49. Nordische Filmtage Lübeck

Der Kran, die Kumpels, die Kamera

„Katze gut – 9 Wochen auf der Kieler Werft HDW“ (Fredo Wulf, D 2007)

Drei Männer schauen gespannt hinauf zum „Krupp“, dem Portalkran auf HDW, der „ein inoffizielles Wahrzeichen Kiels ist“. „Katze gut!“, melden sie per Funkgerät, wenn der Kran und seine Traversen in richtiger Position sind.

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„Kollege“ Kran in Aktion (Foto: Fredo Wulf)

Fredo Wulf, Kieler Dokumentarfilmer, hat sie in seinem Film „Katze gut – 9 Wochen auf der Kieler Werft HDW“ begleitet, wie sie bangen und hoffen, dass die Modernisierung des Krans, ihres wichtigsten „Kollegen“, termingerecht gelingt. „Ich bin in Bremerhaven und Kiel aufgewachsen, zwei Städten, die von Schifffahrt und Schiffbau geprägt sind“, erzählt Wulf. „Da lag es nahe, dass ich irgendwann mal einen Film über die Arbeit auf der Werft machen wollte.“ Das Meer, die Schiffe hat er sich selbst buchstäblich „erfahren“. 1991 heuerte Wulf auf einem Fischkutter auf der Nordsee an. Darüber hätte er auch einen Film machen können, „aber es interessierte mich mehr, die Klischees über Schiffbauer – muskelbepackte Arbeiter, die mit der Bierbuddel in der Hand dem Stapellauf zusehen – zu demontieren.“ Die Kranfahrer und Anschläger, die Wulf wie den Umbau des „Krupp“ im Sommer 2006 porträtiert, sind zwar raue Gesellen, die in der „Kranbude“ manchen bärbeißigen Witz reißen, aber ebenso feinfühlig, wenn sie hunderte Tonnen schwere Schiffssektionen millimetergenau manöverieren.

Der Film über die „HDWler“, denen „diese corporate identity wie ins Stammbuch geschrieben ist“, hätte ganz gewöhnlich werden können. Doch Wulf wollte, obwohl sein Film vom NDR Fernsehen koproduziert wurde (die Hauptfördergelder stammen indes von der MSH und der Kulturellen Filmförderung S.-H.) „keine Dokumentation machen, sondern einen Dokumentarfilm“. Während Dokumentationen Antworten liefern, wolle ein Dokumentarfilm „eher Fragen aufwerfen, die sich der Zuschauer aus dem Gezeigten selbst beantworten muss“. „Direct Cinema“ heißt Wulfs Credo: Der Filmemacher beobachtet und greift so wenig wie möglich in das Geschehen ein. „Am besten, wir sind als Filmteam unsichtbar.“ Eine Art „Dogma“, wie das in den 90er Jahren für den Spielfilm formuliert wurde: „Kein künstliches Licht, bewegliche Handkamera, schlankes Aufnahmeteam, keine Inszenierung.“ Denn: „Das Material ist intelligenter als der Filmemacher.“

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Gespannte Blicke, ob die „Katze gut“ ist … (Foto: Fredo Wulf)

Dennoch haben Wulf und seine Kameramänner nicht einfach nur „draufgehalten“. Bevor er mit Volker Tittel und Rainer Komers auf die Werft ging, war Wulf dort drei Monate auf Recherche und „war ein Teil des Teams der Schiffbauer“. So hat er „Vertrauensverhältnisse“ mit den HDWlern aufgebaut, die im Film ungemein unmittelbar als sie selbst erscheinen. Während vordergründig die Geschichte des Umbaus des Krans erzählt wird, gewinnen die Akteure, die „Kranmänner“, persönliches Profil. Das ist die Stärke dieses Dokumentarfilms. Etwa wenn Betriebsrat Michael Uprichard von den harten Zeiten der Massenentlassungen erzählt und man ihn hernach „ganz privat“ erlebt, wie er Folksongs aus seiner nordirischen Heimat singt. Oder Ralf Hartmann, der der Entlassungswelle zum Opfer fiel, aber nun wieder als Zeitarbeiter auf „seine HDW“ zurückgefunden hat – freilich wieder um seinen Job bangend. Nicht zu schweigen vom dienstältesten Kranfahrer Dieter Nehls, der oben in der Kanzel des „Krupp“ von den alten Zeiten erzählt, aber auch noch nicht weiß, wie und wann er nach 45 Jahren auf der Werft in Rente gehen kann. Und Mustafa Eris, der sympathische Chef der Anschläger, der seinen Kollegen zu seinem Urlaubsanfang Döner in der Kranbude kredenzt.

Am Ende hat der Kranumbau geklappt, der „Krupp“ hat seine Katze wieder „gut“. Ein Happy End für einen Film, der ganz nah dran ist an Kiel, Kiels Werft und an den Menschen, die dort nicht nur arbeiten, sondern auch leben. (jm)

„Katze gut – 9 Wochen auf der Kieler Werft HDW“, D 2007, DigiBeta 16:9, 75 Min. Buch/Regie/Ton: Fredo Wulf, Kamera: Volker Tittel, Reiner Komers, Schnitt: Margot Neubert-Maric. Koproduktion: NDR Fernsehen, Redaktion: Bernd Michael Fincke. Gefördert von der MSH und der Kulturellen Filmförderung S.-H.

Kiel-Premiere am 17.11., 20 Uhr im Metro. Weitere Aufführungen am 18.11., 11 und 13 Uhr, sowie 19. bis 23.11., 19 Uhr. DVD-Bestellung und Filminfos unter www.fredo-wulf.de.

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