56. Internationale Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2006

Entführt von Daisy, Kater Karlo und den Hundekackern

„Bye Bye Berlusconi!“ (Jan Henrik Stahlberg, D 2006)

Der Einfall, einen Film über eine Entführung von Silvio Berlusconi zu machen, nimmt sich bei der ersten Betrachtung ganz spaßig und spannend aus. Allerdings fallen einem in zweiten Moment all die quälenden Stolpersteinmöglichkeiten ein, die eine solche Satire eher zu einem zweifelhaften Vergnügen werden lassen können. Und außerdem eine politische Satire, die so nah dran ist an aktuellen Geschehnissen? – Schwierig, schwierig!

Jan Henrik Stahlberg, hierzulande vor allem bekannt geworden durch seine Hauptrolle in „Muxmäuschenstill“, zu dem er auch das Drehbuch schrieb, hat sich dennoch nicht abhalten lassen, einen Film mit dieser Story zu realisieren. Um es vorwegzunehmen, Stahlberg scheitert. Seine Story ist letztlich zu dünn, hätte im Grunde genommen allerhöchstens gut 45 Minuten füllen können. Ihr Humor verliert sich in einer verkomplizierten dramaturgischen Struktur, und fast alle Personen werden viel zu eindimensional gezeichnet, so dass der ermüdete Zuschauer schon bald sein Interesse an ihnen verliert. Das einzige deftige Pfund, mit dem der Film wirklich wuchern kann, ist sein Berlusconi-Darsteller. Der römische Schuhverkäufer Maurizio Antonini sieht dem italienischen Regierungschef nicht nur täuschend ähnlich, sondern verfügt auch souverän über dessen gesamten Mimik-, Gestik- und Rhetorikfundus. Und dennoch: das reicht nicht, um die „Komödie“ zu retten.

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Dem Original zum Verwechseln ähnlich: Maurizio Antonini als Silvio Berlusconi (Foto: Berlinale)

Die Geschichte spielt im Frühjahr 2005. Ein junges, engagiertes Drehteam aus Genua plant einen ernsthaften politischen Film über die Entführung Silvio Berlusconis. Ziel der Entführer soll es sein, Berlusconi verdientermaßen endlich den gerechten, unabhängigen aber harten Prozess zu machen, dem er sich im wirklichen Leben seit Jahren erfolgreich entzieht.

Um das Wagnis eines kritischen Films über den Medienzaren zu verkleinern, entschließt man sich nach langwierigen Diskussionen, die Geschichte in Entenhausen anzusiedeln, Berlusconi den Namen „Topolino“ (der in Italien für Micky Mouse steht) zu geben. Als dortiger Bürgermeister verfügt er über ein Melonen-Imperium inklusive eines angegliederten Melonen-TV-Senders. Sein Reichtum speist sich aus seiner Zusammenarbeit mit der Mafia, Bilanzfälschung und Steuerhinterziehung. „Topolino“ wird nun im Untergrund via Internet ein quasi Volkstribunal-ähnlicher Prozess gemacht, nachdem er zuvor von „Daisy“, „Kater Karlo“ und den „Hundekackern“ entführt wurde.

Den Rahmen für diese Verfilmung des Films im Film bietet die dokumentarisch aufgemachte Schilderung der Dreharbeiten, die wie die Entführer im Film immer wieder von der Staatsmacht, aber in diesem Fall den wirklichen staatlichen Organen Berlusconis, bedroht scheinen. Ein Klima der Angst und Subversion überzieht die Dreharbeiten und soll den grotesken, bisweilen klamaukartigen Humor der Farce im Film brechen, die Realität in den Film zurückholen.

Doch verkommt „Bye Bye Berlusconi!“ nach dem anfänglichen endlosen Palaver über das richtige Drehbuch im folgenden immer mehr zur eher blutlos verfilmten Thesenrevue, die nur noch durch den Berlusconi-Darsteller Antonini, einige sehr witzige TV-Werbe-Parodien des Melonen-Senders und wenige zündende Gags am Leben erhalten werden kann. Die Autoren des Films (Lucia Chiarla und Jan Henrik Stahlberg) halten sich zu Gute, dass der Film sich in den juristischen Details des Prozesses streng an die Realität halte. Sämtliche Vorwürfe gegen die kriminellen Machenschaften „Topolinos“ seien reale Anschuldigungen gegen Berlusconi. Doch gerade hier wird dem Film seine bisweilen papierene Textlastigkeit zum Verhängnis. Berlusconis bzw. „Topolinos“ Vergehen werden nur behauptet anstatt filmisch belegt, entwickelt oder dargestellt. Die beiden Ebenen, auf denen der Film spielt, vermischen sich zudem im Laufe der Zeit immer mehr und erschweren bisweilen die Orientierung. Am Ende müssen nicht nur die Dreharbeiten des Films im Film abgebrochen werden, sondern alles scheint sich in einer heillosen, verwirrenden Flucht aufzulösen. Was bleibt ist die schiere Ohnmacht der italienschen Gesellschaft gegenüber Berlusconi, der sich wenigstens Jan Henrik Stahlberg und sein Team nicht gebeugt haben. (Helmut Schulzeck)

Bye Bye Berlusconi!, D 2006, 85 Min., 35 mm. Regie: Jan Henrik Stahlberg, Buch: Lucia Chiarla, Jan Henrik Stahlberg, Darsteller: Maurizio Antonini, Lucia Chiarla, Franco Leo, Pietro Bontempo, Jan Henrik Stahlberg u.a.

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