Das Auge hört mit

„Orchesterzyklus“ von Jens Schliecker und Nils Rohwer auf CD

Musik, die einfach nur Musik ist, oder solche, die Bilder, Sinneseindrücke des Auges, zu schaffen oder zumindest nachzuahmen versucht, an diesen beiden Möglichkeiten scheiden sich die Geister wohl, seit es Musik gibt. Die Kieler Komponisten Jens Schliecker und Nils Rohwer, auch bekannt als Duo „Piano meets Vibes“, liefern mit ihrem 1999 komponierten und jetzt auf CD erschienenen „Orchesterzyklus für Klavier, Vibrafon, Marimba und Orchester“ zu dieser Debatte einen Beitrag, der deutlich von ihren filmmusikalischen Aktivitäten geprägt ist.

Was die beiden in diesem Bereich neben einem neuen Soundtrack zu Fritz Langs „Metropolis“, der jüngst im KoKi wieder zu hören war, „nur“ als Untermalung von TV-Serien wie „Die Rettungsflieger“ geleistet haben, wird jetzt sozusagen auf Hollywood-Niveau gebracht. Die drei Sätze des „Orchesterzyklus“ lassen sich nämlich durchweg so dramatisch hören, als seien sie für einen Film geschrieben, der nur noch nicht gedreht ist, außer im Kopf des Hörers. Minimalistische Avancen bei der rhythmischen Organisation des Zyklus, Melodik und Harmonik, die an Jazz angelehnt sind, hin und her, letztlich werden „Soundscapes“ gemalt und das zum Teil mit ziemlich dickem Farbauftrag. Solche „Showeffekte“ mag man Schliecker und Rohwer ankreiden, zum Konzept der Klangmalerei passen sie allemal und sind synästhetisch eindrücklich, wenn nicht fürs äußere Ohr, dann umso mehr fürs innere Auge.

Vergleichsweise spröde oder auch musikalischer im Sinne absoluter Musik wirken dagegen die Bonustracks der CD, Live-Mitschnitte der Kompositionen „Music 4/4“, „Steps 1-4“ und „Mimikry 2“, gespielt vom Quartett „Music 4/4“. Diese haben Schliecker und Rohwer speziell für ihre Schüler Jon Lindenberg, Merle Schöttke, Lars Winderling und Martin Nielsen komponiert, die damit 1999 und 2002 den 1. Preis beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ gewannen. Hier sind die Strukturen vor allem polyrhythmisch orientiert, das melodische Element, eingängige Loops, ist ein minimalistisch dienendes, auch wenn wie in „Steps“ wiederum ein außermusikalisches Konzept von Lebensrhythmen zwischen Schrittfolge und Herzschlag dem mithörenden Auge sichtbar wird. (jm)

Jens Schliecker, Nils Rohwer: Orchesterzyklus. Toptone LC 10793. Infos unter www.piano-meets-vibes.de.

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