49. Nordische Filmtage Lübeck

49. Nordische Filmtage Lübeck: Die Preisträger

Die rabenschwarze Komödie „Die Kunst des negativen Denkens“ von Bråd Breien aus Norwegen ist der Gewinner des NDR-Filmpreises auf den 49. Nordischen Filmtagen Lübeck. Der Film behandle „das Thema Behinderung schonungslos, konsequent und mit radikalem Witz“, ohne dabei denunzierend zu sein. „Eine großartige Regieleistung des auch für das Drehbuch verantwortlichen Debütfilmemachers Bråd Breien“, urteilt die Jury des NDR-Filmpreises, der neben der Schauspielerin Inga Busch und dem Produzenten Hannu Salonen auch der Schauspieler Denis Moschitto, die Produzentin Ute Schneider und die NDR-Redakteurin Karen Matthiesen angehören.

Das schwedische Drama „Wen man liebt“ von Åke Sandgren räumte gleich zwei Preise auf den Nordischen Filmtagen Lübeck ab: Die ergreifende Geschichte über eine von Gewalt geprägte Liebesbeziehung wurde sowohl mit dem Baltischen Filmpreis für einen nordischen Spielfilm als auch mit dem Kirchlichen Filmpreis Interfilm ausgezeichnet.

Der begehrte Publikumspreis der „Lübecker Nachrichten“ ging an „Mit offenen Armen“ des Schweden Johan Brisinger. In dem gefühlvollen Familiendrama müssen ein Vater und sein Sohn über den Verlust von Mutter und Bruder hinwegkommen.

Den Dokumentarfilmpreis der Lübecker Gewerkschaften gewann „Asyl“ aus Finnland. Regisseurin Jenni Linko prangert darin die Unmenschlichkeit von Asylbewerbungsverfahren an.

Der Kinder- und Jugendfilmpreis der Nordischen Filminstitute wurde an den schwedischen Film „Hoppet“ von Petter Næss vergeben. Er erzählt von zwei kurdischen Flüchtlingskindern, die in der harten Wirklichkeit Schwedens zurecht kommen müssen. Der Preis der Kinderjury ging an Raimo O Niemis „Das Geheimnis des Wolfs“ aus Finnland, eine Abenteuergeschichte um die Rettung zweier Wolfsjunge.

Kurzfilmpreise im Filmforum Schleswig-Holstein

Im Rahmen der Kurzfilmnacht im Filmforum Schleswig-Holstein wurden der Cinegate- und der ComLine-Preis an Marcus Richardts „Mars“ sowie „Dionysos“ von Jörg Weidner und Anke Späth verliehen. Zudem erhielten „Doppelmord“ von Dana Linkiewicz und „The Dead Meat“ von Philipp Scholz jeweils eine lobende Erwähnung.

Norddeutscher Filmpreis

Erstmals hat die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein in diesem Jahr den Norddeutschen Filmpreis in drei Kategorien verliehen: Der mit 20.000 Euro dotierte Norddeutsche Filmpreis für den „Besten Spielfilm“ ging an „Auf der anderen Seite“ von Fatih Akin. Akin selbst hat den Film, der seit Ende September in den bundesdeutschen Kinos läuft, gemeinsam mit Klaus Maeck produziert (Corazón International, Hamburg). Besonders beeindruckt hat die Jury die Intensität des Films, der mit Hilfe „einer starken Sogkraft von Bildsprache und Figuren eine faszinierende Nachdenklichkeit provoziert“.

Der mit 10.000 Euro dotierte Norddeutsche Filmpreis in der Kategorie „Bestes Drehbuch“ geht an zwei Autoren: Ausgezeichnet wurden Gernot Gricksch für das Drehbuch „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“ und Daniel Nocke für das Buch zu dem Film „Die Katze“.

Mit dem Preis für die „Beste Dokumentation“, dotiert mit 15.000 Euro, honoriert die Jury die intensive mehrjährige Recherchearbeit der beiden Autoren Barbara Siebert und Eric Friedler, die von Eric Friedler in seinem Film „Das Schweigen der Quandts“ in beeindruckender Weise umgesetzt wurde. Der Film beschreibt die Entwicklung der Industriellenfamilie Quandt zu einer der reichsten und möglicherweise einflussreichsten Familien in Deutschland, die sich bislang niemals in der Öffentlichkeit geäußert oder dargestellt haben.

Der mit 10.000 Euro dotierte Preis für besondere Verdienste der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein geht an Detlev Buck, den „Botschafter des Nordens“, für sein norddeutsches Engagement: Wie kaum ein anderer hat Buck mit einem unverwechselbaren Humor die norddeutschen Eigenarten einem breiten Kinopublikum bekannt gemacht.

Die Preise und Jurybegründungen

NDR-Filmpreis

Kunsten å tenke negativt / Die Kunst des negativen Denkens, Regie: Bråd Breien, Norwegen 2006

Jurybegründung: Wir vergeben den Preis an „Die Kunst des negativen Denkens“ von Bråd Breien, weil der Film das Thema Behinderung schonungslos, konsequent und mit radikalem Witz behandelt. Dabei ist er niemals denunzierend. Wenn sich wahrhaftige Figuren mit Schuldgefühlen auf Seiten der Behinderten und Nichtbehinderten entblößen, wirkt es auf den Zuschauer wunderbar befreiend. Eine großartige Regieleistung des auch für das Drehbuch verantwortlichen Debütfilmemachers Bråd Breien.

Publikumspreis der „Lübecker Nachrichten“

Underbara älskade / Mit offenen Armen, Regie: Johan Brisinger, Schweden 2006

Baltischer Filmpreis für einen nordischen Spielfilm

Den man älskar / Wen man liebt, Regie: Åke Sandgren, Schweden 2007

Jurybegründung: Der Baltische Filmpreis für einen nordischen Spielfilm geht an „Wen man liebt“ von Åke Sandgren für seine insistierende und offene filmische Erzählweise, mit der er eine Geschichte entwickelt, die noch lange nach Ende des Films beim Zuschauer verweilt und uns von Angesicht zu Angesicht mit uns selbst zurücklässt.

Kirchlicher Filmpreis Interfilm

Den man älskar / Wen man liebt, Regie: Åke Sandgren, Schweden 2007

Jurybegründung: „Wen man liebt“ thematisiert die Komplexität von Gewalt, Abhängigkeit und Liebe. Der Film vermeidet jegliche Festschreibungen durch ständigen Perspektivwechsel und die exzellente schauspielerische Leistung. Trotz der drastischen Schilderung des destruktiven Potentials in der Liebe lässt der Film die Hoffnung zu, dass Liebe auch die Kraft hat, Menschen zu verändern und ihrem Leben eine neue Zukunft zu geben.

Dokumentarfilmpreis der Lübecker Gewerkschaften

Turvapaikka / Asyl, Regie: Jenni Linko, Finnland 2006

Jurybegründung: Der Regisseurin Jenni Linko und ihrem Team gelingt es, das schwierige Thema der Asylbewerbungsverfahren eindrucksvoll darzustellen. Die Stimmung und der Druck, die während eines Verfahrens auf den jungen Menschen lasten, sind fast physisch spürbar. Es ist zu hoffen, dass Jenni Linko mit dem Aufzeigen der Unmenschlichkeit der Verfahren und bürokratischer Entscheidungen das Denken der politisch Verantwortlichen in eine andere Richtung lenkt.

Kinder- und Jugendfilmpreis der Nordischen Filminstitute

Hoppet, Regie: Petter Næss, Schweden 2007

Jurybegründung: „Hoppet“ erzählt beeindruckend die Geschichte des kurdischen Jungen Azad, der für seinen älteren traumatisierten Bruder Tigris die Verantwortung übernimmt und trotzdem in der harten Wirklichkeit Schwedens das Träumen nicht verlernt. Die Stärke des Hauptdarstellers ist auch die Stärke des Films. Eingebettet in ein großartiges, sehr stimmiges Ensemble taucht man mit dem zwölfjährigen Azad in die für ihn fremde Welt Stockholms ein. Das ist nicht nur gut inszeniert, sondern ebenso eindrucksvoll gefilmt. Dass man an sich selbst nicht den Glauben verlieren darf und es sich lohnt für die eigenen Träume zu kämpfen, davon erzählt „Hoppet“ emotional berührend.

Lobende Erwähnungen:

Linas kvällsbok / Linas Tagebuch, Regie: Hella Joof, Schweden 2007

Jurybegründung: „Linas Tagebuch“ zeichnet sich durch den besonders offenen aber nie grenzüberschreitenden Umgang mit den ersten Erfahrungen in Sachen Sexualität aus. Dabei ist der Film weder plump noch plakativ. Die Inszenierung nimmt die Figuren in ihren Befindlichkeiten ernst, wobei auch der Unterhaltungswert nicht zu kurz kommt.

Elias og kongeskipet / Elias und die königliche Yacht, Regie: Espen Fyksen, Lise Osvoll, Norwegen 2007

Jurybegründung : Die Jury spricht eine zweite Lobende Erwähnung für den Animationsfilm „Elias und die königliche Yacht“ aus. Dass dieser handwerklich perfekt gemachte Animationsfilm aus Norwegen kommt, erfährt man nicht erst im Abspann: Um die Geschichte des liebenswerten Rettungskreuzers Elias zu erzählen, verleiht der Film Schiffen ein menschliches Antlitz und lässt die Handlung mit fantastischen Bildern in der norwegischen Fjordlandschaft spielen. Das Zusammenspiel zwischen Originalität und landestypischem Hintergrund ist bemerkenswert.

Preis der Kinderjury

Suden arvoitus / Das Geheimnis des Wolfs, Regie: Raimo O Niemi, Finnland 2006

Jurybegründung: Bei unserem Gewinner handelt es sich um eine spannende Abenteuergeschichte. Mit atemberaubenden Naturaufnahmen faszinierte und fesselte uns der Film, berührte uns aber gleichzeitig mit ernsten familiären Konflikten und Unglücken. Zudem ist die herausragende schauspielerische Leistung der Hauptdarstellerin zu erwähnen, die mit ihren mutigen nahezu halsbrecherischen Aktionen ein wahres Abenteuer schafft.

Lobende Erwähnung:

Hoppet, Regie: Petter Næss, Schweden 2007

Jurybegründung: Petter Næss hat uns mit seinem rührenden Film „Hoppet“ durch seine vielfältige Thematik Einblicke in eine andere, für uns unbekannte, Welt gegeben, die einen zum Nachdenken veranlasst.

ComLine-Preis

Dionysos, Regie: Jörg Weidner und Anke Späth, Deutschland 2007

Jurybegründung: Wir vergeben den Comline-Preis an den Animationsfilm „Dionysos“ von Jörg Weidner und Anke Späth, weil es dem Film überzeugend gelingt, auf der Bildebene sein Thema in unterschiedlichen Materialien zu erzählen.

Lobende Erwähnung:

The Dead Meat, Regie: Philipp Scholz, Deutschland 2007

Jurybegründung: Der Film „The Dead Meat“ wird lobend erwähnt, weil Philipp Scholz den Zuschauer auf eine kurze, intensive Reise mitnimmt, auf der viele Spuren gelegt werden.

Cinegate-Preis

Mars, Regie: Marcus Richardt, Deutschland 2007

Jurybegründung: Gegenläufig zum Kriegsgott Mars, der dem Film den Titel gegeben hat, zeigt der gelungene Kurzspielfilm von Marcus Richardt charakteristische Szenen des gegenwärtigen Phänomens der gewaltbereiten Mädchengang.

Lobende Erwähnung:

Doppelmord, Regie: Dana Linkiewicz, Deutschland 2007

Jurybegründung: Wir möchten zugleich den Kurzspielfilm „Doppelmord“ lobend erwähnen, weil es dem Streifen gelingt, in wenigen Minuten in tragödienhafter Zuspitzung den Untergang einer Ehe darzustellen.

Norddeutscher Filmpreis: Bester Spielfilm

Auf der anderen Seite, Produktion: Corazón International, Hamburg (Fatih Akin, Klaus Maeck, Andreas Thiel), Deutschland 2007

Jurybegründung: „Auf der anderen Seite“ ist eine raffiniert ineinander verschachtelte Geschichte mit berührenden zwischenmenschlichen Momenten und von hoher Emotionalität. Mit dem Preis für den „Besten Spielfilm“ zeichnet die Jury einen ungewöhnlich intensiven Film aus, der mit Hilfe einer starken Sogkraft von Bildsprache und Figuren eine faszinierende Nachdenklichkeit provoziert sowie Generationen- und politische Konflikte inmitten der Magie und dem Charme von Istanbul kraftvoll auf die Leinwand projiziert. Der Film hat zahlreiche nationale und internationale Preise erhalten. Auf Grund seiner herausragenden Qualität hat sich die Jury entschieden, nun auch den Norddeutschen Filmpreis 2007 für den Film „Auf der anderen Seite“ zu vergeben.

Norddeutscher Filmpreis: Bestes Drehbuch

Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe, Drehbuch: Gernot Gricksch, Deutschland 2007

Jurybegründung: Gernot Gricksch Drehbuch hat die Jury durch seine ausgesprochen sympathische Leichtigkeit und den subtilen Humor überzeugt, die sich durch die gesamte Geschichte zieht. In „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“ erzählt der Autor, welch seltsam-verrückte Wege sich die Liebe – mit all ihren Höhen und Tiefen – innerhalb einer Familie sucht und findet. Ihm ist damit eine höchst amüsante Screwball-Komödie gelungen, die sich ohne Abstriche mit den klassischen Vorgängern der 40er und 50er Jahre messen kann. Besondere Anerkennung gebührt dem Autor für die Leistung, seinen eigenen Roman in ein rundherum überzeugendes Drehbuch umzusetzen.

Die Katze, Drehbuch: Daniel Nocke, Deutschland 2007

Jurybegründung: Die Qualität von Daniel Nockes Drehbuch liegt nach Auffassung der Jury in einer beeindruckenden Klarheit und Genauigkeit. Der Autor erzählt darin eine Beziehungsgeschichte von zwei älteren Menschen aus unterschiedlicher sozialer Herkunft, die mehr aus Angst vor dem Alleinsein als aus Zuneigung heiraten. Daniel Nocke arbeitet mit präzisen, schnörkellosen Bildern und hat mit Hilfe einer selten gewordenen Reduzierung erzählerischer Mittel ein intensives Kammerspiel geschaffen. „Die Katze“ ist ein tief berührendes Drama, das von lakonischen, kraftvollen Dialogen lebt und sich souverän von der Romanvorlage abzuheben versteht.

Norddeutscher Filmpreis: Beste Dokumentation

Das Schweigen der Quandts, Regie: Eric Friedler, Deutschland 2007

Jurybegründung: Mit dem Preis für die „Beste Dokumentation“ honoriert die Jury die intensive mehrjährige Recherchearbeit der beiden Autoren Barbara Siebert und Eric Friedler, die von Eric Friedler in beeindruckender Weise umgesetzt wurde. Der Film beschreibt die Entwicklung der Quandts zu einer der reichsten und möglicherweise einflussreichsten Familien in Deutschland, die sich bislang niemals in der Öffentlichkeit geäußert oder dargestellt haben. Die Ausstrahlung des Films hat jetzt dazu geführt, dass sich die Familie Quandt nach über 60 Jahren mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzen und ihr Schweigen beenden will. Auch für dieses eindrucksvolle Ergebnis, unzweideutig ein Höhepunkt investigativer journalistischer Tätigkeit, möchte die Jury Eric Friedler den Regiepreis für die beste Dokumenta
ion zuerkennen.

Norddeutscher Filmpreis: Preis für besondere Verdienste

Detlev Buck

Jurybegründung: Der Norddeutsche Filmpreis für besondere Verdienste um die norddeutsche Region geht an einen Schauspieler, Autoren, Produzenten und Regisseur, der nicht nur mit seinen Komödien den Heimatfilm neu definiert hat. Mit einem liebevollen Blick und viel Humor hat er die Besonderheiten und Eigenarten der norddeutschen Tiefebene und deren Bewohner bis ins bayerische Oberland einem bundesweiten Kinopublikum näher gebracht. Ob Milieustudie, Komödie, Kinder- oder Werbefilm, es ist die Lust am Erzählen, die genaue und immer respektvolle Zeichnung der Charaktere und die poetische Kraft seiner Bilder, die Detlev Buck so unverwechselbar machen.

(nach Pressemitteilungen der Nordischen Filmtage Lübeck)

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