Trompeten cool gekocht
JazzBalticas Kleine Konzertscheune: Kostproben neuer Trumpet Sounds
Wenn Rainer Haarmann, künstlerischer Leiter der JazzBaltica, zwischen der großen und der kleinen Konzertscheune in Salzau hin und her jettet, um in letzterer zu vermelden, dass „von der unglaublichen Fülle an jungen deutschen Trompeten-Talenten eine Verjüngung des gesamten Jazz ausgeht“, dann glaubt man ihm das, obwohl der Ankündigungstext bei jeder Formation der selbe Superlativ ist: „Eine der wichtigsten Bands … nicht überschätzbare Bedeutung …“ Allein, hier toppt ein Act den nächsten.
Nachdem schon am Freitag das Torsten Goods Quartett neue Maßstäbe gesetzt hatte, was aus Chet Baker geworden wäre, wenn er neben dem Gesang statt zur Trompete zur Gitarre als zweiter Stimme gegriffen hätte, rührten zwei trompetende Brüder am Sonnabend gleichermaßen innovativ in allerdings ganz unterschiedlichen Kochtöpfen. Magnus Schriefls Subtones komponieren Stücke voller überraschender rhythmischer und harmonischer Wendungen. Magnus Schriefl (tp) und Malte Dürrschnabel (sax, fl) sind das perfekte Paar. Ihre Dialoge vertiefen sie in den Improvisationen, den eigentlichen Zentren von sprechenden Titeln wie „Guru“ oder „Die Jünger des Maulwurfs“, zu geradezu philosophischen Disputen und sind dabei ganz unakademische wilde Jungs. Balladen im Stil von zopfigen Sarabanden stehen neben ekstatischen Freejazz-Uptempos und bleiben doch nicht unverbunden.
Noch jünger und wilder sind Magnus’ älterer Bruder Matthias und seine Shreefpunks. Die humoristisch kaltschnäuzige Dekonstruktion/Rekonstruktion des Postmodern Jazz vollzieht das Quartett in einer Collagetechnik mit so bewusst krassen Brüchen wie in „Michael’s Flat“. Designermöbel stehen da neben Sperrmüll wie in dem als Programmmusik begriffenen Stück. Oder auch Johannes Behrs space-rockige Gitarreneffekte neben Schriefls Wildwechseln zwischen zweistimmigen Trompetenflüstereien und schräger Blasmusik. Zwischen Wispern und Schrei liegt manchmal nur ein Takt. Schriefl riskiert eine „Dicke Lippe“, die am Dixie genauso gerne nippt wie am hardboiled Bop.
Exotische Rezeptvorlagen für die „Night of the Cookers“. In dieser an einen legendären Trompetenwettstreit zwischen Freddie Hubbard und Lee Morgan angelehnten Session treffen acht Trompeter auf einander, gerührt und nicht geschüttelt vom Salzau Trio (Don Friedman, p; Martin Wind, b; Wolfgang Haffner, dr). Chefkoch ist der eigens angereiste Randy Brecker. Wo der wie auch Darren Barrett sich die haute cuisine des Trompetenspiels auf der Zunge zergehen lassen, fügen Youngsters wie Nils Wülker, Axel Schlosser oder der Schwede Peter Asplund, der schon am Sonnabendnachmittag seinen atemlos hauchigen Sound kredenzte, die scharf geblasenen Gewürze hinzu. Ergebnis: Ein Trumpet Melting Pot, der in der Jazzküche noch für einiges „Geschmäckle“ sorgen wird, das zeigt schon die erste Verkostung. (jm)