49. Nordische Filmtage Lübeck

Idylle mit kleinen Tragödien

„Das Dorforchester“ (Antje Hubert, D 2007)

Jevenstedt, ein größeres Dorf am Nord-Ostsee-Kanal bei Rendsburg, ist der Schauplatz des Geschehens. Es verfügt über eine freiwillige Feuerwehr, die quasi als kulturellen Ausgleich zu ihren „sportlichen“ Wehraufgaben eine vielköpfige Kapelle unterhält. Was sich so sympathisch anlässt und gleich zu Beginn nicht nur musikalische Harmonie verspricht, wird im 65-minütigen Dokumentarfilm „Das Dorforchester“ von Antje Hubert auch so fortgeführt. Der menschliche Mikrokosmos eines ländlichen Ortes vorgeführt an den persönlichen Geschichten der Musiker einer Feuerwehrkapelle. Musik im Spritzenhaus zwischen Dorfkirche und Wiese; in der Nähe schieben sich Containerschiffe beschaulich über den die Felder durchquerenden Kanal. Bisweilen fast zu viel der Idylle, wenn da nicht die kleinen Tragödien und Schwierigkeiten des Alltags den schönen Schein des Landlebens und Klang der Feste brechen würden.

Antje Hubert hat sich sieben Mitglieder der Kapelle ausgesucht und lässt sie nicht nur erzählen, wie sie zur Musik bzw. zum gemeinsamen Musizieren kamen, sondern auch Einblicke in ihre Biographien geben. Nicht, dass sich da unerahnte Abgründe auftun, die gewöhnlichen Schicksalsschläge kommen eher beiläufig und leise erzählt daher. Und es gibt auch (fast zwangsläufig) das Paar, das sich gefunden hat, oder die junge Studentin, die sich in die ehemalige Männergesellschaft der Feuerwehrleute getraut hat.

Gemeinsam ist allen die Liebe zur Musik und zum gemeinschaftlichen Ausleben ihrer Muse. Und Hubert zeigt dann auch das regelmäßige Proben und das Aufspielen bei dörflichen Festen und Umzügen in der gebotenen Ausführlichkeit. Doch bereiten diese Beobachtungen der musikalischen Aktivitäten nur den Rahmen für die privaten Geschichten der Musikanten. Da ist zum Beispiel Hans-Hermann. Er spielt ein Tenorhorn. Hans-Hermann macht trotz seines Alters von über 70 Jahren noch einen rüstigen Eindruck, spricht vom rechtzeitigen Aufhören in der Kapelle, ohne ihn schon ins Auge gefasst zu haben. Zu Beginn des Films sitzt er im Hof seines ländlichen Hauses und spielt fürs Filmteam auf. Später erfährt man dann von ihm, dass er allein geblieben ist. Er hat so viel als Lohnarbeiter in der Landwirtschaft gearbeitet, dass für das Liebesleben nicht mehr viel Zeit geblieben ist. So hat ihn die Freundin für einen anderen Mann verlassen, weil er sie vernachlässigte.

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Hans-Hermann mit seinem Tenorhorn (Foto: NFL)

Oder wir machen die Bekanntschaft mit Susanne, die mit Ausdauer und Fleiß Tenorsaxophon übt und spielt, aber um die Grenzen ihres musikalischen Könnens weiß. Auch sie findet in der Kapelle Gemeinschaft und Freude, die ihr über die Probleme ihrer Scheidung hinweghelfen.

„Natürlich“ gibt es auch den ehemaligen Berufsmusiker (Heinz am Schlagzeug), der letztlich jedoch nicht der Karriere wegen nach Hamburg ziehen wollte, sondern dem Landleben und der Liebe zu seinen Tieren den Vorzug gegeben hat. Nach jahrelangem Tingeln in Bands und Begleitorchestern begnügt er sich heute zufrieden mit seinem Dasein als Freizeitmusiker.

Es ist schon erstaunlich, welch unterschiedliche Charaktere Hubert in der Feuerwehrkapelle aufgetan hat, und dass alle so bereitwillig über ihr Leben erzählen, ein wenig schüchtern, doch letztendlich sehr offen, wie es sich besonders an Erwin zeigt, der selbstbewusst von seinem Kampf gegen die Alkoholsucht erzählt und wie er wieder in der Gemeinschaft seiner Feuerwehrkameraden Fuß fassen konnte. Dass die Biographien bisweilen für den Geschmack des Rezensenten ein wenig zu kurz geraten sind, ist dem relativ großen Querschnitt geschuldet, den Regisseurin und Autorin Hubert erfassen wollte. Alle vorgestellten Feuerwehrmusikanten lieben ihre Musik und Heimat. Und: sie ruhen in sich, trotz der Widrigkeiten, die das Leben auch hier für sie bereithält. Huberts Heimatfilm bringt dies beschau- und anschaulich rüber. (Helmut Schulzeck)

„Das Dorforchester“, D 2007, 65 Min. Buch, Ton und Regie: Antje Hubert, Kamera: Barbara Metzlaff, Schnitt: Magdolna Rohkob, Produktion: Kathrin Lemme, Redaktion: Barbara Denz (NDR). Gefördert durch die MSH – Gesellschaft zur Förderung audiovisueller Werke in Schleswig-Holstein mbH und durch die Kulturelle Filmförderung Schleswig-Holstein e.V.

Seine Kinopremiere feiert der Film „Das Dorforchester“ am Freitag, den 11.1.2008 in Kiel, im Kommunalen Kino in der Pumpe, Haßstr. 22. Zur Feier des Tages gibt es Livemusik. Die 30 Personen starke Feuerwehrkapelle aus Jevenstedt spielt auf.

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