Das „Kulturfestival 2020“ in Schleswig-Holstein
Das „Kulturfestival 2020“ des Landes Schleswig-Holstein wurde als besonderes Hilfsprogramm zur Unterstützung der vielen durch Corona existentiell gefährdeten Kulturschaffenden auf die Beine gestellt. Schon zuvor waren aus einem mit 1,8 Millionen Euro aus Landesmitteln und weiteren Spendengeldern gespeisten Nothilfe-Fond beachtliche Mittel an die betroffenen Kulturschaffenden geflossen.
Unter dem Namen „Kulturhilfe SH“ hat der Landeskulturverband Schleswig-Holstein ab Mitte März dieses Jahres aus diesem Fond in insgesamt drei Förderrunden bis zu 3.500 Euro sehr unbürokratisch und schnell an selbstständige Künstlerinnen und Künstler ausgezahlt. Ab Juli stellte die Landesregierung weitere 3 Millionen Euro für das „Kulturfestival 2020“ zur Verfügung. Und in einer zweiten Runde fließen nun vom 17. Oktober bis Ende November abermals Unterstützungen in Höhe von 1,4 Millionen Euro für die Fortsetzung des Festivals.
Mit dem „Kulturfestival“ will man mehrere Dinge mit einer Klappe schlagen. Zum einem möchte man den vielen schleswig-holsteinischen Künstlern helfen, die seit März einen kulturellen Lock-Down verkraften müssen. Es wurden bisher Auftrittsmöglichkeiten auf 90 landesweiten Veranstaltungen (z.B. in Clubs, in Landgasthofräumen, Theatern und Open Air) geschaffen. Neben 680 Künstlerinnen und Künstlern und dem Publikum profitierten davon auch die privatwirtschaftlichen Veranstaltungsorte sowie rund 200 Veranstaltungsdienstleister, ohne die es sonst viele Veranstaltungen gar nicht gäbe.
Die Landespolitik scheint erkannt zu haben, dass der von Corona erzwungene kulturelle Stillstand viel nachhaltigere und bedrohlichere Auswirkungen auf Kulturszene und Kulturleben haben kann als der allgemeine Lock-Down aus dem Frühjahr auf die Gesamtgesellschaft. „Die Corona-Krise hat insbesondere die Kulturschaffenden und auch die Veranstaltungsbranche hart getroffen“, stellte Ministerpräsident Daniel Günther fest und kündigte an: „Schleswig-Holstein setzt ein Signal: Künstlerinnen und Künstler müssen wieder ins Rampenlicht. Wir wollen Kultur wieder sichtbar machen.“
Mit dieser klaren politischen Willensbekundung vom Juli 2020 startete Günther quasi ein Sofortprogramm, nicht ohne die Relevanz der Kultur mit ihrer ökonomischen Bedeutung zu begründen, so als ob Kultur sich finanziell rechnen müsse und keinen Eigenwert an sich für die Gesellschaft darstellen würde: „Wir dürfen nicht vergessen: Kultur trägt in vielfacher Weise zur Wertschöpfung im Land bei. Das ist ein wichtiger Faktor.“
Wie dem auch sei, es ist durchaus gelungen, Kulturszene und Publikum durch einfallsreiche Konzepte und erhebliche, ja für ein kleines Bundesland wie Schleswig-Holstein beachtliche finanzielle Mittel mit einem Event-reichen Kultursommer zu überraschen, der einer durch Corona bedingten kulturellen Verödung erfolgreich entgegenwirkte.
„Wir haben die Künstlerinnen und Künstler wieder zurück auf die Bühne geholt: Schleswig-Holstein blickt mit seinem Kulturfestival auf einen bunten Sommer voller Kultur und Veranstaltungen zurück“, erzählt dann auch die Website www.kulturfestival.sh die Erfolgsgeschichte in ihrem zufriedenen bis stolzen Zwischenresümee der noch bis Ende November stattfindenden Veranstaltungen.
Bleibt die Frage, wie es nach diesem glücklichen Sommer weitergehen soll. Wir alle wissen: Corona ist nicht vorbei, im Gegenteil …
Das Land Schleswig-Holstein hat in der Zeit der Not schnell und ohne Zögern sein finanzielles Füllhorn über die hiesigen Kulturschaffenden ausgeschüttet. Es wollte sich zu Recht weder Knauserigkeit noch Zögern gerade gegenüber der kulturellen Klientel nachsagen lassen und hat die Prüfung wohl fürs erste in einer für das Land nicht unerheblichen finanziellen Kraftanstrengung mit Bravour bestanden.
Man sollte nicht undankbar sein. Dennoch bleibt weiterhin vor allem die Frage, ob man in Zukunft diese punktuellen, einmaligen Hilfen nicht durch gezielte strukturelle, nachhaltigere Maßnahmen ersetzen kann.
Ist man selbst in diesen Corona-Zeiten wieder einmal der vermeintlich attraktiven Ungleichung erlegen, Kultur sei vor allen Dingen im Event gut aufgehoben? Sollte diese Kulturpolitik der tausend bunten Luftballons, die schließlich nur davonfliegen, nicht endgültig obsolet sein? Sind nicht einmalige Bestrebungen und Ereignisse erfahrungsgemäß das Gegenteil von Nachhaltig- und Verlässlichkeit? Wäre es nicht an der Zeit, einer nachhaltigen Struktur und Verstetigung von Kulturhilfen das Wort zu reden, die zuvorderst nicht nur „Hochkultur“, Unterhaltungsindustrie und Meinungswirtschaft zugute kommt, sondern allen Kulturschaffenden? (Helmut Schulzeck)