Grenzgänger und Unruhestifter
Kurzfilmtage Oberhausen untersuchen in einem großen thematischen Programm den politischen Film nach 9/11
Keine Frage wurde hier so kontrovers diskutiert wie die des politischen Films: der Ost-West-Konflikt, das politische Engagement, die deutsche Filmförderung – in Oberhausen liefen die passenden Filme und fanden die Skandale statt. Heute erleben politische Filme angesichts von Ausnahmezuständen, Irakkrieg, zunehmender Globalisierung sowie neuer alter Klassenkonflikte eine Renaissance. Doch während die aktuellen Langfilme Politik oft über den Inhalt definieren und formal zumeist bei klassischen narrativen und dokumentarischen Mustern bleiben, agierten und agieren Künstler und Kurzfilmemacher schon längst viel freier in Form und Inhalt – schneller, härter, experimenteller und kontroverser.
Mit „Grenzgänger und Unruhestifter“, kuratiert von Sherry Millner und Ernest Larsen (USA) und Madeleine Bernstorff (Deutschland), fragen die Kurzfilmtage nun in zehn Filmprogrammen, einer Performance und einer Diskussion, ob und wie sich der politische (kurze) Film im Lauf der Geschichte verändert hat: Gibt es eine neue Generation politischer Filmemacher? Wie sehen ihre Filme aus? Unterscheiden sich die ästhetischen Strategien des filmischen Widerstands?
„Die Welt hat sich seit 9/11 verändert: Die USA sind die einzig verbliebene Supermacht, Besatzungsmacht im Irak, Afghanistan, in Guantanamo, täglich wird uns die Globalisierung um die Ohren geschlagen – unsere Frage war, ob und wie Filmemacher auf diese Situation heute reagieren, und so sind auch knapp die Hälfte der Filme im Programm Produktionen aus den letzten Jahren. Wir wollen Filme zeigen, die sich jeder schnellen Klassifizierung widersetzen, die Grenzen übertreten, konventionelle Vorstellungen von Fakt und Fiktion, dokumentarisch oder experimentell durcheinander bringen – ein Programm, das an unserer seit 9/11 festgefahrenen Weltsicht rüttelt“, so Kurator Ernest Larsen.
„Grenzgänger und Unruhestifter“ umfasst mehr als 60 Filme, die zusammen über 100 Jahre Filmgeschichte abdecken, vom Pathé-Beitrag La Grève des bonnes von 1906 bis zu DeeDee Hallecks und Deep Dishs Performance-Dokument Church of Stop Shopping Confronts Gentrification von 2008. Das Programm ist thematisch strukturiert, unter anderem mit Kapiteln zu Müll, Kapitalverbrechen, Performance als politischer Intervention, kollektivem Widerstand, zu den mexikanischen Super-Ocheros, einer Bewegung, die auf die gewalttätige Unterdrückung des politischen Widerstands und die Zensur in Mexiko nach 1968 reagierte, und natürlich einem Kapitel zu Filmen, die in Oberhausen liefen – oder auch nicht liefen.
Zu den Gästen, die in Oberhausen für dieses Programm persönlich anwesend sein werden, gehören Alonzo Crawford, Galit Eilat, Kevin Everson, Birgit Hein, Álvaro Vázquez Mantecón, Martha Rosler, Rasha Salti, Hito Steyerl, Pawel Wojtasik, Zelimir Zilnik, Vertreter des Chiapas Media Project und von Meine Akademie, sowie Michael Mandiberg, der mit mandiberg.com einen der einflussreichsten politischen Blogs unterhält.
Mit Filmen sind vertreten: Chris Marker, Zelimir Zilnik oder Gunvor Nelson, Filme von Künstlern wie Joseph Beuys und Birgit Hein, Arbeiten von Buñuels Kameramann Elie Lotar, von Pere Portabella, Heynowski und Scheumann, Pedro Costa, Millner/Larsen, Vlado Kristl, Straub/Huillet, Joyce Wieland, Carole Roussopoulos und Delphine Seyrig, Allan Sekula, Rabih Mroué u.v.m.
(nach einer Pressemitteilung der Kurzfilmtage Oberhausen)