59. Int. Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2009

Panorama: Programm

Das Panorama präsentiert in diesem Jahr 17 Spielfilme im Hauptprogramm, 15 im Panorama Special und 16 in der Reihe Panorama Dokumente. Fünf kurze Vorfilme ergänzen Themen in Langfilmen. 35 Filme sind Weltpremieren, 13 sind Erstlingswerke. Als Celebration Presentations – 30 Jahre Programm werden fünf Filme gezeigt.
Mit dem Programm des Panoramas lässt sich bereits absehen, dass das wirklich unabhängige Kino – im Gegensatz zum Independent Cinema der Major Studios der frühen 2000er Jahre – angesichts der Wirtschaftskrise im Vorteil ist. In anderen Worten: Kino verspricht wieder radikaler, wagemutiger und damit inspirierender zu werden.
Das beweist nicht nur die neue Generation von Filmemacherinnen wie beispielsweise Lucía Puenzo, die ihren zweiten Film El niño pez vorstellt, in dem die Liebe zweier Frauen Abgründe aufbrechen lässt, die weit über die persönliche Befindlichkeit hinausgehen und in einen Polit-Thriller münden. Auch eine Koryphäe des unabhängigen Filmemachens wie Catherine Breillat (Manfred Salzgeber Award 2001 für À ma soeur!) illustriert dies mit der Erforschung des Mythos Blaubart in ihrem neuesten Werk La Barbe Bleue.
Michael Winterbottom und Mat Whitecross (Silberner Bär 2006 für The Road to Guantanamo) präsentieren in Panorama Dokumente ein work-in-progress: The Shock Doctrine – basierend auf dem gleichnamigen Buch von Naomi Klein. Die Filmemacher analysieren den ungebrochenen Trend zur Privatisierung von Gesellschaftsvermögen, der inzwischen nahezu alle Volkswirtschaften erfasst hat und dabei ist, bei Milliarden Menschen das Bewusstsein von Ungerechtigkeit zu erzeugen.
In Philippe Liorets Welcome zeigt sich die tragische Lage, in der sich illegale Flüchtlinge aus dem Irak befinden, die von Frankreich aus nach England gelangen wollen.
Wie sich die Verfolgung der Juden zur Zeit der Nazi-Herrschaft auch noch heute unvermittelt auswirken kann, beschreibt Michael Glawogger in der deutsch-österreichisch-französichen Koproduktion Das Vaterspiel.
José Padilha, Gewinner des Goldenen Bären 2008 für Tropa de elite, stellt seinen Dokumentarfilm Garapa vor, der die Frage des Welthungers radikal in den Vordergrund stellt. Chema Rodríguez, 2006 mit Estrellas de la linea im Panorama, zeigt in Coyotedie Arbeit von Schleppern in Südamerika. Er erzählt die Geschichte dreier Familien, die alle Hoffnung auf fluchtwillige Familienmitglieder setzen, die durch Mexiko in die USA gelangen sollen.
Im indonesischen Beitrag At Stake stellen sich fünf junge Regisseure und Regisseurinnen den herrschenden Moralvorstellungen im größten islamischen Land: die Themen reichen von weiblicher Beschneidung bis zum Konflikt um den Besuch von unverheirateten Frauen beim Frauenarzt.
Unter den Spielfilmen gibt es neben renommierten Namen wie Wolfgang Murnberger, Tom DiCillo, Julie Delpy und Ulli Lommel viele Entdeckungen.
Isabelle Adjani spielt unter der Regie von Jean-Paul Lilienfeld in La journee de la jupe eine Lehrerin in gewalttätigem Umfeld, die den Spieß herumdreht. Jan Krüger, dessen Kurzfilm Freunde 2001 den Silbernen Löwen von Venedig gewann, erzählt mit Rückenwind eine postemanzipatorische Liebesgeschichte im Umland von Berlin, während Schauspielerin Rie Rasmussen (Hauptdarstellerin in Angel-A von Luc Besson) in ihrem Regie-Debüt Human Zoo die düstere After-Party einer jungen Frau in Paris schildert, die den Gräueln der Balkankrise entkommen ist.
Eröffnungsfilme
Das Panorama Hauptprogramm eröffnet am 5. Februar mit der französischen Produktion Human Zoo der dänischen Regisseurin Rie Rasmussen. In ihrem Spielfilm-Debüt spielt sie eine junge Frau, die zusammen mit einem Deserteur den Gräueln der Balkankrise entkommt.
Panorama Special eröffnet am 6. Februar mit Nord, dem Erstling des Norwegers Rune Denstad Langlo. Mit feinem Gespür für das Komische im Tragischen erzählt er von der Suche eines Mannes nach seinem Söhnchen im eisigen Norden.
Panorama Dokumente zeigt am 6. Februar zwei Filme, die Themen des diesjährigen Gesamtfestivals behandeln: Globalisierungsanalyse und Globalisierungsauswirkungen, sowie Perspektiven auf Kashmir, Pakistan, Kabul.
In The Yes Men Fix The World der US-Amerikaner Mike Bonanno, Andy Bichlbaum und Kurt Engfehr demaskieren die Yes Men, die als Helden der subversiv-spielerischen Globalisierungskritik bereits im Panorama 2004 präsent waren, neben meta-legaler Wirtschaftsverbrechen die Privatisierungsmanie Milton Friedman’scher Prägung. Weder Dow Chemical noch Halliburton oder die BBC sind vor ihren entlarvenden Aktionen sicher. Weitere Filme zum Thema sind The Shock Doctrine von Michael Winterbottom und Mat Whitecross, Garapa von José Padilha und Coyote von Chema Rodríguez.
Die amerikanisch-israelische Ko-Produktion Kashmir: Journey To Freedom von Udi Aloni vermittelt eindrucksvoll das Gegenteil dessen, was in westlichen Medien häufig von der Region gezeigt wird: Es geht um die Wiederherstellung von Frieden und darum, mit wie viel Einfallsreichtum Menschen um diesen Frieden kämpfen. Auswirkungen von Entwurzelung und der Mangel an Orientierung sind hier von großer Bedeutung, ebenso wie in Helga Reidemeisters Mein Herz sieht die Welt schwarz – Eine Liebe in Kabul. Durch die präzise Beobachtung familiärer Umstände macht die deutsche Regisseurin die Auswirkungen der herrschenden Werte und ihre Brüchigkeit unmittelbar spürbar. Auch in Khalid Gills deutscher Produktion Chan di chummi erschließt sich das große Bild durch die Beobachtung des Individuellen: In der pakistanischen Kultur hatten zwischen- oder doppelgeschlechtliche Menschen einen festen Platz – der ist inzwischen durch die Erosion der Tradition gefährdet.
30 Jahre Programm – Celebration Presentations
Anlässlich des 30. Jubiläums der Sektion, die 1980 vom damaligen Leiter Manfred Salzgeber als „Info-Schau“ erstmalig präsentiert wurde (seit 1986 Panorama), werden einige Filmemacher der frühen Jahre mit ihren neuesten Filmen vorgestellt: 1985 beispielsweise zeigte die „Info-Schau“ das Filmdebüt von Gus Van Sant, Mala Noche, sowie die Dokumentation The Times Of Harvey Milk von Robert Epstein, der dafür den Oscar bekam. 2009 nun zeigt Gus Van Sant seinen neuen Film Milk über Harvey Milk, den ersten schwulen Stadtverordneten im San Francisco der späten 70 er Jahre, der einem Mordanschlag zum Opfer fiel, und Robert Epsteins Dokumentarfilm zum gleichen Thema kommt zur Wiederaufführung.
Auch Catherine Breillats zweiter Film Tapage nocturne, der bereits im Gründungsjahr der Panorama-Sektion 1980 vertreten war, wird 2009 wiederaufgeführt. Der diesjährige Special TEDDY Award-Preisträger Joe Dallesandro, der damals einen der Protagonisten des Films verkörperte, wird außerdem anlässlich des Porträtfilmes Little Joe von Nicole Haeusser nach Berlin kommen.
Ein John Hurt-Triptychon rundet die Film-Feier zum 30. ab: im offiziellen Programm zeigt Panorama den neuen Film des Briten Richard Laxton, An Englishman In New York, in dem John Hurt den späten Quentin Crisp in seiner New Yorker Zeit spielt, ganz so wie von Sting 1987 besungen in dessen gleichnamigem Hit. Die Celebration Presentation umfasst dann sowohl den 1990 im Panorama uraufgeführten ersten Film von Jonathan Nossiter, Resident Alien (mit Quentin Crisp, John Hurt, Holly Woodlawn und Sting) als auch den legendären The Naked Civil Servant von Jack Gold (1975), in dem John Hurt den frühen Quentin Crisp in England darstellt.
Zu 30 Jahre Programm gibt es ein Sonderplakat: Grafiker Jörg Eschenburg hat aus etwa 70.000 Archivfotos 172 Bilder von Regisseuren und Schauspielern ausgesucht und zu einer historischen Collage zusammengestellt.
10 Jahre PPP – PanoramaPublikumsPreis
Seit 1999 organisieren radioeins, tip Magazin und Panorama den PanoramaPublikumsPreis. Über 20 000 Zuschauer nehmen daran teil und küren ihren Favoriten, der am letzten Tag des Festivals zur Preisverleihung aufgeführt wird. 2009 nun gibt es ein Wiedersehen mit den Publikumslieblingen der vergangenen zehn Jahre in den eigens eingerichteten Kinos Cubix 7 und 8 (Filmliste im Anhang).
Zu diesem Anlass hat der Berliner Bildende Künstler Christian Bilger eine neue Skulptur entworfen. Die Veranstalter danken dem Schöpfer der Skulptur der ersten zehn Jahre, Hubertus Brand.

Folgende Filme aus Hauptprogramm, Panorama Special und Panorama Dokumente sind zu sehen:
Spielfilme (Hauptprogramm)
  • Absolute Evil von Ulli Lommel, USA (WP) mit David Carradine, Carolyn Neff, Ulli Lommel, Chris Kiesa
  • Ander von Roberto Castón, Spanien (Debüt) (WP) mit Josean Bengoetxea, Cristhian Esquivel, Mamen Rivera, Pilar Rodríguez, Leire Ucha
  • Der Knochenmann (The Bone Man) von Wolfgang Murnberger, Österreich (WP) mit Josef Hader, Josef Bierbichler, Birgit Minichmayr, Simon Schwarz, Christoph Luser, Stipe Erceg
  • Fig Trees von John Greyson, Kanada (WP) mit Van Abrahams, David Wall, Alexander Chapman
  • Fucking Different Tel Aviv von Yair Hochner, Avital Barak, Stephanie Abramovic, Elad Zakai, Eran Koblik Kedar, Ricardo Rojstaczer, Nir Ne’Eman, Hila Ben Baruch, Yossi Brauman, Sivan Levy, Eyal Bromberg, Anat Salomon, Sie Gal, November Wanderin, Yasmin Max, Deutschland/Israel
  • Ghosted von Monika Treut, Deutschland/Taiwan (WP) mit Inga Busch, Huan-Ru Ke, Ting-Ting Hu, Jack Kao, Marek Harloff
  • Gururi No Koto (All Around Us) von Hashigushi Ryosuke, Japan mit Kimura Tae, Lily Franky, Baisyo Mitsuko
  • High Life von Gary Yates, Kanada (WP) mit Timothy Olyphant, Stephen Eric McIntyre, Joe Anderson, Rossif Sutherland
  • Human Zoo von Rie Rasmussen, Frankreich (Debüt) (WP) mit Rie Rasmussen, Nikola Djuricko, Nick Corey, Vojin Cetkovic, Hiam Abbass, Said Amadis
  • La journee de la jupe (Skirt Day) von Jean-Paul Lilienfeld, Frankreich/Belgien mit Isabelle Adjani, Denis Podalydes, Yann Collette
  • Laskar Pelangi (The Rainbow Troops) von Riri Riza, Indonesien mit Cut Mini, Zulfani, Ferdian, Veris Yamarno, Ikranagara
  • Pedro von Nick Oceano, USA (Debüt) mit Alex Loynaz,Justina Machado, Hale Appleman, DaJuan Johnson
  • Rückenwind (Light Gradient) von Jan Krüger, Deutschland (WP) mit Sebastian Schlecht, Eric Golub, Iris Minich, Denis Avevi
  • Sólo quiero caminar (Just Walking) von Augustin Diaz Yanes, Spanien/Mexiko mit Diego Luna, Victoria Abril, Ariadna Gil, Pilar López de Ayala, Elena Anaya
  • The Countess von Julie Delpy, Deutschland/Frankreich (WP) mit Julie Delpy, William Hurt, Daniel Brühl
  • White Lightnin‘ von Dominic Murphy, Großbritannien/USA (Debüt) mit Edward Hogg, Carrie Fisher, Muse Watson
  • La Barbe bleue von Catherine Breillat, Frankreich (WP) mit Dominique Thomas, Lola Creton, Daphné Baiwir
  • An Englishman In New York von Richard Laxton, Großbritannien/USA (WP) mit John Hurt, Denis O’Hare, Jonathan Tucker, Swoozie Kurtz, Cynthia Nixon
  • Das Vaterspiel (Kill Daddy Good Night) von Michael Glawogger, Deutschland/Österreich/Frankreich (WP) mit Jeremy Strong, Ulrich Tukur, Sabine Timoteo
  • El niño pez (The Fish Child) von Lucía Puenzo, Argentinien/Spanien (WP) mit Inés Efrón, Emme, Pep Munné, Arnaldo André, Carlos Bardem
  • Welcome von Philippe Lioret, Frankreich mit Vincent Lindon, Firat Ayverdi, Audrey Dana
  • Dongbei, Dongbei (A North Chinese Girl) von Zou Peng, China (WP) mit Tian Yi-Wen, Wu Rui-Peng, Liu Xing-Ping
  • Rabioso sol, rabioso cielo (Raging Sun, Raging Sky) von Julián Hernández, Mexiko (WP) mit Jorge Becerra, Javier Oliván, Guillermo Villegas, Giovanna Zacarias
  • Rossiya 88 (Russia 88) von Pavel Bardin, Russland (WP) mit Petr Fyodorov, Vera Strokova, Kazbek Kibizov
  • Schläft ein Lied in allen Dingen (Sleeping Songs) von Andreas Struck, Deutschland (WP) mit Stefan Rudolf, Chulpan Khamatova, Traute Hoess, Paula Kalenberg, Barnaby Metschurat
  • Strella von Panos H. Koutras, Griechenland (WP) mit Mina Orfanou, Yiannis Kokkiasmenos, Minos Theoharis, Betty Vakalidou
  • Vingança (Retribution) von Paulo Pons, Brasilien mit Bárbara Borges, Erom Cordeiro, Branca Messina, Guta Stresser, Marcio Kieling

Panorama Special

  • Claustrophobia von Ivy Ho von Karena Lam, Ekin Cheng, Felix Lok, Derek Tsang, Chucky Woo
  • End Of Love von Simon Chung, Hong Kong, China (WP) mit Chi Kin Lee, Guthrie Yip, Ben Yeung, Joman Chiang, Clifton Kwan
  • Nord (North) von Rune Denstad Langlo, Norwegen (WP) mit Anders Baasmo Christiansen, Marte Aunemo, Lars Olsen, Mads Sjogard Pettersen, Astrid Solhaug
  • Short Cut To Hollywood von Marcus Mittermeier, Jan Henrik Stahlberg, Deutschland, Österreich, USA (WP) mit Jan Henrik Stahlberg, Marcus Mittermeier, Christoph Kottenkamp, Marta McGonagle, Allison Findlater-Galinsky
  • Yang Yang von Yu-Chieh Cheng, Taiwan (WP) mit Sandrine Pinna, Ruei-Jia Chang, Chien-Wei Huang
Panorama Dokumente
  • The Shock Doctrine von Michael Winterbottom, Mat Whitecross (WP) Großbritannien
  • Little Joe von Nicole Haeusser, USA (WP) mit Joe Dallesandro
  • Coyote von Chema Rodríguez, Spanien (WP)
  • At Stake von Iwan Setiawan, Muhammad Ichsan, Lucky Kuswandi, Ucu Agustin, Ani Ema Susanti, Indonesien
  • Garapa von José Padilha, Brasilien (WP)
  • Unmistaken Child von Nati Baratz, Israel (Debüt) mit Tenzin Zopa
  • When You’re Strange von Tom DiCillo, USA mit Kevin Krasny
  • Chan di chummi (Kiss The Moon) von Khalid Gill, Deutschland (WP)
  • City of Borders von Yun Suh, USA (WP)
  • Ein Traum in Erdbeerfolie (Comrade Couture) von Marco Wilms, ç (WP) mit Frank Schäfer, Sabine von Oettingen, Klaus Ehrlich, Marco Wilms, Jürgen Hohmuth
  • Endstation der Sehnsüchte (Home From Home) von Sung-Hyung Cho, Deutschland (WP)
  • Kashmir: Journey To Freedom von Udi Aloni, USA/Israel
  • Mein Herz sieht die Welt schwarz – Eine Liebe in Kabul (War And Love In Kabu
    )
    von Helga Reidemeister, Deutschland (WP)
  • The Good American von Jochen Hick, Deutschland (WP) mit Tom Weise, Keith Richmond, Freddy Spells, Vin Nolan, Alex Baresi
  • The Yes Men Fix The World von Mike Bonanno, Andy Bichlbaum, Kurt Engfehr, USA
  • VON WEGEN (OFF WAYS) von Uli M Schüppel, Deutschland (WP) mit Einstürzende Neubauten, Roland Galenza, Heiner Müller, Alexander Pehlemann, Claus Löser

30 Jahre Programm – Celebration Presentations
  • Milk von Gus Van Sant, USA 2008 mit Sean Penn, Emile Hirsch, Diego Luna, Josh Brolin, James Franco
  • Resident Alien von Jonathan Nossiter, USA 1990 mit Quentin Crisp, John Hurt, Holly Woodlawn, Sting
  • Tapage nocturne von Catherine Breillat, Frankreich 1979 mit Bertrand Bonvoisin, Marie-Hélène Breillat, Joe Dallesandro, Dominique Laffin, Gérard Lanvin
  • The Naked Civil Servant von Jack Gold, Großbritannien 1975 mit John Hurt, Liz Gebhardt, Stanley Lebor, Katharine Schofield
  • The Times Of Harvey Milk von Robert Epstein, USA 1984. Oscar für den besten Dokumentarfilm 1985

(nach Pressemitteilungen der Berlinale)
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