Kims Kino unterwegs: DVR Nordkorea Filmtage in Kiel

Vom 25. 9. bis 16. 10. 2011 zeigt das KoKi Kiel exklusiv nordkoreanische Spielfilme. Die Filme sind Teil einer Deutschland-Tournee, die in Berlin, Kiel und Köln gastiert. Eine Delegation aus Pyongyang begleitet die Tournee, in Kiel wird die Delegation vom 26. bis zum 28. 9. zu den Filmvorstellungen und anschließenden Diskussionen anwesend sein. Zum Kieler Eröffnungsabend am 25. 9. wird auch der Botschafter Nordkoreas erwartet.
Während der südkoreanische Film seit einigen Jahren regelmäßig für Aufsehen und Beachtung im internationalen Arthouse-Kino sorgt – man denke etwa an die Filme von Park Chan-wook, an den Überraschungserfolg The Host (2006) oder jüngst an Das Hausmädchen (2010) -, ist Nordkorea auf der Landkarte des Kinos immer noch eine Terra incognita. Nicht nur da, muss man ergänzen: Die Demokratische Volksrepublik Nordkorea, wie die offizielle Bezeichnung des 1948 gegründeten Staates lautet, zählt zu den verschlossensten Ländern der Erde. Die vielbemühte Metapher vom Kino als “Fenster zur Welt” gerät angesichts der nordkoreanischen Verschlossenheit an ihre Grenzen.
In diesem Zusammenhang ist aber bemerkenswert, dass die DVRK durchaus eine begeisterte Filmnation ist. Der “Geliebte Führer” Kim Jong-il höchstpersönlich, amtierender Generalsekretär der Partei der Arbeit Koreas und Oberbefehlshaber der Armee, hat sich der Förderung der Filmkunst verschrieben. Bei zahlreichen Filmen firmiert er praktisch als Produzent, und unter seinen Schriften findet sich auch ein 300seitiger Traktat “Über die Filmkunst” (1973). Ein Exportschlager ist der nordkoreanische Film jedoch niemals geworden.
Unbestritten zählen in Nordkorea Film und Kino zu den wichtigsten Instrumenten der kulturellen Selbsterhaltung des Regimes, das, als Auftraggeber oder zumindest genehmigende Instanz, hinter den Geschichten steht: Geschichten über das mühsame Werden der Nation, über den Kampf gegen Japaner und Amerikaner und über die täglichen Herausforderungen im Dienst für den Geliebten Führer und das Volk. Doch so allgegenwärtig Film und Kino in der Volksrepublik verbreitet sind und enthusiastisch rezipiert werden, so unbekannt sind die filmischen Erzeugnisse im Rest der Welt.
Dies mag sich in diesem Herbst ändern. Anlässlich des zehnjährigen Bestehens der diplomatischen und kulturellen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Volksrepublik Korea schickt die nordkoreanische Produktions- und Verwertungsagentur Korfilm in Pyongyang eine Spielfilmauswahl auf eine kleine Deutschlandtournee. Schirmherr des Projektes ist Seine Exzellenz, Herr Botschafter Ri Si Hong, die komplizierten Verhandlungen mit Korfilm und der nordkoreanischen Botschaft führte in Berlin Dr. Uwe Schmelter, ehemaliger Regionalleiter Ostasien des Goethe-Instituts und intimer Kenner der nordkoreanischen Filmszene.
Ihren Auftakt nimmt die Tournee am 24. September 2011 im Berliner Babylon-Kino, einen Tag später startet das Filmprogramm in Kiel, wo bis zum 16. Oktober 13 Spielfilme aus nordkoreanischer Produktion gezeigt werden. Dritte und letzte Station der Tournee wird Köln sein.
Die Filmtournee wird begleitet von einer kleinen Delegation nordkoreanischer Filmschaffender, die vom 25. bis zum 28. September in Kiel gastieren und nach den Filmen zum Gespräch mit dem Publikum zur Verfügung stehen wird. Mitglieder der Delegation sind Frau Ryom Mi Hwa, Geschäftsführerin der Korean Film Import and Export Corporation (Korfilm) aus Pyongyang, Herr Pak Jong Ju, Regisseur der 2. und 3. Folge des Films The Country I Saw und Verdienter Künstler des Volkes der DVR Korea, sowie Herr Choe Il Sim, Drehbuchautor des Films The Country I Saw.
Das Filmprogramm in Kiel versucht, einen Überblick über die etwa 60-jährige Geschichte des nordkoreanischen Kinos zu geben. So findet sich der erste Spielfilm aus nordkoreanischer Produktion im Programm: My Home Village erzählt die Geschichte eines Bauernjungen, der aus der Gefangenschaft fliehen kann, in die es ihn wie viele Gleichgesinnte unter der japanischen Herrschaft vor 1945 verschlagen hat. Er erreicht die Partisanentruppen Kim Il-sungs und kehrt schließlich als erfolgreicher Revolutionär und Parteikader zurück. Das Ende des Films enthält dokumentarische Aufnahmen von Volksaufmärschen, in denen auch der junge Kim Il-sung, Gründer der Volksrepublik und nach seinem Tod 1994 zum “Ewigen Präsidenten” Nordkoreas ernannt, zu sehen ist.
On the Green Carpet erzählt die Geschichte zweier Trainer, die jeweils Tausende von Kindern für das jährlich stattfindende Arirang-Festival vorbereiten und dabei in Kompetenzstreitigkeiten geraten, aber auch an ihre alte Jugendliebe anknüpfen. Im Vorprogramm zeigen wir dazu die britische Dokumentation A State of Mind, deren Filmemacher zwei junge Mädchen ein Jahr lang bei den Vorbereitungen für das Arirang-Festival begleiteten. Beide Filme – On the Green Carpet und A State of Mind – präsentieren schier unglaubliche Bilder von den für unsere Verhältnisse unfassbar aufwändigen Massengymnastik-Veranstaltungen.
An Unattached Unit präsentiert das in Nordkorea nicht unpopulär werdende Genre des Kriegsfilms – ein Phänomen, das im Zusammenhang mit der fragilen Verhandlungslage seit dem Koreakrieg (1950-53) gesehen werden muss, der offiziell nicht beendet ist, sondern nur in einer Waffenstillstandsphase ruht. Der Film erzählt von einer kleinen Gruppe Verwundeter, die auf dem Weg ins Lazarett von einem bevorstehenden Fallschirmspringer-Angriff der Amerikaner erfahren und diesen auf eigene Faust abwehren müssen. Ein Kampf, der viele Helden hervorbringt.
Mit Hong Kil Dong zeigen wir einen typischen martial arts-Film, der eine Art Robin-Hood-Geschichte erzählt – ungezählte Schwert- und Kampfkunst-Szenen inklusive.
Lighthouse ist ein stilles Revolutionsdrama. Es erzählt die Geschichte eines Leuchtturmwärters, an dessen Beispiel deutlich wird, dass auch hinter einer unauffälligen Person ein verdienstvolles Schicksal stehen kann, das ganz dem Dienst am geliebten Führer gewidmet gewesen ist.
The Country I Saw zählt zu den neusten Produktionen im Programm. Die dreiteilige TV-Film-Reihe zählte in Nordkorea zu den absoluten Straßenfegern, nicht zuletzt deshalb, weil die weit ausholende Familiensaga auch ausländische Stimmen und Medienfragmente aufnimmt (so z.B. Bushs berühmtes Zitat von der “Achse des Bösen”).
Nicht fehlen dürfen in einem solchen Programm die Filme, die bereits einige internationale Bekanntheit erreicht haben: So das Revolutionsdrama The Flower Girl, dessen Hauptdarstellerin in Nordkorea als Volksheldin verehrt wird und z.B. auf Geldscheinen abgebildet ist, und der erstaunlich offene und zeitkritische Film A School Girl’s Diary, der das Leben in der heutigen Provinz aus der Sicht eines Mädchens schildert, das ihren Vater vermisst.
Zwei Filmvorstellungen werden von Gastvorträgen eingeleitet und begleitet: Zum Gegenwartsdrama A Kite Flying in the Sky hält der Hamburger Journalist Malte Herwig einen Vortrag über Filmindustrie und Filmkunst in Nordkorea (4.10.). Herwig war mehrmals in Nordkorea und kennt die Film- und Kinoszene dort sehr genau. Seine Reportage In Kims Kino (2006) wurde in mehreren Sprachen gedruckt und erregte international viel Aufsehen.
Zu den wenigen Hilfsorganisationen, die in Nordkorea tätig sind, zählt Cap Anamur – Deutsche Not-Ärzte e.V. Dessen Geschäftsführer Bernd Göken, der erst kürzlich mit erdrückenden Erfahrungsberichten aus Nordkorea in die deutsche Öffentlichkeit trat, wird am 5. 10. einen Vortrag über seine Arbeit und seine Erfahrungen in Nordkorea halten. Anschließend zeigen wir Oh, Youth!, ein komisches Familiendrama um die Schwierigkeiten der Partnerwahl im modernen Pyongyang.
Das Kieler Filmprogramm der DVR Korea Filmtage im Überblick:
  • So 25.9., 20.30 Uhr: A Schoolgirl’s Diary (DVRK 2006, Jang In Hak, 100 Min.)
  • Mo 26.9., 20.30 Uhr: My Home Village (DVRK 1949, Kang Hong-shik, 92 Min.)
  • Di 27.9., 18.30 Uhr: A State of Mind (GB 2004, Daniel Gordon, 93 Min.)
  • Di 27.9., 20.30 Uhr: On the Green Carpet (DVRK 2001, R. Ch. Pom, J. Gwang Il, 88 Min.)
  • Mi 28.9., 20.30 Uhr: Kwangju Appeals (DVRK 1985, Jong Kon Jo, 74 Min.)
  • Do 29.9., 20.30 Uhr: The Flowergirl (DVRK 1981, Pak Hak, Choe Ik Gyu, 132 Min.)
  • Fr 30.9., 18.30 Uhr: An Unattached Unit (DVRK 1993, Kang Jung Mo, 87 Min.)
  • So 2.10., 18.30 Uhr: Hong Kil Dong (DVRK 1985, Kim Kil In, 113 Min.)
  • Di 4.10., 19.30 Uhr: Vortrag von Malte Herwig, mit der Friedrich-Naumann-Stiftung
  • Di 4.10., 20.30 Uhr: A Kite Flying in the Sky (DVRK 2008, P. Gwang, K. Hyon Chol, 98 Min.) anschließend Diskussion mit Malte Herwig
  • Mi 5.10., 20.30 Uhr: Oh, Youth! (DVRK 1995, Jon Jong Pal, 95 Min.). Einführung und Diskussion Bernd Göken (Cap Anamur), in Kooperation mit Cap Anamur – Deutsche Not-Ärzte e.V.
  • Sa 8.10., 18.30 Uhr: Lighthouse (DVRK 1983, Kim Chun Sik, ca. 79 Min.)
  • Mo 10.10., 18.30 Uhr: The Wheels of Happiness (DVRK 2010, Jong Gon Jo, Rim Chol Ho, 72 Min.)
  • Mi 12.10., 18.30 Uhr: The Story of a Blooming Flower (DVRK 1992, Ri Sang Gyu, 92 Min.)
  • So 16.10., 17 Uhr: The Country I Saw 1-3 (DVRK 1988-2009, K. Hak Rim, P. Jong Ju, insg. 240 Min.)
Die Nordkorea Filmtage Kiel werden unterstützt von:
  • der Filmwerkstatt der Filmförderung HSH
  • der Friedrich-Naumann-Stiftung Für die Freiheit
  • Cap Anamur – Deutsche Not-Ärzte e.V.
  • Goethe-Institut Korea
  • Stiftung zur Selbsthilfe (www.up-micro-loans.de)
(nach einer Pressemitteilung des KoKi Kiel)
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