54. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen: Die Wettbewerbe

132 kurze Filme und Videos aus 47 Ländern bewerben sich in den vier Wettbewerben der 54. Kurzfilmtage Oberhausen (1. bis 6.5.2008) um Preisgelder in Höhe von 38.500 Euro. Sehr zufrieden mit der Auswahl äußert sich Festivalleiter Lars Henrik Gass: „Wir sehen ganz deutlich den Willen der Filmemacher, Widerstand gegen die standardisierte Bilderwelt der Medien zu leisten, Alternativen zu finden, narrativ oder abstrakt. Daraus entspringt die Kraft der kurzen Form, die künstlerische Sprache des bewegten Bildes immer wieder zu erneuern, daraus entspringt für mich auch die Qualität unserer diesjährigen Wettbewerbe.“

Eingereicht wurden 5.840 Arbeiten aus 87 Ländern – rund 650 Produktionen weniger als 2007. „Hier haben sich unsere neuen Einreichbedingungen bewährt. Mit dem Rekord im letzten Jahr hatten wir die Grenzen unserer Kapazität mehr als erreicht. Wir sind stolz, dass die Kurzfilmtage nach wie vor für Filmemacher aus der ganzen Welt so attraktiv sind, doch jetzt bewegt sich die Zahl der Einreichungen wieder in einem handhabbaren Rahmen, ohne dass wir Einbußen an der Qualität feststellen mussten“, sagt Lars Henrik Gass. Zu den neuen Einreichbedingungen der 54. Kurzfilmtage gehören eine strengere Handhabung des Einsendeschlusses, die Beschränkung auf DVD als Sichtungsformat sowie der Verzicht auf DVD als Vorführformat.

Der Internationale Wettbewerb


62 Beiträge aus 42 Ländern (im Vorjahr 64 Beiträge aus 37 Ländern). Mit fünf Beiträgen schickt das traditionell starke Großbritannien die meisten Arbeiten in den Wettbewerb, gefolgt von der großen Überraschung Finnland mit vier Produktionen. „Wir waren beeindruckt von der Qualität der finnischen Einreichungen, hier einen Trend herauszulesen, wäre allerdings verfrüht“, kommentiert Hilke Doering von der Leitung des Internationalen Wettbewerbs. „Im Ganzen haben wir eine sehr schöne Mischung von Beiträgen aus allen fünf Kontinenten, die auch dieses Jahr wieder Entdeckungen aus kleineren Filmnationen wie Kuba, Kasachstan, Kolumbien oder Marokko bietet.“ Deutschland konkurriert mit „The Meadow“ von Bjørn Melhus im Internationalen Wettbewerb.

Bjørn Melhus, der von der Galerie Anita Becker vertreten wird, ist nur ein Beispiel für die zahlreichen KünstlerInnen, die auch 2008 wieder Arbeiten nach Oberhausen geschickt haben. Darunter sind Manon de Boer, die gerade im Frankfurter Kunstverein mit „Die Zeit, die bleibt“ eine große Ausstellung hat, die israelische documenta 12-Künstlerin Yael Bartana, die Britinnen Emily Wardill und Susanna Wallin oder der estnische Videokünstler Jaan Toomik. Der Gewinner des Großen Preises 2007, Pavel Medvedev, kommt mit seiner neuen Arbeit „Nezrimoe“ („Das Unsichtbare“) wieder nach Oberhausen, mit einem Blick hinter die Kulissen des Gipfels in St. Petersburg. Alte Bekannte in Oberhausen sind auch der Argentinier Claudio Caldini, der Kanadier Mike Hoolboom, Alina Rudnitskaya aus Russland, Aina Smid und Marina Grzinic aus Slowenien oder der Amerikaner Jem Cohen.

Der Deutsche Wettbewerb


22 Beiträge (im Vorjahr 27). Im Deutschen Wettbewerb zeigen die Kurzfilmtage 22 Produktionen, fünf weniger als im Vorjahr. Ein Grund dafür: Fünf Dokumentarfilme von je rund 30 Minuten Länge stellen bei ca. 320 Programm-Minuten insgesamt schon die Hälfte des Volumens. Ob die junge Filmemacherin Bettina Timm in „Cosmic Station“ eine fast vergessene astronomische Station in Armenien ausfindig macht oder ob die Künstler Andree Korpys und Markus Löffler in „Eure Kinder werden so wie wir“ die Massenchoreografien von Protest und Staatsgewalt von Gorleben bis Heiligendamm verfolgen: „Diese Dokumentarfilme beobachten genau, sind souverän gemacht und setzen den gängigen Fernseh-Schablonen einen dezidiert anderen Blick entgegen, eine Herangehensweise, die die Beteiligung der Zuschauer einfordert“, so Carsten Spicher, Leiter des Deutschen Wettbewerbs.

Mit Rainer Komers, Christoph Girardet, Volker Schreiner oder Hanna Nordholt und Fritz Steingrobe haben einige alte Oberhausener neue Arbeiten im Wettbewerb. „Insgesamt haben wir eine Zusammenstellung, die sowohl jüngere als auch bereits etablierte Filmemacher vereint. Unser Programm zeigt, dass der Kurzfilm weder ein Talent Campus für Anfänger ist noch das Auslaufmodell alter Meister“, sagt Carsten Spicher. Besonders erfreulich: Lola Randl und Rainer Egger, die mit „Morbus Bechterew“ im letzten Jahr den Publikumsliebling der Kurzfilmtage ablieferten, haben, vom Erfolg in Oberhausen angespornt, den Film zur Serie weiter entwickelt; man darf also gespannt sein auf die Fortsetzung, „Die Leiden des Herrn Karpf – Der Besuch“.

Der 10. MuVi-Preis für das beste deutsche Musikvideo


12 Kandidaten (im Vorjahr 12). Mit 180 Clips ist die Zahl der Einreichungen gegenüber den Vorjahren gesunken. „Wir sehen allerdings, dass die Labels uns heute Clips schicken, die zum MuVi passen, wo sie früher noch alle möglichen Videos eingereicht haben. Beim MuVi-Preis ging es von Beginn an um die Suche nach alternativen Ausdrucksformen, und mit diesem Profil scheinen wir ein Bedürfnis zu erfüllen, bei den Regisseuren, bei den Musik-Labels, aber auch vor allem beim Publikum“, kommentiert Jessica Manstetten, Leiterin der Oberhausener MuVi-Programme. Insgesamt schafft der MuVi-Preis mühelos den Spagat zwischen Produktionen großer Labels wie Sony, wo Sandeep Mehtas „Aus meinem Kopf“ für Erdmöbel erscheint, und Clips von freien Filmemachern oder winzigen Labels, wie „Real Snow“ von Lisa Rave für Kaspar Astrup Schröder. „Man kennt uns sogar schon so gut, dass wir liebevolle Parodien bekommen wie Luigi Archetti und Bo Wigets Bestes Deutsches Musikvideo, das wir in die Auswahl genommen haben.“

Mit drei Arbeiten von DVD-Kompilationen („Dot“, „Blackbird“ und „Terra Incognita“) bildet der 10. MuVi-Preis einen anhaltend großen Trend beim Musikvideo ab: Seit einigen Jahren veröffentlichen immer mehr Labels DVD-Kompilationen mit Clips und Visuals, immer mehr Clips werden für solche Auswertungszusammenhänge produziert. „Natürlich sind die Produktionsbudgets in den letzten zehn Jahren kleiner geworden. Vor zehn Jahren haben wir auch mehr Performance-Clips gesehen, bei denen der Star oder die Band im Mittelpunkt stand. Doch gerade der Aufstieg der DVD-Kompilation zeigt, dass es anscheinend ein Grundbedürfnis des Publikums nach visueller Umsetzung von Musik gibt, das auch der MuVi-Preis erfüllt“, so Jessica Manstetten.

Bis zum 1. Mai kann im Internet noch über den MuVi Online-Publikumspreis abgestimmt werden, und zwar auf www.muvipreis.de. Dazu steht eine kleine MuVi-Retro online, mit Highlights aus der zehnjährigen MuVi-Geschichte.

31. Kinder- und Jugendfilmwettbewerb

42 Beiträge aus 21 Ländern (im Vorjahr 46 Beiträge aus 28 Ländern). Mit acht Produktionen hat Deutschland die meisten Filme im Programm, ebenfalls stark sind die Niederlande mit sechs Filmen und Großbritannien mit fünf Arbeiten. Erstaunlich viele Filme – vier – kommen aus der Schweiz. Die skandinavischen Länder dagegen sind mit nur je einem Film aus Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland diesmal schwächer vertreten. Natürlich fehlen auch 2008 die herausragenden Animationen für die ganz Kleinen ab drei und Filme für Kinder im Grundschulalter nicht. Auffällig in diesem Jahr jedoch: Sehr viele Filme beschäftigen sich mit Jugendlichen im Teenager-Alter. „Wir haben ungewöhnlich viele gute Einreichungen bekommen, die sich mit dem Leben Jugendlicher auseinandersetzen, und uns deshalb entschieden, dies in unseren Programmen zu würdigen“, sagt Anja Schmid, Leiterin des Kinder- und Jugendkinos 2008. „Auch deshalb, weil Oberhausen eines der wenigen Festivals ist, das Programme speziell für diese Altersgruppen zeigt.“

Die großen Themen in diesem Jahr sind Städte und Medien, vor allem bei den Filmen für Jugendliche. Insbesondere die Auseinandersetzung mit den Medien, die Jugendliche heute nutzen, beschäftigt viele Filme: Internet, Handy, Videoblog oder Webcam sind selbstverständliche Teile ihrer Lebenswelt, ob in dem niederländischen Film „MissiePoo16“ von Anna van der Heide, in dem ein junges Mädchen mit ihrem Videoblog ein gefährliches Spiel mit der Macht des Internets treibt, oder in Stefan Schallers „Böse Bilder“, ein deutscher Spielfilm, der sich mit dem Sog von Handy-Gewaltfilmen auseinandersetzt.

(nach einer Pressemitteilung der Kurzfilmtage Oberhausen)

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