Schleswig-Holstein Musikfestival 2005:

Punk und Pixel postmodern gemixt

SonarSound brachte erneut die Elektronik-Avantgarde in die Hamburger Kampnagel-Fabrik

Scharfkantig, eckig und von den Sounds her ziemlich retro oder auch „vintage“, wie es bei den Kennern heißt, eröffnen Hofuku Sochi, aka Ex-Fischmob Stachy und Tontennis, den diesjährigen SonarSound beim SHMF, den Hamburger Ableger des in Elektronik-Kreisen richtungsweisenden Sonar-Festivals in Barcelona. „Massive Vergeltungsmaßnahme“ heißt der Bandname übersetzt und das nicht von Ungefähr. Es schnalzt, es zirpt, es knackt und klickt, wenn die Mixer die Köpfe über die Knöpfe beugen. Eine mutwillige „Tonstörung“, die auf der Leinwand ihr pixeliges Echo als kontinuierliche Bildstörung findet.

Wo die gleichsam kupferdrahtige Elektronik die Soundscapes programmiert, mit dem „Vintage“-Aspekt imperfekter Klänge aus Sound-Saurieren wie Nintendo und C 64 korreliert, produziert der Bildschirm einen unausgesetzten Overload von Oszillografengrafiken, Sinusgleichungen und piktogrammisiertem Männchenmachen. Wo bitte geht’s zum Logo? Durch die Hintertür des Punk, dem die Trinität von drei Akkorden genügt wie hier der Sägezahn das schon gilbe Gebiss zeigt. Dass solch kühle Pixelation der Klänge nebenbei noch hypnotische Beats gebiert, mal gläsern steril, mal dumpf dümpelnd, ist sozusagen Abfallprodukt einer Reise in längst schon verschrottetes Soundmaterial. Doch die Stücke haben Anfang und Ende, sind komponiert bis ins Letzte, insofern will sich Disco-Atmo auf der riesigen Tanzfläche vor dem Laptop-Pult nicht einstellen. Nein, man steht, sitzt – und staunt.

Für Tanzbarkeit sorgt eher das schrille Paar Mu, aka Maurice Fulton und Mutsumi Kanamori. House meats Hiphop und Disco – und doch ist auch das hybrid geschnörkelter Elektro-Punk, bei dem die Pixel durch kreischbunten Glamour ersetzt werden. Jazzig-soulig mixt DJ Krush, aka Hideaki Ishii. Der Japaner brachte einst Hip- und Triphop nach Nippon, eine Legende, die hier etwas abgehangen wirkt.

Oder sogar langweilig? Was man von World’s End Girlfriend nicht behaupten kann. Sicher die innovativsten Sound-Laboranten der Nacht, mixt das Duo echte Drums mit sphärischem Synthie-Gitarrismus und macht seinem Namen insofern Ehre, dass krachende Sound-Apokalypsen direkt neben märchenhaft Säuselndem stehen. Ein Sonar für das Weltende, wenn sich alle Sounds babylonisch überlagern, Patterns mit Pixeln, Punk mit Pop. Eine Art Hyper-Postmoderne, in der sich wie in der ganzen Nacht auf Kampnagel alles mit allem verbindet und dadurch recht selbstreferentiell erscheint und -klingt. (jm)

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