9. Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide

Revolutionstouristen auf Kuba

„Die Brigade“ (D 2004, Rasmus Gerlach)

50 Leute aus Europa reisen für drei Wochen als Erntebrigadisten nach Kuba, bezahlen Unterkunft und Verpflegung aus eigener Tasche und lernen so Kuba fern ab der Touristenburgen von unten kennen. Der Filmemacher Rasmus Gerlach aus Hamburg gehört zu ihnen, dokumentiert mit einer kleinen Videokamera seine Erfahrungen und Eindrücke und macht daraus die lebendige und interessante 30-minütige Reisereportage „Die Brigade“.

„Wir sind hier in der Brigade José Mari, um zu demonstrieren, also wir alle, Schweizer, Österreicher, Deutsche, Italiener, sehr wilde Gestalten, also unter anderem die Eileen Johnson aus USA, die 73jahrige, dass man in der ganzen Welt Kuba nicht vergessen hat und sehr wohl bereit ist, für Kuba etwas zu tun“, sagt zu Anfang der Urlaubsbrigadist Norbert aus Wien und man glaubt ihm seinen Idealismus. Dennoch geht es bei den Arbeitseinsätzen der Europäer auf der Orangenplantage oder auf dem Kartoffelfeld eher um symbolische Gesten der Solidarität und der Sympathie mit der kubanischen Bevölkerung als um substantielle, materielle Hilfe, auch wenn das Plansoll der Touristen mit 103,4 Prozent übererfüllt wird, wie die Camp-Leitung den stolzen Brigadisten gegen Ende mitteilt. Neben den Ernteeinsätzen lernen die Europäer ein wenig die kubanische Geschichte kennen, aus der Sicht von Fidel Castro natürlich. Blicke auf die ikonenhafte Verehrung des revolutionären Märtyrers Che Guevara stehen mehr als einmal auf der Tagesordnung. Ob im Revolutionsmuseum, beim Treffen mit ehemaligen Mitkämpfern von Che, in seiner ehemaligen Villa oder bei einem Volksfest zu Ehren seines Todestages. Immer scheint der Hochverehrte präsent zu sein, als ob die Bevölkerung ständig über ihn auf das jetzige kubanische Regime eingeschworen werden müsste.

Mögliche Kritik des Filmemachers klingt nur selten an. So befragt er einen Armee-Offizier zu seiner Meinung über die reichliche Bewirtung der Gäste, die doch in einem bezeichnenden Kontrast zu der spärlichen Versorgung der normalen Brigadisten im Camp und der einfachen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln steht. Nur alle drei Wochen erhalten jene, so wird berichtet, vielleicht einmal ein Stück Fleisch oder Fisch, also nicht jeden Tag wie die Freizeit-Brigadisten aus der Ersten Welt. Der befragte Soldat windet sich und weicht mit Allgemeinplätzen aus. Auch die Solidaritätstouristen werden erst beim Besuch einer Zigarrenfabrik wirklich stutzig, als sie erfahren, dass der Monatslohn einer Tabakdreherin dort geringer ist als der Preis für eine Zigarre, die sie herstellt. Ein ostdeutscher Genosse beschwichtigt dennoch unverzagt, dass durch die Öffnung für kleine wirtschaftliche Geschäfte das Land allmählich prosperieren würde und sich in einigen Jahrzehnten (!) durchaus gut entwickeln könnte.

Rasmus Gerlachs Kommentar zu den dortigen Verhältnissen schwankt zwischen beschreibender Neutralität, vorsichtiger Kritik und unterschwelliger Ironie. Wobei allerdings eindeutige Hinweise auf den Gewaltcharakter des totalitär-autokratisch Castroschen Regimes, das international immer wieder durch drakonische Strafen gegen Oppositionelle und Bürgerrechtler auffällt, unterbleiben. Hier scheint der Filmautor der gleichen verharmlosenden Naivität aufgesessen zu sein wie seine Urlaubsbrigade-Kollegen. (Helmut Schulzeck)

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