Mediatage Nord 2002
Digitales Fernsehen kommt – noch nicht sofort
Für Berliner Flimmerkistenbesitzer hat das neue Fernsehzeitalter schon begonnen. Seit Anfang November dürfen – oder müssen – sie die Segnungen des digitalen Fernsehens via Antenne („Digital Video Broadcast Terrestrial“ – DVB-T) genießen. Im Februar werden die bisherigen analogen Sender endgültig abgeschaltet. Viele Fernsehzuschauer in Schleswig-Holstein sind nun verunsichert: Was bedeutet digitales Fernsehen, wann kommt es bei uns? Brauche ich jetzt ein neues Gerät?
Als „Entwarnung“ lässt sich das zusammenfassen, was dazu aus der Kieler Landesmedienanstalt ULR verlautet. Zwar ist die Einführung von DVB-T in Schleswig-Holstein seit knapp einem Jahr beschlossene Sache, aber erst Ende 2004 wird auf der „Insel Kiel“, einem Sendegebiet, das etwa die K.E.R.N.-Region umfasst, digitales Fernsehen im Regelbetrieb laufen. In anderen Landesteilen wird die Digitalisierung noch länger auf sich warten lassen.
Davon betroffen sind ohnehin nur die Fernsehzuschauer, die ausschließlich über Antenne empfangen und das sind in Schleswig-Holstein nur noch 14 Prozent, in Ballungsräumen wie Kiel, so vermutet die ULR, dürfte der Anteil weit darunter liegen. Für Zuschauer über Kabel oder Satellit, also die allermeisten, ändere sich nichts. Eine plötzlich dunkle Mattscheibe braucht also niemand zu befürchten.
Wie funktioniert digitales Fernsehen?
Beim herkömmlichen analogen TV hat jeder Sender seinen eigenen Kanal. Beim digitalen Fernsehen dagegen können auf einem einzigen Kanal vier Programme gleichzeitig übertragen werden. Etwa 16 Programme werden z.B. Kieler ab Ende 2004 empfangen können, ein Ausbau auf bis zu 24 Programme ist geplant.
Um aus dem digitalen Datensalat das jeweils gewünschte Programm herauszufiltern, braucht man einen Decoder, eine „Blackbox“, die den Datenstrom in Signale verwandelt, die herkömmliche TV-Geräte wiedergeben können. Niemand muss also seinen Fernseher verschrotten, nur um den Kauf des Decoders werden TV-Nutzer nicht herumkommen, die ausschließlich über Hausantenne empfangen. Die wird möglicherweise ein Comeback erleben. Bei günstigen Empfangsbedingungen reicht aber schon eine Stummelantenne wie beim Handy völlig aus.
Noch sind allerdings DVB-T-Decoder im Handel nicht verfügbar. Nachgefragt werden bislang nur Decoder für Kabel und Satellit, wo es das Digital-TV schon länger gibt. Sascha Werner, Fernsehfachverkäufer bei Schaulandt in Kiel, könnte sich jedoch vorstellen, dass mancher auf DVB-T umsteigen wird, „wenn die Programmvielfalt stimmt“. Denn im Gegensatz zum Kabel, bei dem erst jüngst die monatlichen Gebühren gestiegen sind, ist DVB-T bis auf die Anschaffung des Decoders kostenlos. Um die 200 Euro sollen die ersten Modelle kosten. Wie bei anderen technischen Neuerungen, zum Beispiel DVD-Spielern, rechnet der Handel allerdings mit einem rasch sinkenden Preis, wenn die Nachfrage zunimmt. Nachteil der DVB-T-Decoder: Sie sind nicht kompatibel zu den Decodern für Satellit und Kabel und voraussichtlich wird man für jeden Fernseher oder Videorecorder im Haushalt einen eigenen Decoder brauchen.
Schauen Bedürftige bald in die Röhre?
Wer sich den Decoder nicht leisten kann, etwa Sozialhilfeempfänger, bekommt ihn in Berlin bezahlt, zu einem Viertel von der Kommune, drei Viertel von der Berliner Landesmedienanstalt. Für Kiel gibt es noch keine solchen Planungen, weder bei der Stadt, noch bei der ULR. Peter Lentzsch, Leiter des Kieler Sozialamts, stellt jedoch klar, dass die Möglichkeit zum TV-Empfang zum „notwendigen Lebensunterhalt“ gehöre. Seit 2001 erhalten Kieler Sozialhilfeempfänger Mittel für „einmalige Bedürfnisse“ pauschal, 39 Euro werden pro Monat auf den Regelsatz von 293 Euro aufgeschlagen. Sollte das nicht für für die Anschaffung eines Decoders ausreichen und keine andere Möglichkeit zum TV-Empfang mehr bestehen, „würden wir das gesondert bezahlen“, sagt Lentzsch. Auch Sozialhilfeempfänger werden also vom digitalen Fernsehen nicht ausgeschlossen.
Das „Überall-Fernsehen“
Obwohl DVB-T in Kiel noch etwas auf sich warten lassen wird, als eine „echte Alternative zu Kabel und Satellit“ bezeichnete es ULR-Direktor Gernot Schumann jüngst. Vor allem die Mobilität des „Überall-Fernsehens“, es lässt sich mit geringem Antennenaufwand sogar auf entsprechend ausgestatteten Handys empfangen, samt Internetdiensten, macht es für Anbieter interessant. Dennoch ist der „terrestrische TV-Markt“ klein, Investitionen sind risikoreich. Letztlich wird also genau einer entscheiden, ob sich DVB-T durchsetzt: der Fernsehzuschauer selbst. Einstweilen kann der sich noch gemütlich im Fernsehsessel zurücklehnen und abwarten, zumindest in Kiel und Schleswig-Holstein. (jm)
Detaillierte Infos über DVB-T finden sich unter www.ueberall-tv.de.