunst mit neuem Kulturimperialismus?
Der Wuppertaler Ästhetik-Professor Bazon Brock, prominentester Referent des Symposions und von Schmitz „auch ein wenig als Agent Provocateur eingeladen“, formuliert diese These in seinem Eingangsvortrag (Do, 6.6.2013, 19.15 Uhr) noch steiler: Für ihn bedeutet Globalisierung „das kalkulierte Gegenteil dessen, was mit ihm assoziiert werden soll“, nämlich nicht ein Nebeneinander gleichberechtigter Kulturen in einer universellen Weltkultur, sondern „die zeitgemäße Form des Imperialismus“.
Für Schmitz bleibt das Dilemma hingegen unlösbar. Zwar finde Globalisierung „in Kunst ihren sichtbarsten Ausdruck“ und zugleich den (avantgardistischen) Ort für einen anti-imperialistischen Dialog der Kulturen. Aber schon die Tatsache, dass es Kunst überhaupt gibt, „ist Folge der Globalisierung, wie sie schon in der Antike von Griechenland aus stattfand“. Für solche Dilemmata und Fragestellungen aus der Kunst an die Kunst will das Symposion sensibilisieren. Nicht nur die Studierenden der Hochschule, auch ein interessiertes Kieler Publikum. (jm)
Donnerstag, 6.6.2013, 18.30 Uhr bis Sonnabend, 8.6.2013, 16.30 Uhr in der Kunsthalle zu Kiel. Infos und detailliertes Programm unter www.muthesius-kunsthochschule.de.