Film und Revolte
13. Bundesweiter Aktionstag der Kommunalen Kinos
Der 13. Bundesweite Aktionstag der Kommunalen Kinos rund um den 31. Oktober 2007 widmet sich dem Thema „Film und Revolte“. Anlass ist der Beginn der (Studenten-) Revolte vor 40 Jahren. Am 2. Juni 1967 kam es in Berlin während des Schah-Besuchs zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen demonstrierenden Studenten und der Polizei, in deren Verlauf der Student Benno Ohnesorg erschossen wurde.
Dieses Ereignis markiert einen Einschnitt in der Geschichte der Bundesrepublik und ist zugleich von filmhistorischem Interesse: Zum ersten Mal waren bei den Auseinandersetzungen auf der Straße auch Kameras dabei, die nicht die Position der staatstragenden Wochenschauen oder Fernsehnachrichten einnahmen. Unter den Demonstranten befanden sich Studenten der im Vorjahr gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB), die die Ereignisse filmten. Roman Brodmanns „Der Polizeistaatsbesuch – Beobachtungen unter deutschen Gastgebern“ aus der kritischen SDR-Reihe „Zeichen der Zeit“ brachte als erster Fernsehbeitrag Verständnis für den Studentenprotest auf und schrieb Fernsehgeschichte. In der Absicht, die entlarvende, inoffizielle Seite des Staatsbesuchs zu zeigen, war der Journalist mitten in die Auseinandersetzungen geraten und hatte den Tod von Benno Ohnesorg gefilmt.
Film(en) wurde fortan zum Kampfmittel. Nach französischem oder frühem sowjetischen Vorbild entstanden kurze „Flugblattfilme“, die sich zwischen Dokumentation und Agitation bewegten. Die Besetzung und kurzzeitige Umbenennung der DFFB in „Dziga-Vertov-Akademie“ endete 1968 mit der Relegation mehrerer Studenten. Unter ihnen befanden sich Harun Farocki und Hartmut Bitomsky, inzwischen Direktor der Akademie, sowie Holger Meins und Philip Werner Sauber, die sich dem bewaffneten Kampf anschlossen. Sauber wurde erschossen, Meins starb im Hungerstreik.
Auch zahlreiche Frauen griffen Ende der 1960er zur Kamera, absolvierten eine Filmausbildung und drehten politische Filme mit feministischen Positionen. Zu den bedeutendsten Regisseurinnen dieser Neuen Frauenbewegung zählt Helke Sander, die bereits vor ihrem DFFB-Studium (1966-69) Filme für das finnische Fernsehen realisiert hatte.
Das Programm des Aktionstages beleuchtet die verschiedenen Aspekte des Themas und zeigt wichtige Filme aus der Zeit sowie spätere Produktionen, die sich den Revoltejahren widmen oder ihrem Geist verpflichtet fühlen. So sind neben Brodmanns „Der Polizeistaatsbesuch“ Helga Reidemeisters „Aufrecht gehen. Rudi Dutschke – Spuren“ sowie das Gemeinschaftsprojekt „Deutschland im Herbst“ von Alexander Kluge, Volker Schlöndorff, Edgar Reitz u.v.m. zu sehen. Ebenfalls im Programm finden sich Peter Zadeks 68er-Klassiker „Ich bin ein Elefant, Madame“ über eine Bremer Schülerrevolte sowie Gerd Conradts biografische Collage „Starbuck Holger Meins“, die den Werdegang des ehemaligen Kommilitonen nachzeichnet.
Gemäß dem Anspruch der Kommunalen Kinos stellen darüber hinaus neue Produktionen aktuelle Bezüge her: In Achero Mañas Spielfilm „Das November Manifest“ (Spanien 2003) fingieren junge spanische Theaterrebellen ein ETA-Attentat und Niels Arden Oplevs „Der Traum“ (Dänemark/Großbritannien 2006) erzählt die Geschichte eines gegen die Tyrannei des Rektors aufbegehrenden Schülers. Zu Michael Busses „die story: Gipfelstürmer – Die blutigen Tage von Genua“ (D 2002) sowie zu weiteren Filmen sind die Filmemacher, Zeitzeugen oder Referentinnen und Referenten zu Gast.
So leisten die Kommunalen Kinos einen wichtigen Beitrag zur historischen Aufarbeitung des Themas und beweisen sich mit ihrem sorgfältig kuratierten Aktionstag erneut als engagierte Kenner der historischen und aktuellen Filmkunst.
Veranstaltet wird der Aktionstag (gefördert von der FFA) in Erinnerung an die erste Filmaufführung der Brüder Skladanowsky am 1. November 1895 in Berlin.
Das Gesamtprogramm finden Sie unter: www.kommunale-kinos.de.
(nach einer Pressemitteilung des Bundesverbands kommunale Filmarbeit e.V.)