56. Internationale Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2006
Every show is my last show
„A Prairie Home Companion“ (Robert Altman, USA 2006)
Mit „A Prairie Home Companion“ wählt Robert Altman zum zweiten Mal nach „Nashville“ (1975) die Country Music-Szene als Setting für einen Film. Die legendäre Live-Radioshow „A Priarie Home Companion“ soll nach 30 Jahren zum letzten Mal aufgeführt werden. Die Besitzer des Senders und damit der Show haben an einen Medien-Konzern verkauft, der kein Interesse an der Fortführung der altmodischen Show hat. Die Nachricht verbreitet sich während der Auführung unter den Musikern und Sängern, doch die Schau muss weitergehen – die erste Regel des Showbiz verbietet eine Unterbrechung des Abends oder Sentimentalitäten in eigener Sache. „Every show is my last show, that’s my philosophy“, konstatiert denn auch Garrison Keillor, der sich selbst als singenden Gastgeber der Radioshow spielt. Die Radiolegende (und Co-Autor des Drehbuchs) ist der ruhende Fels in der Brandung, den selbst der Tod eines Sängers kurz nach seinem Auftritt nicht aus der Fassung bringt. Einen Nachruf während der Sendung lehnt er ab, die Menschen werden sich auch ohne an ihn erinnern.
Altman inszeniert mit Melancholie und Humor den Abschied von einer Unterhaltungsform, die sich scheinbar überholt hat, der live ausgestrahlten Radioshow. Die Show ist tatsächlich seit Jahrzenhnten Herzstück der amerikanischen Radiokultur. Sie läuft nach wie vor in unveränderter Form über den Äther und zeigt ein wenig „how we Americans are“, so Meryl Streep (Yolanda) auf der Pressekonferenz.
Ein Stück uramerikanischer Kultur wollte Altman einfangen sowie den Humor und die Art, mit der Garrison Keillor mit seinen Hörern zu kommunizieren pflegt. Auf einer anderen Ebene reflektiert der Film über den Tod und den Umgang damit. „The death of an old man isn’t a tragedy“, tröstet Virginia Madsen als geheimnisvoller Todesengel die trauernde Geliebte des kurz vor dem Schäferstündchen im hohen Alter verstorbenen Countrysängers. Und sogleich nimmt Altman der Szene die Tragik, wenn er die Leiche noch ein paarmal kräftig furzen lässt. „Everytime a door closes, another door opens“, versucht Meryl Streep, die im Duo mit Lily Tomlin (Rhonda) als Country singende Schwestern brilliert, ihrer Tochter als Lebensphilosophie nahe zu bringen. Die letzte Show der Mutter wird für die Tochter die erste Gelegenheit sein, ihr Talent zu beweisen.
John C. Reilly, Woody Harrelson, Kevin Kline in „A Prairie Home Companion“ (Foto: Berlinale)
Meisterhaft inszeniert der fast 81-jährige Altman einen weiteren der Ensemblefilme, die sein Markenzeichen wurden. Er führt den Zuschauer mit Eleganz durch zahlreiche Erzählstränge und erschafft mit wenigen Szenen einen familienähnlichen Mikrokosmos. Zwar hat „A Prairie Home Companion“ nicht die Bosheit von „The Player“ oder „Prêt-à-Porter“, aber das wäre dem Sujet auch nicht angemessen. Seine Reflektionen über Sterben und Werden sind gepaart mit dem Respekt vor einem Leben für und mit der Kunst. Den melancholischen Grundton der Geschichte konterkariert Altman mit Humor auch im Angesicht des Todes. Und er tröstet mit dem, was das Leben lebenswerter macht: der Kunst. Im Falle der Prairie Home Companion Show und der Musiker-Familie, die Altman portraitiert, versteckt sie sich in mal traurigen, mal deftigen Country Songs, gesungenen Werbejingles und „schlechten Witzen“, köstlich vorgetragen von den „Singing Cowboys“ Woody Harrelson und John C. Reilly. Für den Zuschauer ist es ein weiterer wunderbarer Film von Robert Altman. (dakro)
A Prairie Home Companion, USA 2006, 103 Min., 35 mm. Regie: Robert Altmann, Buch: Garrison Keillor. Darsteller: Woody Harrelson, Tommy Lee Jones, Garrison Kaillor, Kevin Kline, John C. Reilly, Meryl Streep, Lily Tomlin u.a.