Kurzes aus allen fünf Kontinenten: Die Wettbewerbe der 56. Kurzfilmtage Oberhausen stehen

Insgesamt 145 Arbeiten aus 40 Ländern konkurrieren bei den 56. Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen um Preisgelder in Höhe von 40.500 Euro. Die Kurzfilmtage führen fünf Wettbewerbe durch: der Internationale Wettbewerb, der Deutsche Wettbewerb, der NRW-Wettbewerb, der Kinder- und Jugendfilmwettbewerb und der MuVi-Preis für das beste deutsche Musikvideo. Offen für alle Themen und Genres sowie für Film- und Videoformate geben die Wettbewerbsbeiträge einen Überblick über die aktuelle Bandbreite der kurzen Form. Ausgewählt wurden sie aus über 5.400 Einreichungen aus 86 Ländern.
Eine Liste aller für die Wettbewerbe ausgewählten Produktionen steht auf www.kurzfilmtage.de/de/wettbewerbe/auswahl.html.
Der Internationale Wettbewerb
2010 sind im Internationalen Wettbewerb alle fünf Kontinente mit Beiträgen dabei. Stark vertreten sind auch in diesem Jahr die USA mit neun und Großbritannien mit acht Beiträgen. Die Niederlande haben mit sechs Filmen mehr Arbeiten als je zuvor im Internationalen Wettbewerb, ebenso wie Israel mit drei Arbeiten. Erfreulich ist auch die Präsenz von zwei Filmen aus Afrika, je einer Arbeit aus Uganda und aus Südafrika. Beiträge aus Kasachstan, Moldawien, dem Libanon oder El Salvador erlauben wieder Einblicke in die Filmsprachen kleinerer Nationen.
Der Internationale Wettbewerb erlaubt in diesem Jahr buchstäblich eine Weltreise im Kino – von Sibirien bis nach Südafrika, von Kasachstan bis nach Thailand, von Island bis Australien finden die Filme ihre Schauplätze. Die thematische Bandbreite bleibt sehr groß. Sie reicht von der niederländischen Hommage an den altmodischen Speisewagen in Arianne Olthaars Restauratiewagens bis zum brasilianischen Cinemascope-Spielfilm über einen Tagelöhner in Chapa von Thiago Ricarte, von der Geschichte eines gescheiterten Dokumentarfilms in Andrew Taylors australischer Produktion Siberia bis zur israelischen Performance Promotional Video der Künstlergruppe Public Movement.
Alle drei israelischen Produktionen kommen aus dem Kunstkontext. Sie spiegeln den stetigen Zulauf von Arbeiten von Künstlern, den der Internationale Wettbewerb seit einigen Jahren verzeichnet. Neben Public Movement kommen aus Israel Roee Rosen und Yael Bartana, zu den Künstlern im Wettbewerb gehören auch die Belgierin Manon de Boer, der Este Jaan Toomik, Laure Prouvost (GB), Wendelien van Oldenborgh (Niederlande), Ziad Antar (Libanon), Sun Xun (China) und zahlreiche andere. Mit dem Brasilianer Eder Santos, mit Jay Rosenblatt (USA) oder John Smith (GB) kehren einige alte Bekannte in den Wettbewerb zurück, während die junge Finnin Hannaleena Hauru erst vor zwei Jahren mit ihrem Abschlussfilm Aufsehen erregte und nun gleich zwei neue Arbeiten in Oberhausen vorstellt: Catching im Internationalen Wettbewerb und ein weiterer Film im Kinder- und Jugendfilmwettbewerb.
Aus Deutschland kommen zwei Beiträge des Internationalen Wettbewerbs: Jeanne Fausts Reconstructing Damon Albarn in Kinshasa und Jana Debus’ Zueignung.
Die Jury des Internationalen Wettbewerbs
Mara Mattuschka, Filmemacherin (Wien)
Maria Pallier, Fernsehredakteurin (Madrid)
Ellen Pau, Kuratorin (Hongkong)
Adam Pugh, Autor und Kurator (Norwich)
Fred Worden, Filmemacher (Silver Spring)
Der Deutsche Wettbewerb
Die Genres sind im Deutschen Wettbewerb vielfältiger als je zuvor, aber gleichzeitig dominiert der Spielfilm. Aufgelöst wird das Paradox durch einen genaueren Blick auf die Spielfilme, die fast durchweg nicht den klassischen narrativen Traditionen folgen, sondern in jede Richtung experimentieren, experimentelle oder dokumentarische Elemente und Bildsprachen nutzen, formal und inhaltlich extrem frei angelegt sind.
Ein experimenteller Genrefilm, nämlich ein Horrorfilm mit Vampirelementen, ist zum Beispiel Ute Ströers Schlafende Füchse. Adnan Softic’s Ground Control beginnt als Dokumentarfilm über die Familie des Filmemachers, bis sich die scheinbare Dokumentation als Spielfilm entpuppt, der die Konventionen beider Genres in Frage stellt. Jeanne Faust stellt in Reconstructing Damon Albarn in Kinshasa (der auch im Internationalen Wettbewerb läuft) ein Foto des Blur-Sängers in Kinshasa nach, jedoch eben nicht als Dokumentarfilm, sondern als Spielfilm mit experimentellen Elementen.
Die Dokumentarfilmer im Deutschen Wettbewerb finden ihre Themen in diesem Jahr wieder häufiger in Deutschland. Vom einer Erdbebenstation in Bergisch-Gladbach in Lea Hartlaubs Bensberg September 2009 über das John-Cage-Orgelprojekt in Halberstedt in Anca Lazarescus Es wird einmal gewesen sein bis zum Gesang der Jünglinge, in dem Andree Korpys und Markus Löffler filmen, wie eine Gruppe Polizisten ein neues Elektroschockgerät am eigenen Leib erprobt.
Zu den bekannten Namen im Wettbewerb gehören Volker Schreiner, Mariola Brillowska, Stanislaw Mucha, Christoph Girardet und Matthias Müller, Jochen Kuhn, Jürgen Reble und Ute Aurand. Auch Vorjahresgewinner Michel Klöfkorn ist dabei mit der Stop-Motion-Animation /_flüssiges papier.
Die Jury des Deutschen Wettbewerbs
Züli Aladag, Filmemacher (Berlin)
Christine Dollhofer, Crossing Europe Filmfestival (Linz)
Gabrielle Schultz, Autorin (Oberhausen/Wien)
Der NRW-Wettbewerb
Aus rund 230 Arbeiten haben die Kurzfilmtage für ihren 2009 eingeführten NRW-Wettbewerb sieben ausgesucht, die nun um die Preise im Wert von 1.500 Euro konkurrieren. Mit fünf Produktionen dominiert der Spielfilm, zwei Dokumentarfilme runden das Programm ab. Die NRW-Filmemacher, darunter Bundesfilmpreisträger Rainer Komers, konnten prominente Schauspieler vor die Kamera locken, darunter Hannelore Hoger, Jenny Schily, Wotan Wilke Möhring und die Französin Elodie Bouchez. Dabei sind Produktionen aus den beiden Kölner Filmhochschulen KHM (vier) und ifs (eine Koproduktion mit der FH Dortmund) sowie zwei freie Produktionen.
Mit Legenden liefert eine der jüngsten Filmemacherinnen im Wettbewerb, Angélique Dubois, ein Portrait der Stadt Leverkusen ab, die sie erstaunlich erfolgreich als Schauplatz eines klassischen Italo-Westerns filmt. Driving Élodie von Lars Henning mit Élodie Bouchez ist die Geschichte einer zarten Annäherung zwischen dem Filmstar und seinem Chauffeur, während Rosa Hannah Zieglers Frau am Meer mit Jenny Schily und Hannelore Hoger in den Hauptrollen das psychologische Drama einer Frau erzählt, die nach einer persönlichen Krise jede Verbindung mit Familie und Freunden abbricht. In Bogdana Vera Lorenz’ Heimspiel führt Wotan Wilke Möhring ein Doppelleben als Berufsschullehrer und Hooligan – bis er bei einer Prügelei auf einen seiner Schüler trifft. Die Komödie Wellenreiter von Markus Mischkowski und Kai Maria Steinkühler aus dem Umfeld des legendären Kölner Filmclubs 813 nimmt mit trockenem Humor das Thema Wirtschaft aufs Korn: Am Beispiel der beiden langzeitarbeitslosen Kumpel Mike und Alfred illustriert sie das so genannte “Eisverkäufer-am-Strand”-Dilemma des Ökonomen Harold Hotelling.
Die beiden Dokumentarfilmer im NRW-Wettbewerb finden ihre Themen in Nordamerika: Der Mülheimer Rainer Komers zeigt uns Szenen und Eindrücke aus Milltown, Montana, einer Stadt inmitten einer durch Bergbau und Industrie zerstörten Landschaft. Florian Riegel nähert sich in Holding Still mit Hilfe von Fotos und vorgefundenem Material der Lebensgeschichte einer Frau an, die seit Jahren ans Bett gefesselt ist – seitdem ihr Mann ihr im LSD-Rausch das Genick brach.
Die Preisgelder im NRW-Wettbewerb werden auch in diesem Jahr von der NRW.BANK gefördert.
Die Jury des NRW-Wettbewerbs
Gabi Hinderberger, Filmfestival Blicke aus dem Ruhrgebiet (Bochum)
Ute Mader, Kommunales Kino Leverkusen
Dirk Steinkühler, Kino Filmpalette (Köln)
Der 12. MuVi-Preis
Eine neue Generation tritt beim MuVi-Preis für das beste deutsche Musikvideo an: Von 12 nominierten Regisseuren sind elf noch nie dabei gewesen. Nur Markus Wambsganss, schon mehrfach beim MuVi preisgekrönt, war schon einmal in Oberhausen. Unter den Debütanten finden sich allerdings bekannte Namen wie Klaus Lemke, der in seinem Clip Andere Leute Ausschnitte seiner alten Filme verarbeitet, oder Schorsch Kamerun, der sein MuVi-Debüt mit dem Clip Positionen für die eigene Band, Die Goldenen Zitronen, feiert.
Auch beim MuVi-Preis ist der Einfluss der Kunst spürbar. So schickt zum Beispiel documenta-Künstler Carsten Nicolai den Clip u_08-1 (Co-Regie Simon Mayer) ins Rennen. Mit dabei sind in diesem Jahr auch einige liebevoll gemachte Animationen. Eine Papp-Eisenbahn spielt die Hauptrolle in Die Seitenlehne von Nele Konopka, Maximilian Sauermoser und Jonas Szabo, Felix Höffelmann und Philip Frowein lassen in Bit by Bit Möbel per Stop-Motion auftauchen und verschwinden, Özgür Ramazan bearbeitet in Camel vorgefundenes Filmmaterial bis zur Unkenntlichkeit.
Nach wie vor ist das Internet die dominierende Verwertungsplattform für die Musikvideos. Allerdings lässt sich beobachten, dass im Musikvideobereich die Dominanz von Massen-Websites wie youtube langsam von einzelnen Websites oder Communities abgelöst wird, die als Filter und Wegweiser durch die Masse des online gestellten Materials fungieren.
Alle 12 Clips stehen ab 1. April auf www.muvipreis.de zur Abstimmung für den MuVi Online-Publikumspreis bereit.
Die MuVi-Jury
Lillevän, Live-Filmemacher (Berlin)
Eric Pfeil, Autor (Köln)
Carine Le Malet, Kuratorin/Programmverantwortliche Le Cube (Paris)
Der 33. Kinder- und Jugendfilmwettbewerb
Die Auswahlkommission sichtete 545 Filme für den Kinder- und Jugendfilmwettbewerb, der sich an Altersgruppen von drei bis 18 Jahren richtet. Wie im Vorjahr sind die Länder gut vertreten, die über eine starke und kontinuierliche Kurzfilmtradition verfügen: Deutschland und Großbritannien schicken je fünf Beiträge ins Rennen, die Niederlande und Dänemark je vier. Asien ist mit Arbeiten aus Thailand und Südkorea vertreten, Osteuropa mit Filmen aus Litauen, der Mongolei und Russland.
In fast allen Altersgruppen bietet das Programm auch Dokumentationen, der überwiegende Teil der Arbeiten sind jedoch Spielfilme. Erste Liebe, Alleinsein, sich behaupten, wenn man anders ist, problematische Familienverhältnisse, das sind die Themen der Filme. Auch dieser Wettbewerb führt durch viele verschiedene Länder und Kulturen: Von der elf-jährigen Holzbildhauerin Merle, die im gleichnamigen niederländischen Dokumentarfilm portraitiert wird, bis zu dem kleinen Jungen, der in der mongolisch-russischen Produktion Ulybka Buddy (Buddhas Lächeln) zuhause allein ist und mit der Versuchung kämpft, die Süßigkeiten vor Buddhas Schrein zu naschen.
(nach einer Pressemitteilung der Kurzfilmtage Oberhausen)
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