8. Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide

Kongeniales Porträt eines Films

Aufgeblättert – The Making of „Tödliche Roman(z)e“ (Daniel Krönke, D 2004)

„Tödliche Roman(ze)“ von Gerald Grote (Produktion, Regie), Karsten Weyershausen (Buch) und Claus Oppermann (Kamera) ist kein „ganz normaler“ Film. Keine Schauspieler, nur Bücher als Akteure, stehende Objekte, die man mit der bloßen Kamerabwegung in filmische Bewegung bringen muss. Entsprechend solcher Besonderheiten ist auch Daniel Krönkes Dokumentation „Aufgeblättert“ kein „ganz normales“ „Making of“. Zwar zeigt auch Krönke in seinem Film, der mit 13 Minuten nur knapp länger ist als jener, dessen Entstehung er mit der Kamera begleitet hat, typische „Making of“-Sequenzen, Shots von Kameraleuten an der Kamera, Diskussionen zwischen Team und Regisseur am Set. Aber Krönkes Blick auf die Szenerie, die sich im September 2003 in einer alten Kieler Industriehalle bot, nimmt in Bildgestaltung und Montage Gestaltungselemente der „Tödlichen Roman(z)e“ auf.

„Tödliche Roman(z)e“ basiert zu einem Gutteil auf der Spannung zwischen Erzählerstimme (Franz-Josef Steffens) und den dazu gezeigten Bildern, auf dem produktiven Antagonismus von „Showing“ und „Telling“. Krönkes Montage nimmt dieses Motiv auf. Die Protagonisten am Set (und später auch beim Schnitt) zeigt er zunächst im Porträt, dann schneidet er zu den Aufnahmen am Set, die die Stimmen im Off kommentieren. So entsteht auch im „Making of“ jener erzählerische Gestus, der dem Original eignet. Nimmt man an, dass sich die Stimmungen und Atmosphären am Set im Film widerspiegeln, fängt Krönke genau diesen engen Konnex zwischen Produkt und seiner Entstehung ein.

Dazu bedient er sich unaufdringlicher, aber sehr feinfühliger Tricks. Ausstatterin Maren Jaenisch etwa widmet er verstärkte Aufmerksamkeit, nicht nur weil „Tödliche Roman(z)e“ in besonderem Maße ein Ausstattungsfilm ist, sondern weil das Porträt der Ausstatterin exemplarisch den Charakter der Produktionssituationen abbildet.

Ausstatterin Maren Jaenisch bei der Arbeit

Krönke interviewt Jaenisch zunächst vor der Szenerie eines stillen Sees, ein kompletter Kontrast zu den komplexen Bildern vom Set, und deutet damit bildnerisch den Prozess, eine Bücherwelt – Geistwelt jenseits von Natur – gänzlich aus dem Nichts zu schaffen. Ähnlich intuitiv und gleichzeitig geradezu symbolisch fotografiert Krönke die Kamerafahrt durch den Dachboden auf das Bücherregal, eine der eindrucksvollsten Szenen in „Tödliche Roman(z)e“. In raschen Schnitten aus verschiedenen Blickwinkeln auf diese Kamerafahrt, jeweils gegengeschnitten mit dem, was die Kamera dabei sieht, also den späteren Filmsequenzen, gelingt Krönke ein dynamisches Bild des Entstehungsprozesses, das filmdramaturgisch der gezeigten Fahrt in nichts nachsteht.

Kamerafahrt mit Kameramann Claus Oppermann (rechts)

Derart „chirurgisch“ schaut Krönkes Kamera während der gesamten Dokumentation auf den Prozess, der zu „Tödliche Roman(z)e“ führte. Die Spannung am Set, die minutiös werkende Stille nach dem Fall der Klappe teilt sich dem Betrachter dieses ungewöhnlichen „Making of“ unmittelbar mit und gerät so zu einem Blick hinter die Kulissen, der die Kulisse als immanente Welt des porträtierten Films erscheinen lässt. Die „Traumfabrik“ wird so nicht durch die Schärfe des Dokumentarischen entzaubert, sondern entfaltet ihren Zauber kongenial im dokumentarischen Porträt. Ein „Making of“, das den Film perfekt ergänzt und beim Filmfest Augenweide entsprechend starke Publikumsresonanz fand. (jm)

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