FilmTrain 2004-2006

Porträt eines „netten Jungen“

„Sampling 16“ (Moses Benedikt Merkle, D 2006)

Jonatan, der „Held“ des Filmes „Sampling 16“ von Moses Merkle hält sich für „einigermaßen selbstständig“ und halb unausgesprochen in sympathischer Selbstüberschätzung mit seinen 16 Lenzen schon für ziemlich erwachsen. Der Film zeigt, wie er durch seine Lebensumstände zur Selbstständigkeit gebracht wurde. Aufgewachsen bei seiner allein erziehenden Mutter in der „Bauwagengemeinschaft Gerania“ am Kieler Timmerberg, hat er seinen Vater, der als Artistenclown in der Schweiz lebt und den das „Vatersein“ nach eigenem Bekunden nur unglücklich gemacht hätte, nur als Wochenendfreund bei gelegentlichen Besuchen kennen gelernt. Auch der Besuch der dänischen Schule in Eckernförde befördert seine wohltuende Selbstsicherheit, die seine freundliche Erscheinung ohne die oft teenagertypischen Überheblichkeiten auszuzeichnen scheint. Die „Mädels“ loben ihn amüsiert als „netten Jungen“ und auch als DJ kann er sein Ego bei Laune halten („der DJ erzieht die Leute“).

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Symapthisches Selbstbewusstsein: Jonatan

Ebenso wunderbar unverkrampft und gelassen wie sein Protagonist, entwirft auch Autor und Regisseur Moses Merkle sein halbstündiges Porträt über ein Jungen, der mit sich und seiner Umwelt im Reinen zu schein sein. En passant ohne dokumentarische Verkrampftheiten wird locker auch die Chronik der Vertreibung der Wagenburg Gerania vom Kieler Timmerberg erzählt. Man erlebt die kaum gebremste Wut und den unmittelbaren Frust von Jonatans Mutter Zissa, die den Liegenschaftsamtsleiter Mehrens als „Arschloch“ beschimpft, weil er ihre Wagengemeinschaft „langsam wegverwaltet“ habe, und erlebt den so Titulierten, der sich defensiv auf juristische Fakten und politische Machtverhältnisse in seine Amtsstube zurückzieht, sich aber ganz offensichtlich, wie es seine Körpersprache verrät, in seiner Haut nicht wohl fühlt.

Schön auch, wie die Äußerungen des 14-jährigen Jonatans über die Vorzüge der Wagenburg gegenüber einer festen Behausung mit denen von ihm zwei Jahre später gegenübergestellt werden. Bedauern über den Verlust eines großen wiesenartigen Spielplatzes und eines naturnahen Lebens werden in seinen Erinnerungen angesprochen, ohne dass in ihm durch das subjektive Unrecht, das ihm, seiner Mutter und seinen Freunden widerfuhr, Aggression entstanden ist.

„Sampling 16“ ist so jung wie seine Protagonisten. Wir erleben ein erfrischendes Selbstbewusstsein und eine amüsant interessante Selbsteinschätzung, die ein Lebensgefühl kennzeichnen, das den Zuschauer mit Leichtigkeit auf seine Seite zieht. (Helmut Schulzeck)

Sampling 16, D 2006, 29 Min., DV/DVCam/Super 8/DigiBeta. Mit: Jonatan Tulowietzki, Florian Hermann, Philipp Marth. Regie, Schnitt & Buch: Moses Benedikt Merkle, Kamera: Moses Benedikt Merkle, Ulrich Selle, Elisabeth Saggau, Ton: Ulrich Selle, Christian Urban, Astrid Meyer, Johannes Hirner, Hicham Sabri, Mischung: Thorsten Pinne, Musik: Derwent Hannon, Mektoub, Juani, Didjmaster Philth Schnittberatung: Claudia Willke, Elisabeth Saggau. Fotos: Jonatan Tulowietzki, Fahrerin: Anna Köpp, Technische Unterstützung: Lorenz Müller, Lars Michelsen, Archiv Super 8 Aufnahmen um 1990: Heinrich Barten, Archiv 2000-2002 Kamera: Ulrich Selle, Interviews: Ulrich Selle, Henning Hofmann, Ton Interviews: Katja Reusch. Trailer: http://rzglab15.rz.uni-kiel.de/geotv/filmtrain/sampling.wmv

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