Das Lächeln der Revolution

„Heinz Ratz – Der moralische Triathlon“ (Linn Marx, D 2012)

Am Anfang ist es wie am Ende: Dies zauberhafte, nicht zu bremsende schallende Gelächter, einverstanden von Protagonist und Filmemacherin, das Arno Schmidt einst als das „Wiehern des Gehirntiers“ vermeldete. Aber fangen wir 2008 an, als der Kieler Dichter, Singer-Songwriter, Bandleader der Punk-Band „Strom & Wasser“ – punk(t)punk(t)punk(t)genau – und Extremsportler Heinz Ratz seinen „Moralischen Triathlon“ begann.
Part One: Heinz Ratz läuft 2008, kurz bevor er an Krebs erkrankte, einige hundert Kilometer durch Deutschland, ein „Land der sozialen Kälte“. Er trifft Obdachlose, verbrüdert sich mit ihnen und singt mit ihnen und für sie in 28 Städten seine Lieder gegen die staatlich erzeugte Armut in einem der reichsten Länder der Erde. Er selbst, Kind einer peruanisch-indianischen Mutter und eines deutschen Vaters, war ein Jahr lang obdachlos, weiß also, von und gegen was er singt und nun marschiert. „Je anstrengender das Leben, desto besser der Teint“, scherzt er Linn Marx in die Kamera, die nicht nur diese Tour seines „Moralischen Triathlons“ in einem Foto-Film dokumentiert.
Schwimmen gegen den Strom: Heinz Ratz im Film von Linn Marx
Fotos, die Bände sprechen, die – zumal intelligent aneinander gereiht und geschnitten – mehr zeigen als bewegte Bilder, Snapshots statt Szenen, auch insofern ein gelungenes Filmexperiment. Fotografin Marx drückt auf den Auslöser ihrer Fotokamera, nur manchmal auch auf den der Filmkamera, wo sie Ratz und Genossen immer auch da einfängt, wo sie nicht filmisch sind, wo sie lachen und plaudern, eben in dem Material, was jeder sonstige Dokumentarfilmer herausschneidet. Sie lässt es drin, denn dies ist der Blick auf das Unmittelbare, was mal (Wut-) Bürgerbewegung, wenn nicht Revolution werden könnte.
Part Two: Ratz schwimmt 2010 wiederum knapp 1.000 Kilometer durch deutsche Flüsse, um auf das Artensterben aufmerksam zu machen – auch auf das von Menschen seiner letzten Art, die sich noch so unbedingt, ihr Leben einsetzend, engagieren. „Auch die Armut hat Kraft“, sang er noch eben, jetzt ist es die Natur, der er Stimme geben will. Wie in Part Three des „Moralischen Triathlons“, in dem er in der „Tour der 1000 Brücken“ sich für die engagiert, die im neuen (alten Groß-) Deutschland gar kein Echo und Heimat finden: Flüchtlinge, die keine Brücke mehr nach D-Land führt, die abgewiesen, ausgewiesen, abgeschoben werden. Als wäre Demokratie und Menschenrecht eben nur für die altdeutsch Eingeborenen ein schützenswertes Gut.
Ratz hat für alle Stationen seines Triathlons Lieder geschrieben, die höchst poetisch das Potential seines revolutionären Impetus auf den lyrischen Punkt bringen. Und Linn Marx versammelt deren Highlights in ihren filmischen Fotostrecken. Wo einer beständig gegen die herrschenden Verhältnisse singt, marschiert, schwimmt und radelt, hat sie ein Auge und Ohr auf diese Revolution des Lächelns.
Ein (Dokumentar-) Film, der so poetisch ist, wie Heinz Ratz seinen „Moralischen Triathlon“ als poetische Aktionen gegen die herrschende, unmenschliche Klasse richtet. Dennoch lächelnd, feixend. Denn es sind der Narr und seine fotografierende Närrin, die den Herrschenden zeigen, was ihren Finstermienen zumindest drohen könnte, auch den Gaucks, die ihr konservatives Lied der „Freiheit“ singen; aus dem Zähne zeigenden Lächeln einst eine sie, all die, hinwegfegende Revolution. (jm)
„Heinz Ratz – Der moralische Triathlon“, D 2012, 100 Min., Buch, Regie, Kamera, Schnitt: Linn Marx (www.linnmarx.com). Gefördert von der Filmwerkstatt Kiel der FFHSH.
Premiere: Freitag, 6.4.2012, 21 Uhr, Lutterbeker (24235 Lutterbek, Dorfstr. 11)
Ein Trailer zum Film findet sich hier.
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