Natürliche Gesundheit (nicht nur) für die Armen
„Kallawaya. Traditionelle Medizin in den Anden“ (D 2009, Christoph Corves und Delia Castiñeira)
Die Kallawaya sind ein zahlenmäßig kleineres Volk unter den Indio-Ethnien Boliviens. Dass ihr Name gleichzeitig synonym als Bezeichnung für Heiler verwendet wird, hängt unter anderem mit ihrem ausgezeichneten Ruf als „Kräuterdoktoren“ unter vielen Indios der bolivianischen Anden zusammen. Der kurze Dokumentarfilm „Kallawaya. Traditionelle Medizin in den Anden“ von Christoph Corves und Delia Castiñeira ist ein kleines Porträt eines der bekanntesten Vertreter dieser Naturheilkunde, des Arztes Walter Alvarez aus La Paz.
Mit Alvarez lernen wir eine gestandene Persönlichkeit kennen, die freundlich und zuversichtlich in sich zu ruhen scheint. Er verbindet traditionelles Heilwissen der Kallawayas mit der westlichen Medizin und ist ein kämpferischer Anwalt seiner Überzeugung, dass aus der Kombination von beiden größter Nutzen für die bolivianische Bevölkerung zu ziehen sei. Die Filmemacher begleiten den Arzt in seinem Alltag in der Praxis, bei seiner Öffentlichkeitsarbeit in Funk und Fernsehen, bei einem Besuch in seiner Heimat und lassen ihn und seine Familie aus seinem Leben erzählen.
Der Film profitiert dabei von der allgemeinen Offenheit für alternative Medizin heutzutage und der Exotik der Lokalitäten und seiner Menschen für unsere Augen. Schneebedeckte Andengipfel, südamerikanische Musik, dazu eine anfangs für den Betrachter nicht zu ergründende, geheimnisvolle Opferzeremonie in Kallawaya-Tradtion sollen neugierig machen und zeigen zugleich einen der Schauplätze, zwischen denen der Arzt und Heiler Alvarez wie selbstverständlich hin und her zu wandeln scheint. Tradition und Moderne: sein abgelegenes Heimatdorf in den Anden des Grenzlandes zu Peru, das TV-Studio in der Hauptstadt, der so genannte „Hexenmarkt“ in La Paz oder das bolivianische Parlament – überall scheint der Protagonist gleichermaßen heimisch und selbstsicher zu sein. Und an allen Orten gelten sein Einsatz und Streben der Ausübung und Propagierung der traditionellen Kallawaya-Medizin. Ihr will er die Anerkennung neben der Schulmedizin sichern, ihren Einsatz ausbauen. Die Basis dafür stellen die angestrebte Harmonie zwischen Natur und Mensch und das überlieferte heilerische Wissen dar. 120 verschiedene Heilkräuter werden bis heute bei den Kallawayas angewandt. Vorbeugen ist besser als Heilen: Dieses Credo von Alvarez und seiner Kallawaya-Medizin ist bestimmend für sein Tun. Er will Krankheiten besonders durch ausgewogene Ernährung in Selbstversorgung verhindern und somit gerade der armen Bevölkerung helfen, die die Mehrheit in Bolivien stellt.
Bisweilen wirkt der interessante 26-minütige Film wie ein Exposé für eine längere Dokumentation, was aber nicht abwertend zu verstehen ist. Die Themen und Stationen werden kurz skizziert und verständlich erläutert, und schon geht die Kamera weiter zum nächsten Schauplatz. Am Ende wird das Rätsel um die anfängliche seltsame Opferzeremonie in der nebeligen Bergwelt der Hochanden gelöst. Das kleine, merkwürdig anzuschauende Gerippe, das dabei zu sehen war, entpuppt sich als toter, getrockneter Lamafötus, der mit Kräuterflüssigkeit bestrichen zusammen mit anderen Dingen, wie Kokosblättern, Süßigkeiten und kleinen Talismanen den alten Göttern der Kallawaya geopfert wird, auch um Walter Alvarez in Zukunft gute Heilerfolge zu sichern. (Helmut Schulzeck)
„Kallawaya. Traditionelle Medizin in den Anden“, D 2009, 26 Min., DVD, BETA-SP, DigiBETA. Buch/Regie: Christoph Corves, Delia Castiñeira, Kamera: Christoph Corves, Ton: Christina Förch, Musik: Titus Vollmer, Schnitt: Delia Castiñeira, Produktion: DokuFaktur Medienproduktion, www.dokufaktur.de.