10 Jahre Kommunales Kino Lübeck, 25 Jahre kommunale Filmarbeit in Lübeck – ein Rückblick

Am ersten Wochenende im September feierte das Kommunale Kino Lübeck ein doppeltes Jubiläum: vor 25 Jahren begann die alternative Filmarbeit der Film-AG in der Mengstraße 35 und vor 10 Jahren entstand daraus das Kommunale Kino Lübeck.

Es gab eine Zeit ohne Handys und DVDs. Computer standen als große Schränke in Rechenzentren, aber nicht in Privathaushalten. Kaum jemand besaß einen Videorecorder, weil man erst einmal abwarten wollte, welches der konkurrierenden Systeme sich durchsetzen würde. In Deutschland gab es drei Fernsehprogramme, Sendeschluss (!) war vor Mitternacht. In Lübeck konnte man zusätzlich auch die beiden DDR-Programme empfangen, aber Privatfernsehen, Kabel, Satellit, digitale Formate waren Fremdworte. Kino war nicht das, was es heute ist. Programmkinos waren selten und Multiplexe noch nicht erfunden. Das Filmangebot (aus Hollywood wie aus Deutschland) war quantitativ mager und qualitativ miserabel. Das Programmangebot war dominiert von banaler Massenware, Action, Horror und Klamauk, an die Titel erinnert sich heute niemand.

In Lübeck gab es acht Kinos: Stadthalle, Capitol und City (heute 2wei50) waren noch Einzelkinos, vor den Toren der Innenstadt lagen die Hoffnung, das Burgtorkino und das Bambi (als Doppelkino). Das Eden zeigte Sex-Filme, aber Marlies und Heiner Kieft bereiteten mit dem Arbeitskreis Kino, der in der Hoffnung einmal wöchentlich einen Qualitätsfilm gezeigt hatte, den Start als Programmkino vor. Der f.i.l.m-club Lübeck, Nachfolger des Anfang der 70er Jahre erfolgreichen EN-cinema, der im Vortragssaal des Dommuseums und in der Diele des Zentrums gespielt hatte, bereitete seinen Umzug in die Hüxstraße vor, wo er das Hinterhofkino der Alternative bespielen wollte.

Es war der Sommer 1979. Damals fanden sich Film interessierte junge Lübecker zur Film-AG im „Zentrum“ des Jugendamtes der Hansestadt Lübeck zusammen, um „andere Filme anders zu zeigen“ (und vor allem selbst zu sehen!). Unterstützung fanden sie bei Helga Brandt und Linde Fröhlich und bei der Filmemacherin Monika Treut („Die Jungfrauenmaschine“ und viele andere schöne Filme), die mit Videokassetten, Literatur und Filmanalyse die Geschichte des Mediums vermittelte. Im September 1979 präsentierte die Film-AG ihr erstes Programm im Forum des Zentrums. Es gab einen transportablen 16mm-Filmprojektor, der Mehrzwecksaal wurde für jede Vorstellung „gestuhlt“. Der Eintritt betrug 1 Mark für die Nachmittags- und 2 Mark für die Abendveranstaltungen. Zu sehen gab es Klassiker aus Hollywoods „schwarzer Serie“ mit Humphrey Bogart wie „Die Spur des Falken / The Maltese Falcon“ von John Huston oder „Tote schlafen fest / The Big Sleep“ von Howard Hawks, klassische Western wie „Zwölf Uhr Mittags / High Noon“ von Fred Zinnemann, aber auch Highlights deutscher Filmgeschichte wie „Der Untertan“ von Wolfgang Staudte, „Der geteilte Himmel“ von Konrad Wolf oder „Der junge Törless“ von Volker Schlöndorff und „Jeder für sich, Gott gegen alle“ von Werner Herzog.

„Andere Filme anders zeigen“, das Motto der seit Anfang der 70er Jahre in Deutschland etablierten Kommunalen Kinos, bedeutete aber auch, dass Einführungen zu Beginn der Vorführungen gegeben wurden und Filmbegleitblätter bzw. Programmhefte mit umfassenden Informationen zu Filmen und Regisseuren – zunächst in Eigenarbeit, dann von Birgit Rohde – gestaltet wurden. Die Filme wurden möglichst in thematisch oder filmgeschichtlich orientierten Reihen präsentiert. Schon Ende 1979 gab es die Filmreihe „Wie es dazu kam – Geschichte des Faschismus im Film“ mit Filmen und Diskussionen zum Nationalsozialismus, die in Zusammenarbeit mit der VVN / Bund der Antifaschisten und dem Filmjournalisten Hans-Joachim Steffen (heute Stiftung Schleswig-Holsteinische Cinémathèque) gestaltet wurde. Es folgten „Liebesfilme der französischen Nouvelle Vague“.

Parallel dazu gab es im Forum des Zentrums regelmäßige Kinderkino-Veranstaltungen mit Qualitätsfilmen, die auch in den anderen Lübecker Jugendfreizeitheimen gezeigt wurden. So war es kein Zufall, dass das erste Kinder- und Jugendprogramm der Nordischen Filmtage Lübeck im „Internationalen Jahr des Kindes“ 1979 im Forum und in der Diele des Zentrums präsentiert wurde. Fünf Tage lang liefen hier von früh bis abends (von Hauke Lange-Fuchs ausgewählte) Spielfilme und Kurzfilme, die nicht nur junges Publikum begeisterten.

Bald wurden in Zusammenarbeit mit dem deutsch-französischen Arbeitskreis Lübeck-La Rochelle Filme in französischer Sprache gezeigt, der Beginn einer langfristigen Kooperation mit den vielen engagierten ausländischen Kulturvereinigungen in Lübeck, die bis heute besteht.

Nach und nach führte die Film-AG, angespornt von Jan Hammerich, technische Verbesserungen durch: eine 16mm-Überblendprojektion mit zwei Projektoren in einer selbst gebauten Vorführkabine setzte der Pause zum Rollenwechsel ein Ende. Alte Kinostühle aus einem stillgelegten Kino in Neustadt/Holstein ließen erste Kinogefühle aufkommen, und Film-AG-Mitglied Lutz Schmidt, damals Student der Elektrotechnik an der FH Lübeck, entwickelte Pläne für ein „richtiges Kino“, die Anfang 1991 mit Mitteln aus der Stiftung „Haus der Jugend“, Eigenmitteln des Zentrums und viel ehrenamtlicher Arbeit in die Tat umgesetzt werden konnten. Die 35mm-Projektoren, Vorhang und Leinwand kamen aus einem stillgelegten Kino im Hunsrück. Am 13. April 1991 konnte das „Kino im Zentrum“ mit einem großen Festprogramm eingeweiht werden. Im Mittelpunkt eines Programms mit vielen filmhistorischen Kostbarkeinen stand der Film „Cinema Paradiso“ von Giuseppe Tornatore, eine heiter-melancholische Hommage an das Kino schlechthin. Nach einer Versuchsphase wurde ab September 1991 das Programm auf mehrere Spieltage ausgeweitet. Stephan Schlippe kam als Vorführer und Mitarbeiter hinzu. Der Eintritt betrug 5 Mark am Abend, 2 Mark am Nachmittag.

Das „Kino im Zentrum“ gab es nur drei Jahre. Ende Juni 1994 wurde das „Zentrum“ geschlossen. Das Kino aber bestand weiter und kam unter die Ägide des damaligen Amtes für Kultur (heute Bereich Kunst und Kultur). Im September 1994 nahm es „Mit Gesang, Spiel und Tanz“, mit neuem „Outfit“ und neuem Namen als „Kommunales Kino Lübeck“ sein Programm auf und erlebte neue Blütezeiten. Der Eintritt betrug jetzt 6 Mark für die Abendvorstellungen (ermäßigt 4 Mark) und 2,50 Mark im Kinderkino. Die Zahl der Vorführungen stieg auf etwa 350 im Jahr (täglich außer montags mindestens eine Vorführung) und die Zahl der Zuschauer auf circa 15.000 jährlich – und das alles mit einem anspruchsvollen Programm aus deutscher und europäischer Filmkunst, Klassikern der Filmgeschichte, Nachwuchsarbeiten und Filmen aus Ländern der „Dritten Welt“. Dabei werden Filme in Originalfassung mit Untertiteln vom Publikum mehr und mehr geschätzt, und eine ständig wachsende Zahl von Instituten und Vereinigungen im Kultur-, Sozial- und Bildungsbereich kooperiert mit dem Kommunalen Kino. Eine Publikumsbefragung im Jahr 1998 zeigt große „Kundenzufriedenheit“.

So ist es kein Wunder, dass die Zuschauer für ihr Kino kämpfen, als es Anfang 2002 geschlossen werden soll. Sie sammeln Geld und Unterschriften und organisieren Benefiz-Veranstaltungen. Im August 2002 gründet sich unter Vorsitz von Frauke Borchers der Förderverein Kommunales Kino, der mittlerweile über 200 Mitglieder hat und beträchtliche Beiträge zur Unterstützung des Kinos geleistet hat. Anerkennung erhielt das Kommunale Kino schließlich auch durch den „Kinopreis des deutschen Kinematheksverbundes“, mit dem es im Juni 2002 in Berlin ausgezeichnet wurde „in Anerkennung der kontinuierlich herausragenden Programmgestaltung, die das Kino seit Jahren geleistet hat“.

Neue Programm-Initiativen brachten die zusammen mit der Fachhochschule Lübeck gestaltete Reihe mit Klassikern der Filmgeschichte, die Reihe „Film und Psychoanalyse“ in Zusammenarbeit mit der Lübecker Analytikerin Dr. Hanna Petersen oder die Reihe „Film und Gesellschaft“, die von Angela Buske betreut wird. Sie ist seit 2002 auch zuständig für das „Filmforum Schleswig-Holstein“ im Rahmen der Nordischen Filmtage Lübeck, das seit 1988 vom Zentrum bzw. Kommunalen Kino veranstaltet wird und Filmemachern aus der Region die Gelegenheit bietet, ihre Werke quasi „mit Heimvorteil“ auf der Ebene eines internationalen Festivals vorzustellen. Einige dieser Filmemacher haben in den 80er Jahren in diversen Super-8- und Videokursen der Film-AG ihre ersten praktischen Erfahrungen mit audiovisuellen Medien gemacht, eine Tradition, die heute vom Medienzentrum im Kinder- und Jugendhaus „Röhre“ fortgesetzt wird.

Bleibt noch anzumerken, dass es in den letzten Jahren im Kommunalen Kino auch weitere technische Verbesserungen gab. Die alten Ernemann-Projektoren konnten ersetzt werden durch neuere Philips-Projektoren, die nach der Restaurierung des Theaters dort keinen Platz mehr fanden, eine Dolby-Surround-Anlage aus einem stillgelegten UFA-Kino sorgt für guten Ton, und norwegische Kinositze dienen der Bequemlichkeit. Der Eintritt beträgt heute 5 Euro für die Abendveranstaltungen (ermäßigt 4 Euro) und 2 Euro im Kinderkino. Eine Belüftungs- oder Klimaanlage vermissen wir zwar immer noch schmerzlich, dafür sind wir guter Hoffnung, dass das Kommunale Kino Lübeck eines der 175 europäischen Filmtheater sein wird, die noch Ende 2004 im Rahmen des Projekts European Docu Zone mit digitaler Projektionstechnik ausgestattet werden.

Aber zunächst wollen wir feiern, dass es uns nach 10 bzw. 25 Jahren immer noch gibt, dass es immer noch neue Ideen und Konzepte gibt und immer noch und immer wieder ein Publikum, das sich dafür begeistert.

(zusammengestellt aus Texten des KoKi Lübeck zum Jubiläum im September 2004)

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