Klassiker jenseits des Kanons
Ringvorlesung „Filmklassiker“ an der CAU
Was man gelesen und gesehen haben muss, nicht nur die „Süddeutsche Zeitung“ meint es mit ihrer Buch- und DVD-Reihe zu wissen. Die Diskussion um einen neuen Kanon ist voll entbrannt. Jan-Oliver Decker, Junior-Professor für Literaturwissenschaft und Medien an der Kieler Uni, ist da skeptisch. Mit der von ihm organisierten Ringvorlesung „Filmklassiker“ setzt er Akzente auch jenseits des kanonisch Klassischen.
Kanon, das sei „die Fiktion der Rekonstruktion eines kulturellen Gedächtnisses“, sagt Decker. Seine Auswahl, die neben „Klassikern“ wie Fritz Langs „Metropolis“ auch den Blockbuster „Terminator II“, die Edgar Wallace-Verfilmung „Der Hexer“ und als Beispiel für den wegweisenden tschechischen Märchenfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ enthält, fragt nicht nach Klassik, sondern danach, „wie Filme mit ihrem prototypischen Charakter Genres geprägt haben“. Die Unterscheidung zwischen „E“ und „U“, zwischen Hoch- und Populärkultur sei obsolet, meint Decker. Vielmehr ging es ihm bei der Programmgestaltung um die „Austauschprozesse zwischen beiden“. Beispiel: „Metropolis“ fiel seinerzeit beim Publikum durch, musste neu geschnitten werden. Aber mit Giorgio Moroders Neufassung wurde der Film plötzlich Pop, Poster davon hingen in Studenten-WGs und solche neue Popularität veranlasste wiederum Filmwissenschaftler zu einer Rekonstruktion der Originalfassung.
Spielen mit dem Kanon – die Kulturen, gleich ob hoch oder trivial, tun das längst. Und dass die Wissenschaft populärkulturelle Texte ernst nimmt, untersucht, wie etwa der Heimatfilm „Grün ist die Heide“ kulturelles Erbe enthält und fortschreibt, befreit die Wissenschaft aus dem Elfenbeinturm. Mit der Ringvorlesung will Decker nicht zuletzt die Universität öffnen, das öffentliche Denken vernetzen, einem Laienpublikum Medienkompetenz vermitteln und Filme, die jeder kennt, „neu sehen in ihren jeweiligen kulturellen Kontexten“. „Ich verstehe mich da fast als Ethnologe“, sagt Decker: Fremde Kulturen, fremd durch ihren zeitlichen Abstand, rekonstruieren, aber nicht für einen Kanon, sondern als „bunten Strauß“.
Zu sehen sind die 15 „Filmklassiker“ jeweils montags im Kommunalen Kino oder im Audimax. Die Vorlesungen finden dienstags 18.15 Uhr im Hörsaal 3 in der Olshausenstr. 75 statt. Zum Vernetzungskonzept gehört auch, dass man die Vorträge im Internet verfolgen kann unter www.literaturwissenschaft-online.uni-kiel.de, wo sich auch das komplette Programm findet. (jm)