Mediatage Nord 2002
„Lokales Fernsehen ist ein Forschungsprojekt“
Die ULR-Medienwerft zog erste Bilanz bei den Kabelpilotprojekten.
Eine Sache lag Ekkehard Wienholtz, Vorsitzender des ULR-Medienrats, in seinem halbjährlichen Bericht bei der ULR-Medienwerft in der Kieler IHK besonders am Herzen. Mit dem neuen Landesrundfunkgesetz ist die ULR nicht mehr nur für den Rundfunk, sondern auch für die neuen Medien zuständig. Ein wichtiger medienpolitischer Schritt, der der fortschreitenden Konvergenz von Fernsehen und Internet Rechnung trägt und den Jugendschutz endlich auch im Netz möglich macht, zumindest rechtlich. Nur im neuen Namen spiegelt sich das nicht: „Unabhängige Landesanstalt für Rundfunk und elektronische Medien“ soll die ULR nun heißen, womit Wienholtz nicht glücklich ist. Auch der Rundfunk sei schließlich, gerade im Hinblick auf die Konvergenz, ein „elektronisches Medium“.
Der Politik fällt es offenbar immer noch schwer, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten, und sei es nur bei Namensgebungen. Mit dem Jugendschutzstaatsvertrag wird immerhin ein neues Instrument eingeführt, die freiwillige Selbstkontrolle der Anbieter. „Der Gesetzgeber hat damit den privaten Veranstaltern einen erheblichen Vertrauensvorschuss gegeben. Jetzt müssen sie sich dieser Verantwortung auch stellen“, forderte Wienholtz von den Privaten, von denen einige noch darüber nachdenken, ob sie sich ihre Selbstkontrolle von der zukünftigen Kommission für Jugendmedienschutz zertifizieren lassen.
Lokal-Fernsehen noch im Experimentierstadium
Während die Politik sich um bessere Regulierungsmethoden bemüht, kämpfen die Pioniere des Lokal-Fernsehens mit handgreiflicheren Problemen. Im Februar haben im Kieler Kabel die Lokalsender „Lokal TV“ und „R24“ ihre Pilotprojekte gestartet, im Juni folgte Norderstedt mit „NOA 4“. Unter dem Motto „Kanal lokal – mehr als Fernsehen“ zogen die Geschäftsführer Detlev Freiherr von der Goltz (Lokal TV), Wolfgang Flieger (R24) und Ulrik Neumann (NOA 4) Bilanz. Die fiel verhalten bis zweckoptimistisch aus. Trotz unterschiedlicher Programmkonzepte, die, so die Betreiber, nicht konkurrieren, sondern sich ergänzen und die in der ersten Pilotphase erfolgreich entwickelt wurden, leidet das Lokal-Fernsehen unter mangelnder Akzeptanz bei Zuschauern wie Werbern.
An der Qualität der Sendungen liege das nicht. Lokal TV macht klassisches Fernsehen im Magazinformat aus dem gläsernen Studio in der Kieler Markthalle, R24 versucht sich an internetkompatiblen Serviceportalen, ist damit Vorreiter bei der Medienkonvergenz, und NOA 4 erfreut sich großer „Volksnähe“. Doch bei den harten Zuschauerzahlen – nur die zählen für die Werbewirtschaft – hapert es wegen mangelnder Bekanntheit der Angebote. 49 Prozent der potentiellen Werbekunden kennen die Sender nicht einmal, bei den theoretisch erreichbaren Zuschauern (in Kiel 270.000) sieht es nicht viel besser aus. Das hat eine EMNID-Studie ergeben, die Reinhold Horstmann vorstellte. Seine Schlussfolgerung: „Was zählt ist Bekanntheit und nochmal Bekanntheit.“ Das sah auch Wienholtz so: „Schleswig-Holstein ist im Mediabereich besser als sein Ruf, nur wissen das zu wenige. Wir müssen auch außerhalb des Landes mehr über uns reden.“
Wer da wem auf die Sprünge helfen kann, blieb auf der Medienwerft noch unklar. Während der TV-Consultant Ingo Borsum Initiativen der IHK anregte, um das an sich attraktive Werbemedium Lokal-Fernsehen bei kleinen und mittleren Unternehmen bekannt zu machen, forderte IHK-Geschäftsführer Wolf-Rüdiger Janzen eher bessere Werbung der Lokalsender für ihre Werbeflächen. Als wichtig erachtet wurde auch eine 24-stündige Schleife der Programmangebote, denn Lokalsender leben vor allem vom flexiblen Zuschauer, manchmal auch nur vom Zufall des Zappens. So wird es wohl noch einige Zeit beim Fazit von der Goltz‘ bleiben: „Lokales TV ist ein Forschungsprojekt, das kostet ersteinmal Geld. Gewinne lassen sich nur in der Zukunft erzielen.“ (jm)