Schleswig-Holstein Musikfestival 2005:

Arithmetik des Klingelns und Klingens

Workshop-Konzert mit dem Nexus Percussion Ensemble in Salzau

Eine Woche Percussion-Meisterkurs mit dem Nexus Ensemble, ein abschließendes Workshop-Konzert – in der Konzertscheune in Salzau wippte so mancher Fuß im Takt der neun Schüler und ihrer Nexusse mit, zumindest bei den schnurrig swingenden Ragtimes der Meister zu Beginn.

Als „Comedian Percussionists“ entführen Bob Becker, Bill Cahn, Robin Engelman, Russell Hartenberger und Garry Kvistad das Publikum zunächst in die 20er Jahre. Mit Medleys aus Swing- und Blues-Standards wie „When You Smile“, „Byebye Blackbird“ und „Byebye Blues“ zeigen sie, wo im Ragtime der Klöppel hängt. Doch das ist nur ein launiges Präludium zu dem, was sie mit ihren Meisterschülern erarbeitet haben. Spieluhr-melodisch und nicht unironisch poppig geht es noch im „Song Of Circles And Triangles“ von Tôru Takemitsu zu, wenn Makiko Nishio, Frank Assmann, Johannes Knopp, Thomas Welsch und Martin Frink ihre Metallo- und Xylofone massieren. Doch die Patterns können nicht nur klingeln, sie klingen auch, wo der amerikanisch-belgische Komponist Frederic Rzewski sie in „Les Moutons de Panurge“ durch eine komplexe Arithmetik des Schäfchen Zählens schickt. Ein 65 Noten umfassendes Thema, das Note für Note zusammengesetzt, zerlegt und aufs Neue addiert und multipliziert wird. Minimal Music, deren kompositorischer Angestrengtheit die Meisterschüler und Garry Kvistad quirlig locker auf die polyrhythmischen Sprünge helfen, bis am Ende der (De-) Konstruktion nur eine befreiende Note übrig bleibt.

Solcher konsequenter Minimalismus wird nur von Steve Reich überboten. „Drumming“ heißt seine Suite kurz und bündig, aus der vier Mann an vier Bongos den ersten Satz schwirren lassen. Ganz ohne Noten habe man derlei geprobt, so wird berichtet. Und Noten scheinen beim „Phasen“, dem allmählich schneller Werden eines der Vier, bis er die Partner um eine Achtel eingeholt hat, ohne sie zu überholen, ohnehin nur eine Krücke zu sein. Nein, die Interferenzen der Patterns erzeugen ein ganzes Spektrum von „rhythmischen Obertönen“, aus denen sich immer wieder neue Muster und perkussive Feinstrukturen ergeben – Klingeln und Kringeln bis zum ultimativen Klingen, ein hypnotisches Erlebnis in 15 Minuten.

Dass Percussion vor allem die Kunst des auf einander Hörens und Reagierens ist, zeigt dann auch die Improvisation der Meisterschüler. Hier kann man miterleben, wie sich rhythmische Ideen übertragen und verdichten. John Cages‘ Frühwerk „Credo In US“ zum Abschluss wirkt ob solcher Drum-Experience fast schon altbacken, wenn auch nicht minder angetan beklatscht. (jm)

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