Diskussion um neuen Medienstaatsvertrag
Anke Spoorendonk (SSW) zum Gesetz zum Medienstaatsvertrag HSH
Der vorgelegte Medienstaatsvertrag ist der faktische Abschied einer lebendigen Medienlandschaft in unserem Land. Zwei Anstalten werden fusioniert – vorher wird aber die ULR erst einmal in der Mitte durchgeteilt, indem ihr die Kompetenz für den Offenen Kanal abgenommen wird. Insgesamt gilt: Die neue Medienanstalt wird Kompetenzen aus Schleswig-Holstein abziehen, Kompetenzen abgeben und Unabhängigkeit verlieren. Nicht hinnehmbar ist schließlich auch, dass sich die beiden Landesregierungen wesentliche Einflussmöglichkeiten auf die Arbeit der neuen Medienanstalt sichern. So können sie mit unbegrenzter Mitarbeiterzahl an den Sitzungen des Medienrates teilnehmen und müssen dort auch jederzeit gehört werden.
Auch inhaltlich ist der Vertrag höchst problematisch. – Soll heißen, dass die Digitalisierung der Medien andere Hör- und Sehgewohnheiten nach sich ziehen wird. Die Bundeskanzlerin hat bereits darauf reagiert, indem sie regelmäßig ihren eigenen Video-Podcast anbietet. Doch das Land Schleswig-Holstein verabschiedet sich aus dieser Entwicklung, indem es sich mutwillig zum Wurmfortsatz einer Hamburger Medienpolitik machen lässt. Mehr als eine Medienzulassungsbehörde wird bei der neuen Anstalt nicht herauskommen. Eine Beratung und Förderung des dualen Rundfunks unterbleibt! Das hat sogar die Betreiber privater Sender auf den Plan gerufen, die sich vertraulich an Hamburgs Wirtschaftssenator gewandt haben und das Ausbleiben einer Förderung beklagten.
Auch im Bereich der Forschung wird es keine ernsthaften Signale aus dem Norden geben, denn der Vertrag sieht Forschung nicht vor. Neue Plattformen mit einem gemischten Angebot passen mit anderen Worten nicht in das Zulassungsrecht des neuen Staatsvertrages. Das wäre so, als würde man der Automobilindustrie die Entwicklung neuer Motoren verbieten. Die Kritiker nennen die neue Anstalt denn auch zutreffend Rumpfanstalt, die sich vieler, notwendiger Steuerungsinstrumente versagt.
Was übrig bleibt, ist eine Medienanstalt, die lediglich Lizenzen vergibt. Aber nicht einmal das macht sie laut Staatsvertrag besonders gut. Als Beispiel sei das Thema terrestrische Übertragungskapazitäten genannt: Das Schiedsverfahren, das in § 22 vorgestellt wird, ist derartig kompliziert, dass eine Klärung sehr unwahrscheinlich ist. Man könnte fast der Meinung sein, dass eine Klärung gar nicht beabsichtigt ist. Der SSW schließt sich daher der ULR an, die stattdessen die Übernahme des bewährten Verfahrens aus Mecklenburg-Vorpommern empfiehlt, das die Entscheidung den Medienanstalten überträgt statt einer Schiedsstelle.
Der Gesetzentwurf zum Offenen Kanal deutet aus Sicht des SSW darauf hin, dass die Zukunft des Offenen Kanals eher ungewiss ist. Denn eine Anstalt, die für den Offenen Kanal in Schleswig-Holstein zuständig ist, muss erst noch gegründet werden – wo auch immer und wann auch immer. Bürgerfernsehen und Bürgerradio entsprechen offensichtlich nicht mehr dem politischen Willen der Großen Koalition. Darum besiegelt der Staatsvertrag das Ende des Offenen Kanals gleich mit. Die wachsende Blogger-Szene im Internet zeigt aber gerade, dass Bürger sich gern und vor allem kompetent zu Wort melden wollen. Aufgabe des Staates muss es sein, diese Möglichkeiten zuzulassen. Der SSW befürchtet vor diesem Hintergrund, dass gewachsene Strukturen zerschlagen werden. Der Offene Kanal Flensburg – ich empfange ihn selbst – fördert Sendungen in dänischer und nicht zuletzt friesischer Sprache, indem er zuletzt beispielsweise alle Beiträge des Vorlesewettbewerbs „ferteel iinjsen“ dokumentierte. Es stimmt schon bedenklich, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Kultur- und Spracheigenheiten Schleswig-Holsteins dadurch einfach einebnet. Auch die Medienkompetenz kommt in dem neuen Vertrag überhaupt nicht mehr vor. Gerade das ist aber ein Feld, auf dem der Offene Kanal in den letzten Jahren Hervorragendes geleistet hat.
Und nun noch ein Wort zum geplanten Standort Norderstedt: Dieses Feigenblatt hätte man sich aus unserer Sicht sparen und gleich bestehende Räume in Hamburg ausweiten können. Norderstedt als faktischer Vorort von Hamburg ist für eine politische Ausrichtung des Medienstandortes Schleswig-Holstein denkbar ungeeignet. Eine gleichrangige Fusion auf Augenhöhe sieht jedenfalls anders aus! Der Landesteil Schleswig hat bereits Schwierigkeiten, von Kiel aus adäquat wahrgenommen zu werden, von Norderstedt aus ist er allenfalls hinterstes Hinterland. Damit ist die Entscheidung für Norderstedt faktisch auch eine Benachteiligung der Berichterstattung der Minderheiten und über die Minderheiten. Steht die Abschaltung der dänischen Sender aufgrund der Einführung des digitalen Rundfunks bevor, fragt ein Forschungsvorhaben der ULR, das der Medienrat der ULR in seiner letzten Sitzung auf den Weg brachte. Ob sich eine Medienbehörde in Norderstedt in Zukunft ebenfalls mit dem gleichen Nachdruck mit den „Problemlagen beim Empfang dänischer Rundfunkprogramme in Schleswig-Holstein“ auseinandersetzen wird, sei dahin gestellt.
Der Personalrat äußert ebenfalls große Bedenken gegen den Standort Norderstedt, der die Mitarbeiter zu langen Fahrtzeiten zwingt. Ich hoffe nicht, dass durch die Wahl des Standortes Norderstedt Personal durch die kalte Küche vergrault werden sollte. Der SSW hätte es sich gewünscht, wenn betriebsbedingte Kündigungen im Staatsvertrag ausgeschlossen worden wären. Die gleiche Kritik äußern auch die Gewerkschaften, die die Fusion insgesamt sehr kritisch sehen. Ich kann mich insgesamt des Eindrucks nicht erwehren, dass die Mitarbeiter bei der Formulierung des Vertrages überhaupt nicht beachtet wurden. Die Spitze steht dagegen schon fest: nämlich mit dem Hamburger Lothar Jene. Zumindest in den Übergangsregelungen wären entsprechende Regelungen, zum Beispiel zur Vermeidung der Schlechterstellung der Mitarbeiter angezeigt gewesen. Das ist nicht geschehen. Für den SSW ein Grund mehr, die Gründung einer Medienanstalt Nord in der geplanten Form zurückzuweisen.
(Pressemitteilung des SSW, 28.6.2006)