52. Nordische Filmtage Lübeck 2010

Gegen die mediale Wand

„Go Bash!“ (Stefan Eckel, Stefan Prehn, D 2010)

Eigentlich sollte das ein Mockumentary über eine Jugendkultur und ihre Abbildung in den Medien werden. Doch wie Stefan Eckel und Stefan Prehn bei den Dreharbeiten entdeckten, war die Wirklichkeit ihrer Fantasie mal wieder einen Schritt voraus: Die neueste „Trendsportart“ unter Jugendlichen, das selbstverletztende mutwillige Laufen gegen Wände, bis die Stirn blutet, bis man den ultimativen Ohnmachtskick bekommt, so genanntes „Go Bashing“, gab es schon, jedenfalls waren bei Youtube einschlägige Handy-Videos zu finden. Was die Arbeitshypothese der beiden Regisseure bestätigte: „Nichts ist mehr real, wenn es keinen Niederschlag in den modernen Medien findet.“
Und genau darum dreht sich die Satire „Go Bash!“ – um das Sein, das nur als mediales Echo real erscheint. Jugendkulturen werden spätestens seit Hiphop genau von den Medien rezipiert, nicht zuletzt, um sie für Werbung zu nutzen. Am Puls der Jugend zu sein, ist heutzutage überlebenswichtig für die Werbeindustrie. Was passiert mit einer Jugendkultur, wenn sie von den Medien erfasst wird, fragten sich Eckel und Prehn und inszenierten neben dem – eben nur vermeintlich – erfundenen „Sport“ des gegen Wände Laufens auch die medialen Reaktionen darauf: Psychologen, die in den „Doku-Soaps“ des privaten TV zu den Beweggründen der Jugendlichen befragt werden, Polizei- und Jugendamtbeamtete, die „under cover“ „in der Szene“ ermitteln, und – nicht minder treffend – die mediale Manifestation, die von der „Szene“ selbst auf Videoportalen wie Youtube gepostet wird.
Dass die Satire dabei von der Wirklichkeit überholt wird, dass das Mockumentary unfreiwillig zur „realen“ Dokumentation und die intendierte Medienkritik selbst zum medialen Hype wird, macht den Reiz des Films aus und beeindruckte auch die Jury des Cinegate-Preises, die urteilte: „Die Regisseure setzen stilsicher und souverän die unterschiedlichsten Film- und Fernsehformate ein – vom Handy-Video bis zur sensationsheischenden News- oder Magazinsendung – und beweisen damit eine ebenso hintergründige Herangehensweise an aktuelle Themen wie deren professionelle und trotzdem visuelle außergewöhnliche Umsetzung.“
Das Interessanteste des Films ist freilich, dass er trotz Schauspielern, die die gegen die Wand rennenden Jugendlichen nicht ohne Sensationen und erschreckend realistische Stunts darstellen, als das erscheint, was er kritisch zu hinterfragen versucht: die Realwerdung des Dargestellten im medialen Echo. Sprich: das filmische Abbild erzeugt erst die eigentliche Realität des Abgebildeten, die Satire auf das Medium gerät zur bitteren Selbsterkenntnis des Mediums, es läuft sozusagen gegen die eigene Wand. Oder auch anders ausgedrückt: Der Film gehörte als jugendgefährdend auf den Index, hätte ihn die jugendliche Realität nicht schon eingeholt, bevor er sie erfand. Eine vexierspielhafte Auseinandersetzung mit unserer medialen zweiten Wirklichkeit, die die erste ersetzt, überflügelt, materialisiert. Was ist Schein, was wirklich? „Go Bash!“ zeigt – und das ist erschreckender und nachdenkenswerter als der gezeigte jugendliche Selbstzerstörungstrend -, dass nichts real ist, was nicht medial wäre. (gls)
„Go Bash!“, Deutschland 2010, 14 Min., Drehbuch, Regie: Stefan Eckel, Stefan Prehn, Rollen: Robin Möhler, Leonard Boes, Malika Reimann, Reiner Schöne, Nina Kronjäger, Bernhard Schütz, Boris Freytag
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