K meets L meets M

„L“ (Kai Zimmer, D 2010)

„M“, das Kainsmal, das dem Kindsmörder in Fritz Langs „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ auf die Schulter geheftet wird, an jenen Ort, wo auch Siegfried seine vom L-indenblatt bedeckte verLetztliche Stelle hatte. Solchen Wunden spürt Kai Zimmer in seinem Experimentalfilm „L“ nach. „L“ ist dabei nicht nur der Buchstabe, der dem „M“ wie „Mörder“ vorauseilt, sondern auch die Initiale von Peter Lorre, Darsteller des Kindsmörders in Fritz Langs „M“ und als Schauspieler (und vielleicht tragischer Selbstdarsteller) eine bisher wenig erforschte Figur.
Zwei Filme mit und von Peter Lorre dienen Zimmer als Materialquelle für seinen found-footage-Film: Besagter „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ (1931) und „Der Verlorene“ (1951), wo Lorre selbst Regie führte. Darin spielt er einen Arzt, der mit den Nazis paktierte, seine Frau ermordete und nun von solcher Schuld eingeholt wird. Zimmers These: Peter Lorre, der mit „M“ als Schauspieler auf den Typus des irren Mörders festgelegt war, arbeitet in „Der Verlorene“ dieses Stigma auf – indem er es wiederholt, dekliniert, wie in der Durchführung einer Sonate mit dem Mörder-Thema spielt.
Auch ein deutsches Requiem, Stigma und Trauma: Zum (Massen-) Mörder werden, ohne dafür wirklich belangt zu werden, außer von den Qualen des eigenen Schuldbewusstseins. Lorre trifft auf Lorre, wird in der Montage des Herrn K.(Z.) zu dem, der sich selber verfolgen muss, weil die Sühne und damit die Er-Lösung von der Schuld ausbleibt. Zimmer findet dafür im vorgefundenen Material stumme (nur von Atmo-Sounds unterlegte), bewegende, bedrückende, an den film noir aber auch an den Krimi erinnernde Bilder und reiht sie, beständig zwischen den beiden Filmen changierend, zu einer Art SelbstanKlage. Zu einem Bekenntnis des Mörders, der die Inkarnation des Bösen insofern ist, als er sich selbst dazu verdammt sieht. „Manchmal ist mir, als ob ich selber hinter mir her liefe“, stöhnt Peter Lorre als Mörder in einer der wohl berühmtesten und eindringlichsten Szenen aus „M“. Zimmer stellt sie ans Ende seiner Montage – wie ein Ausrufe-, mehr noch aber als Fragezeichen.
In nur vier verdichteten Minuten gelingt ihm so nicht nur ein schlaglichthaftes Porträt seines Protagonisten L-orre, sondern auch eine Skizze über Schuld und die Unmöglichkeit der Sühne, über das Leben als Ge- und vor allem Verworfenheit. (jm)
„L“, D 2010, 4 Min., s/w, Buch, Regie, Schnitt: Kai Zimmer.
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