12. Filmfest Schleswig-Holstein – Augenweide 2008
Dokumentarfilmmachen, ein genehmigungsfähiges Hobby?
Werkstattgespräche „Dokumentarische Formate“ beim 12. Filmfest Schleswig-Holstein – Augenweide 2008
„Werkstattgespräche ’Dokumentarische Formate’“ lautete der Titel einer zweiteiligen Diskussionsveranstaltung mit Podium, die die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein als Auftakt zur Augenweide 2008 vor das eigentliche Filmfestival gesetzt hatte. Ziel war es, Filmemacher und Filmemacherinnen hier im Norden Perspektiven aufzuzeigen, welche Produktionen sich wie am besten vermarkten ließen. Dazu sollten Einblicke auf den deutschen Markt gegeben und Möglichkeiten internationaler Finanzierungen über Koproduktionen und pre-sale erläutert werden.
Wer als Filmemacher in Zeiten schrumpfender Dokumentarfilmbudgets womöglich darauf gehofft hatte, seine Filme über internationale Koproduktionen oder Verkäufe zu finanzieren (wohl kaum einer unter den Anwesenden), wurde durch Olaf Grunert (leitender Redakteur der Redaktion für Themenabende bei Arte) und Heino Deckert, Produzent aus Leipzig (ma.ja.de Filmproduktion und Weltvertrieb Deckert Distribution) sehr schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Eigentlich lohnen sich solche Vorhaben meist nur bei Budgets ab 400.000 Euro für 60-minütige Filme oder ab 700.000 Euro für 90-Minüter, so Deckert. Am besten würden sich kleine, ganz spezielle Geschichten verkaufen, die große, universale Themen wie z.B. Liebe oder Tod spiegeln. Oder die Projekte müssen für Grunert schon einen gewissen „Primetime-Faktor“ besitzen, was auch immer das im einzelnen sein mag.
Auch im nationalen Bereich zeigte sich wieder einmal, dass die Finanzierung und Vermarktung von Dokumentarfilmen eine schwierige Aufgabe ist. Barbara Denz, Redakteurin beim NDR in Hamburg, hob zum einen hervor, dass ihr Sender sehr viele dokumentarische Formate ausstrahle, beklagte aber auf der anderen Seite die geringen finanziellen Mittel, die ihr zu Verfügung stünden, um Dokumentarfilme anzukaufen oder zu koproduzieren. Nachdem sich der Sender in Zeiten schwindender Budgets stärker den Sendeplätzen und Formaten mit höheren Zuschauerquoten zugewandt und sich in den letzten fünf Jahren mehr oder weniger vom klassischen Dokumentarfilm verabschiedet habe, fände seit neuestem ein Umdenken statt. Dem Dokumentarfilm würde wieder eine gewisse Existenzberechtigung zugesprochen. Allenthalben sei man auf der Suche nach dem attraktiven Format, nach dem Neuen. Dabei mischten sich die Formate immer mehr. Man versuche, sein Publikum neu zu finden. Man wisse nur noch nicht, wo es sei und was man ihm bieten solle. Olaf Grunert konstatierte in diesem Kontext, dass sich Reenactment und Dokusoap, lange Zeit „sichere Nummern“, totgelaufen hätten.
Selbst bescheidenere Hoffnungen wurden vom Podium gedämpft. Ein „kleines, nettes Feature“ zu produzieren und dann per Vertrieb zu verkaufen, könne man vergessen, so Deckert. Auch auf Kinoerlöse zu setzen, sei unrealistisch. Im Kino gebe es sowieso nichts zu verdienen, vom ein bis zwei deutschen Filmen pro Jahr einmal abgesehen (wie z.B. „Full Metall Village“ im letzten Jahr). Man müsse nur mit den Filmen in den verstopften Kinomarkt (über 500 Neustarts im letzten Jahr), weil man Filmförderung bekommen habe und die Förderungen einem immer öfter, wie z.B. Filmboard Berlin Brandenburg, eine Kinoauswertung vorschrieben. Fernsehsender tätigten ihre Einkäufe lieber in großen Paketen, statt sich mit Einzelfilmen zu mühen, sagte Grunert. Katrin Lemme (Lemme Filmproduktion) unterstrich, dass sie als Dokumentarfilm-Produzentin auf Filmförderung nicht verzichten könne, und sprach in diesem Zusammenhang bei Filmen mit einer Herstellungssumme von unter 120.000 Euro von einem „genehmigungsfähigen Hobby“.
Allenthalben Klagen auf hohem Niveau. So blieb es Bernd Günther Nahm von der Filmwerkstatt Kiel als Veranstalter vorbehalten, ein paar optimistische Akzente zu setzten, als er auf das Internet hinwies und darauf, dass es in Zukunft fraglich sei, ob die Förderungen den Filmen ihren Weg zum Publikum vorschreiben könnten. Auch bei den Förderungen sei ein Umdenken im Gange, und vieles würde sich in den nächsten fünf Jahren ändern. (hsch)