49. Nordische Filmtage Lübeck

Story, Story and Story!

Drehbuchworkshop im Rahmen der NFL 2007

Ob man das Bonmot der Hollywood-Produzenten-Legende Louis B. Mayer oder dem vielleicht künstlerisch erfolgreichsten Regisseur der Traumfabrik Billy Wilder zuschreiben möchte: Die drei wichtigsten Dinge für einen Film bleiben „Story, Story and Story“!

Das Filmforum Schleswig-Holstein der Nordischen Filmtage Lübeck veranstaltete in Kooperation mit der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein und dem Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD) einen zweistündigen Drehbuchworkshop. Organisiert und straff moderiert wurde der Workshop vom Drehbuchautor und ehemaligen Vorsitzenden des VDD, Arne Sommer. Drei Drehbuchautoren aus Island, Schweden und Deutschland lud Sommer zum Workshop. Anhand jeweils einer gelesenen Drehbuch-Sequenz und eines Clips der filmischen Umsetzung wurden aktuelle Projekte der Autoren sowie ihre Arbeitsweise und -situation vorgestellt. Die abschließende Diskussion zwischen allen Gästen und dem Publikum drehte sich erwartungsgemäß um die Stellung der Drehbuchautoren in der Branche und ihren Einfluss auf den gesamten filmischen Prozess.

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Drei Autoren und Moderator (rechts), vier Meinungen (Foto: dakro)

Wie sich zeigen sollte, bewies Sommer Geschick bei der Auswahl seiner Gäste. Aufgrund sehr unterschiedlicher Positionen in der Filmbranche konnten sie abweichende Perspektiven vermitteln.

Der Isländer Kristinn Thodarson, der seinen Thriller „Köld slód/Cold Trail“ (Regie: Björn Br. Björnsson, Island 2006) vorstellte, setzte sein Skript auch als Produzent um. Er schätzt sowohl die Einsamkeit beim Schreiben eines Drehbuches als auch die Interaktion mit hunderten Mitarbeitern während Vorproduktion, Dreh und Postproduktion. Diese ungewöhnliche Kombination ist vielleicht begünstigt durch die noch recht junge und kleine isländische Filmszene, in der die typischen Arbeitsteilungen der Filmindustrie sich noch nicht verfestigt haben. Für Kristinn Thodarson ist sie selbstverständlich, da er zunächst in den USA eine Ausbildung als Producer absolvierte, bevor er sich auch als Drehbuchautor probierte. Ein Exposé und eine „Roadmap“ legt er an, wenn er eine Idee nicht mehr aus dem Kopf bekommen kann und ein oder zwei starke Charaktere haften bleiben.

Kjell Sundstett schreibt in seinem Drehbuch „Den nya människan/Der neue Mensch“ (Regie: Klaus Härö, Finnland/Schweden 2007) über ein dunkles Kapitel schwedischer Geschichte. Noch in den 50er und 60er Jahren wurden geistig behinderte Frauen oder Frauen aus der sozialen Unterschicht zwangssterilisiert und ihre Kinder zur Adoption freigegeben. „Und das war, nachdem die Nazis das Land verlassen hatten“, betont Sundstett, der bei diesem Film aus der eigenen Familiengeschichte schöpft. Geschichte und Charaktere müssen ihm nahe sein, dann könne die Handlung auch im Weltraum spielen, antwortet er auf die Frage, welchen Ausgangspunkt seine Drehbücher haben. Meist beginnt seine Arbeit dann mit einer gründlichen Recherche. Wie Thodarson pflegt er eine regelmäßige Arbeitsroutine „from nine to five“ für das Schreiben seiner Bücher, die er nur für seine fünfjährigen Zwillinge unterbricht.

Starke, archetypische Charaktere sind für Daniel Schwarz, Hamburger Drehbuchautor, die Ausgangspunkte für seine Geschichten. „Jeder kennt doch diesen Typ Mensch, der sich total in eine Idee verrennt“, spielt er auf die Hauptfigur aus seinen verfilmten Drehbuch „Süperseks“ (Regie: Torsten Wacker, Deutschland 2004) an, aus dem zuvor ein Ausschnitt gezeigt wurde. Für die hintergründige Komödie um Hamburgs erste türkische Telefonsex-Agentur recherchierte Schwarz in der Szene und stellte schnell fest, dass es dort „unglaublich brutal“ zugehe. Es habe tatsächlich sogar eine türkische Hotline gegeben, doch die musste aufgeben, weil sie in türkischen Zeitungen keine Anzeigen schalten durfte. „Süperseks“ schrieb Schwarz mit seinem türkischen Co-Autoren Kerim Pamuk. Gemeinsames Arbeiten ziehe er vor, denn dann säßen zwei Stimmen am Tisch, zwei Lebenserfahrungen flössen in den Stoff. Hat er dann seinen zentralen Charakter „gefunden“, gehe das Projekt den klassischen Weg vom Exposé über Treatment zur Drehbuchförderung oder „spec script“.

Die gemeinsame Diskussion wurde von Sommer mit der Frage eröffnet, ob der heute übliche Credit „A Film by“ (gefolgt vom Namen des Regisseurs) im Vorspann eines Filmes gerechtfertigt sei. Auf einem Drehbuch-Workshop kann das natürlich nur eine rein rhetorische Frage sein, die auf die untergeordnete und unterbezahlte Rolle der Autoren verweist und mit dem Streik der gewerkschaftlich organisierten Drehbuchautoren in den USA einen tagesaktuellen Bezug hat. Das Reizwort vom „Machtkampf“ fällt. Und mancher Autor – Autorenfilmer ausgenommen – wird dem zustimmen und den fehlenden Einfluss auf das filmische Endprodukt beklagen. Eine Möglichkeit zeigt Kristinn Thodarsons Biografie auf: Der Autor als Produzent. In der Realität der Branche aber eine unwahrscheinliche Alternative. Kjell Sundstett ist als Autor für Film und Theater in seiner Heimat derart etabliert, dass der im Auditorium anwesende Regisseur von „Der neue Mann“, Klaus Härö, einwirft, dass es sich in seinem Augen bei dem Film um eine „Kjell-Story“ handelt. Daniel Schwarz wünscht sich die Rückkehr zu Zeiten. als im Fernsehen der Autor als Urheber des Films genannt wurde. In erster Linie mag es eine Frage des Marketings sein, wessen Name am größten auf dem Plakat steht, wird aus dem Auditorium eingeworfen. Wenn denn ein Name erscheint, möchte man einwerfen. Denn zumindest in der Fernsehlandschaft verschwinden doch Personen, Darsteller noch am ehesten ausgenommen, hinter Titeln, Event-Movies. Um so wichtiger für Autoren ist daher z.B. die Arbeit des VDD, der sich u.a. mit den Vertrags- und Honorar-Problemen der Autoren beschäftigt (siehe www.drehbuchautoren.de).

Auch zur Entstehung von Drehbüchern steuern die drei Gäste unterschiedliche Thesen bei. Während Daniel Schwarz für eine stärkere Förderung der Entwicklung von Drehbüchern appelliert, wendet Thodarson ein, dass die Drehbuch-Finanzierung ein riskantes Geschäft sei. Im Drehbuch-Stadium ist die Realisierung des Films noch am wenigsten absehbar. Da spricht sicher der Realitätssinn des Produzenten. Doch der Autor unzähliger „spec scripts“ tut gut daran, „einen zweiten Beruf auszuüben“, merkt Schwarz an. Fernsehen sei übrigens besser bezahlt als Kino. Kjell Sundstett sieht ein weiteres Problem bei der Drehbuch-Entstehung: Bevor aus einem Buch ein Film wird, geht es zwecks Finanzierung und Förderung durch so viele Hände und Reviews, dass oft am Ende nur gleichförmiger Mainstream übrig bleibe. Ein Problem, dass Thodarson auch Hollywood zuschreibt, wo jeder Studio Executive schon als Daseinsbegründung Änderungen am Script vornehme.

Der Drehbuchworkshop auf den NFL 2007 war eine aufschlussreiche Veranstaltung, die aufgrund der teilweise konträren Positionen der Gäste auch für Insider der Branche kurzweilig blieb. Eine Wiederholung mit anderen Schwerpunkten, ob nun im Bereich Drehbuch, Produktion oder Marketing, ist wünschenswert. (dakro)

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