DLM kritisiert Vorschlag der EU-Kommission für eine Dienstleistungsrichtlinie: Programmvielfalt in Gefahr
In einer Mitgliedern der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments zugeleiteten schriftlichen Stellungnahme hat die DLM heftige Kritik an dem im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) geübt und zur Verbesserung des Paragrafenwerks eine Reihe von Änderungsvorschlägen unterbreitet. So fordert die DLM die Herausnahme des audiovisuellen Bereichs aus der Richtlinie. Der Vorsitzende der DLM, Prof. Wolfgang Thaenert, erklärte: „Nach Auffassung der DLM würde sich eine Dienstleistungsrichtlinie mit dem Inhalt des Richtlinienvorschlags, der aufgrund seines horizontalen Ansatzes so gut wie alle Dienstleistungen und damit auch Radio- und Fernsehsendungen erfasst, nachhaltig und negativ auf die Medienlandschaft in Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten auswirken.“ Der DLM-Europabeauftragte, ULR-Direktor Gernot Schumann, sieht den Funktionsauftrag des Rundfunks durch den Vorschlag gefährdet: „Durch die Dienstleistungsrichtlinie könnten die Mitgliedstaaten nicht mehr gewährleisten, dass Hörfunk und Fernsehen ihre demokratische und kulturelle Funktion für die Gesellschaft erfüllen. Im Ergebnis würde der audiovisuelle Bereich einseitig wirtschaftlichen Imperativen unterworfen werden.“
Kernpunkt des Richtlinienvorschlags ist es, Dienstleistungen in Zukunft nur noch den Bestimmungen des Herkunftslands zu unterwerfen. Die Folge wäre, dass die in einigen Fällen strengeren medienrechtlichen Regelungen in Deutschland, wie zum Beispiel die zur Sicherung von Meinungs- und Programmvielfalt im Rundfunk, für Anbieter aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die Rundfunkprogramme in Deutschland verbreiten, keine Anwendung mehr fänden. Die DLM fordert daher, die audiovisuellen Dienste, vor allem Hörfunk und Fernsehen, aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie heraus zu nehmen, auch um zu verhindern, dass sich Hörfunk- und Fernsehveranstalter aus Deutschland in einem anderen Mitgliedstaat mit einer „liberaleren“ Rundfunkregulierung niederlassen, um von dort aus ihre Programme in Deutschland zu verbreiten, ohne die hier geltenden rundfunkrechtlichen Bestimmungen, namentlich zur Medienkonzentration, zur Werbung, zur Kurzberichterstattung und zum Jugendschutz, einhalten zu müssen. Welche Folgen eine Verlegung der Niederlassungen und insbesondere der Produktionsstätten in andere Mitgliedstaaten im übrigen für die Authentizität der Berichterstattung hätte, liege auf der Hand. Natürlich hätte dies auch Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in Deutschland. Nach Überzeugung der DLM muss der audiovisuelle Bereich wegen seiner besonderen Bedeutung für Demokratie und Kultur, aber auch wegen der damit im Zusammenhang stehenden spezifischen Problemlagen, in einem eigenen Rechtsrahmen reguliert und eventuell bestehende Binnenmarkthindernisse in diesem Rechtsrahmen beseitigt werden. Dies würde nicht nur zu mehr Rechtsklarheit führen, sondern auch zu passgenaueren und operationableren Lösungen.
Insgesamt hält es die DLM entgegen dem Richtlinienvorschlag für unverzichtbar, dass
– Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die der Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt und der Gewährleistung des Medienpluralismus dienen, unberührt bleiben,
– mitgliedsstaatliche Genehmigungsanforderungen für die Verbreitung von Rundfunk zur Gewährleistung von Programm- und Meinungsvielfalt weiterhin zulässig bleiben und
– Weiterverbreitungspflichten („must carry“), die in den nationalen Mediengesetzen aus Gründen der Pluralismussicherung vorgesehen sind, weiterhin möglich bleiben.
Der vollständige Text der DLM-Stellungnahme ist unter www.alm.de und unter www.ulr.de verfügbar. Der Richtlinienvorschlag der Kommission findet sich unter https://iehost.net/pdf/com2004_0002de02.pdf.
(nach einer Pressemitteilung der ULR)