Blicke zurück nach vorn

Das Archäologie-Film-Fest Cinarchea schloss mit etwas Wehmut und einem Plädoyer für Filmkunst.

Ein wenig Wehmut liegt über dem Abschluss des 9. Internationalen Archäologie-Film-Festivals Cinarchea. Nicht nur weil es mit dem scheidenden „Hirn und Herz“ des Festivals, Kurt Denzer, der unter stehenden Ovationen einen symbolischen Preis verliehen bekommt, vermutlich das letzte seiner Art war. Auch weil man die „Filmkunst“ im Festivaltitel auch diesmal wieder durch ein schlichtes „Film-Festival“ ersetzen musste.
Seit die Cinarchea 1992 aus der Taufe gehoben wurde, um dem Zuschauer die Archäologie filmisch näher zu bringen, haben sich einige zum Teil revolutionäre Wandlungen des Mediums vollzogen. „Nicht nur zum Guten“, weiß Denzer, wenn er auf das diesjährige Programm schaut. Die Verwendung von rechnergestützten Filmbildern, welche Entwicklung Cinarchea über die Jahre gleichsam protokollieren konnte, sei zwar durchaus sinnvoll gewesen, um aus Ruinen die Monumente der Vorzeit wieder vor dem Auge des Zuschauers erstehen zu lassen, doch sei sie inzwischen oft nur noch „modischer Einheitslook“. „Der TV-Markt mit seinem Diktat von Filmlänge und redaktionellem Format“ habe die Auswahl von guten Filmen für das Festival zudem erschwert. „Die Filme, fast ausschließlich fürs Fernsehen produziert, gleichen sich zunehmend in ihrer Aufmachung“, beklagt Denzer.
Die Dominanz der TV-Formate – Filme, aber nicht immer Filmkunst – beim dokumentarischen Archäologiefilm kritisierte auch die Jury (Erwin Keefer vom Landesmuseum Württemberg, Luise Lorenz vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der CAU, der Brüsseler Archäologe Fréderick André, die Filmemacher und Kameramänner Bernd Fiedler und Adolfo Conti sowie die Filmjournalistin Caroline Buck) anlässlich der Preisverleihung. Sie ließ sich indes nicht blenden von computergestützten Trick-Orgien, sensationsheischendem Reenactment und der Gleichmacherei, die TV-Redaktionen einfordern, und zeichnete Filme aus, die sich jenseits solcher Mainstreams bewegen.
Auch Kurt Denzer (Mitte) erhielt einen Preis als „Herz und Hirn“ der Cinarchea (links: Jury-Vorsitzender Erwin Keefer, rechts: Jury-Mitglied Fréderick André) (Foto: hsch)
So wurde der Träger des Großen Preises, „Herculaneum, Tagebücher von Dunkelheit und Licht“ (Marcellino de Baggis, I 2009) über die wechselvolle Geschichte der Ausgrabungen in der Stadt am Vesuv, die im Jahre 79 zusammen mit Pompeji im Ascheregen unterging, zwar vom Fernsehen in Auftrag gegeben, aber nie ausgestrahlt. Wohl wegen der „poetischen Stimmungsbilder“, die die Jury ebenso lobte wie die Freiheit des Films von Sensationellem. Nicht für einen Sendeplatz, sondern frei produziert wurde „Was wird bleiben …“ (Knut Karger, D 2009) und konnte somit „filmästhetisch eigene Wege gehen“ in der Vision, wie wohl zukünftige Archäologen die Überreste unserer gegenwärtigen Kultur einst auswerten werden. Dafür gab’s den Jurypreis.
Auch bei den Spezialpreisen lobte die Jury das Schlichte und Gediegene des Dokumentarischen. Den Preis für Unterwasser-Archäologie sprach sie „Kampf um die Ostsee – Das Wrack der ’Hedvig Sophia’“ (Kirsten Hoehne, D 2009) zu. Die Doku über das 2008 gefundene Wrack des Flaggschiffs der schwedischen Flotte im Dänisch-Schwedischen Krieg sei „vorbildlich fotografiert“. Im weiteren Sinne ist dies auch ein Film über Schlachtfeldarchäologie, ein Zweig der Wissenschaft, der gegenwärtig boomt. „Die Schlacht am Harzhorn“ (Kathrin Heineking, Angela Sonntag, D 2009) zeigt, wie selbst aus Minimalfunden wie einem Schuhnagel ganze Schlachten der Römer mit den Germanen rekonstruiert werden können, und erhielt dafür den Preis für Grabung und Methoden. Mit der lobenden Erwähnung für „Der Urmensch von Heidelberg“ (Tamara Spitzing, D 2009) setzte die Jury wiederum ein Zeichen, denn mit dem Lob des Films beklagte sie auch das Aussterben eines „wunderbaren Sendeplatzes“ im Südwestrundfunk, für den der Film noch produziert worden war.
Auch das Publikum plädierte mit dem von ihm vergebenen Preis für einen Dokumentarismus nahe an der achäologischen Feldforschung. In „Als die Ägypter das Rote Meer befuhren“ (F 2009) zeigt Stéphane Bégoin, wie das Team um die Archäologin Cheryl Wards mit historischen Handwerksmethoden ein Schiff der Ägypter nachbaute und damit 150 Meilen entlang der Küste in die Vergangenheit segelte. (jm)
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