Karibik so fern und so nah

Das 14. Filmfest Schleswig-Holstein – Augenweide zeigt aktuelles schleswig-holsteinisches Filmschaffen.


Von Jörg Meyer (Kieler Nachrichten, 22.3.2010)
Stürme und Fluten, das kennen nicht nur wir im (Film-) Land zwischen den Meeren. Als der Hurrikan Katrina über New Orleans fegte, waren die Kameras der Medien dabei. Nach der Flut jedoch gerieten die gebeutelte Metropole und die Opfer der Naturkatastrophe wieder ins Vergessen – nicht jedoch bei den Filmemachern P. Soergel, R. Fenson-Hood und S. O. Hill, die im Eröffnungsfilm des 14. Filmfests Schleswig-Holstein – Augenweide (Fr, 19.30 Uhr) dem „Sound After The Sorm“ nachlauschen.
In ihrer einfühlsamen Dokumentation fern von sensationsträchtigen Katastrophenbildern begleiten sie die seit 25 Jahren in Deutschland lebende Sängerin und „Jazz-Botschafterin von New Orleans“ Lillian Boutté, den Klarinettisten Michael White und den Fotografen Armand „Sheik“ Richardson, die mit Noten gegen die Not der Opfer und für den Erhalt der Jazz-Kultur kämpfen. Kälter, aber durchaus nicht weniger stürmisch im übertragenen Sinne ist die „Karibik“ an der Nordsee. In Wolf Wolffs Krimi-Persiflage „Kalte Karibik“ wäre der Inselpolizist von Meerscheid gerne mal ein „Miami Vice“. Allein, Verbrechen sind auf dem verträumten Eiland Mangelware – bis vier junge Abenteurer es sich zum Tummelplatz für ihr böses Spiel auswählen. Mit diesem abendfüllenden Spielfilm schließt die Augenweide am Sonntag, 20 Uhr nach der Preisverleihung ihr Programm mit 25 Filmen von Filmemachern aus Schleswig-Holstein, von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein und der Filmwerkstatt Kiel geförderten Projekten und mit Kurzfilmen aus der Filmhochschule Lodz.
Seine Schleswig-Holstein-Premiere feiert am Sonnabend um 15.30 und 16 Uhr – wegen des zu erwartenden Publikumsandrangs auf gleich zwei Leinwänden, im Saal der Pumpe und im Koki – ein dritter Langfilm: Bartosz Werners „Unkraut im Paradies“ ist die frisch-herbe Liebesgeschichte von Lukas (Remo Schulze) und Meike (Klara Manzel), deren Liebe sich in den Unwägbarkeiten des Erwachsenwerdens beweisen muss. Während Meike weiß, was sie will, droht Lukas orientierungs- und motivationslos zurückzubleiben.
Einen „Trend zum längeren Film“ sieht Bernd-Günther Nahm, Leiter der Kieler Filmwerkstatt, die die gezeigten Filme nicht nur finanziell unterstützte, sondern mit ihren Kameras und Schnittplätzen dem schleswig-holsteinischen Filmnachwuchs auch manche technische Geburtshilfe leistete. Wie „Landeskind“ Bartosz Werner werde der Nachwuchs aber zunehmend „erwachsen und professionell“ und wage sich damit an das abendfüllende Format. Die Augenweide spiegele diese Entwicklung, die auch mit den neuen digitalen und damit weniger kostenintensiven Produktionsbedingungen zusammenhänge, schon seit einigen Jahren.
Einen eigenen Abend widmet die Augenweide dennoch wieder den Kurzfilmen. Ebenso sachkundig wie humorvoll moderiert von Koki-Leiter Eckhard Pabst wird’s am Sonnabend, 20.30 Uhr „kurz und knackig“. Elf kurze Spiel-, aber auch Dokumentarfilme (etwa Sonja Marie Krajewskis eindrucksvoller Film „vorher/nachher“ über Opfer von Vergewaltigungen und ihre psychischen Qualen) werden den Saal der Pumpe wie gewohnt zum Bersten bringen. Um 18 Uhr empfiehlt sich ein Blick auf das „Partnerland Polen“, namentlich Kurzfilme aus der Filmhochschule Lodz, unter anderem von Größen wie Polanski und Kieslowski, die dort als Fingerübungen ihre ersten Kurzfilme produzierten.
Am Sonntagnachmittag, 16 Uhr widmet sich die Augenweide dem Kinderfilm. Der Flensburger Christian Theede hat das Märchen vom „Gestiefelten Kater“ verfilmt. Um 18 Uhr gehen die Filmemacher dann nochmal „off the road“ und suchen in der Fremde des mittleren Westens der USA („Milltown, Montana“, „The Long Walk Home“) Orte (verlorener) Heimat auf. In „Bücken für 8 Cent“ begleiteten Malte Blockhaus und Philipp Achterberg einen obdachlosen Flaschensammler auf der Kieler Woche mit der Kamera. Sie zeigen damit einen weiteren Trend schleswig-holsteinischen Filmemachens: Die „Karibik“ als Sinnbild für das Fremde, Ferne liegt manchmal vor der heimatlichen Haustür – und zuweilen muss man in karibische Fernen schweifen, um das Nahe besser zu erkennen.
14. Filmfest Schleswig-Holstein – Augenweide: Freitag bis Sonntag in der Pumpe und im Koki. Kartenvorverkauf (Einzelveranstaltungen 5/4,50 EUR, Tageskarten 12/10 EUR) im Koki (Tel. 0431-2007649). Detailliertes Programm unter www.filmfest-sh.de.
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