Filmtipp: Bowling for Columbine

„Kegeln für Columbine“ – ein harmloser Titel für einen brisanten Film, in dem Dokumentarfilmer Michael Moore auf provokative und gleichzeitig amüsante Weise die amerikanische Gesellschaft an den Pranger stellt. Ausgangspunkt der bewusst unausgewogenen Gesellschaftsanalyse ist das Massaker an der Columbine Highschool in Littleton (USA), bei dem zwei Jugendliche, nach ihrer regulären Bowlingklasse zurück in der Schule, 12 Mitschüler und einen Lehrer brutal niederschossen.

Mit Hilfe von Interviews, TV-Ausschnitten, Mitschnitten der Überwachungskameras der Highschool, Polizeivideos und Trickfilmen versucht Moore eine Erklärungen für die Gewalttätigkeit der Amerikaner zu finden. Denn Littleton war keine Einzelfall, Gewalt ist in den USA allgegenwärtig. Mit jährlich etwa 11.000 Toten durch Schusswaffenmissbrauch sind die Amerikaner unangefochtene Spitzenreiter der Statistiken – auch der viel zitierte Blick auf die gewalttätige Geschichte des jungen Landes gibt keine plausible Begründung: die Zahl der Waffen ist auch in anderen Ländern hoch und deren Geschichte oft weit blutiger als die amerikanische.

Diese gängigen Deutungsmuster sind also hinlänglich widerlegt, so macht Moore sich mit Handkamera und entlarvendem Zynismus auf den Weg zu Schauplätzen, Opfern, und Akteuren – und blickt dabei gezielt hinter die Kulissen. Moore gibt sich nicht zufrieden mit gängigen „Heile-Welt-Fantasien“, simplen Medienwahrheiten und stereotypen Erklärungsmustern. Schnell wird klar, dass auch bezüglich Littleton der Schein trügt. Es ist nicht die in den Medien präsentierte idyllische und friedliebende Kleinstadt im mittleren Westen, sondern eine Stadt, die von der Waffenindustrie lebt, einen Kampfbomber als Denkmal hat und in der Schießen Volkssport ist. Auch nach dem Massaker können hier Jugendliche im örtlichen Supermarkt ungehindert Schusswaffen und Munition in beliebiger Menge kaufen.

Überzeugend räumt Moore in „Bowling for Columbine“ mit dem Vorurteil auf, die Schießwütigkeit der Amerikaner ginge auf das Konto von Spielfilmen, Videos oder Heavy-Metal Musik. Nicht äußere Faktoren sondern die kultivierte Angst in einer zutiefst verunsicherten Gesellschaft stellen eine echte Gefahr dar. Denn im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist Angst ein besonders lukratives Geschäft. An ihr verdienen viele: Waffenhersteller, Medien, Politiker und nicht zuletzt die ganz normalen Supermärkte, mit ihren Munitionsangeboten. Das Ergebnis sind paranoide, von Angst getriebene Menschen, die Selbstverteidigung groß schreiben und glauben nur mit der geladenen Pistole unter dem Kissen schlafen zu können. Gestützt wird dieses alles bestimmende Lebensgefühl durch die Politik der US-Regierung, die, anstatt gegen Armut und Ungerechtigkeit im eigenen Land vorzugehen, sich lieber zur Weltpolizei erhebt, ihre Aggressionen auslebt und dabei weiter Gewalt und Angst sät.

Michael Moores Film „Bowling for Columbine“ hat nicht den Anspruch objektiv zu sein. Moore will polarisieren und provozieren. Sein schnell geschnittener, oft lauter Film ist deshalb bewusst parteiisch, unausgewogen und – trotz des Themas – unterhaltsam und amüsant. Denn der gesellschaftskritische Patriot Moore weiß natürlich, dass er nur so Menschen erreichen und vielleicht auch wachrütteln kann. Moores Kalkül scheint aufzugehen, denn der Dokumentarfilm ist nicht nur in den USA außergewöhnlich erfolgreich. Nach 46 Jahren hat dieser Film als erster Dokumentarfilm in Cannes 2002 den Jury-Spezialpreis bekommen. Und das zurecht! (Gudrun Lübker-Suhre)

Noch bis Ende Dezember im Kieler Traum GmbH Kino.

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