6. Internationales Archäologie-Film-Kunst-Festival Kiel CINARCHEA

Das Archäologie-Film-Kunst-Festival Cinarchea nach 10 Jahren:

Eine Schatzinsel droht zu sinken

Dass Ministerpräsidentin Heide Simonis bei der Verleihung des Pokals den Sockel vom Aufsatz löste, war nicht eben ein glückliches Omen für die Zukunft des Internationalen Archäologie-Film-Kunst-Festivals „Cinarchea“. Auch das Filmfestival braucht eine stabilere Verankerung. Mehr denn je überschattete das 6. Festival nach zehn Jahren die Frage, ob Kiel auch noch in zwei Jahren zum Treffpunkt von wissenschaftlicher Neugier und filmischer Raffinesse werden würde.

Akademie und Abenteuer – beides war auch in diesem Jahr deutlich zu spüren. 34 Filme aus 8 Ländern bewarben sich um den „Großen Preis“. Sender, insbesondere in Frankreich und England, lassen sich aufwändige Dokumentarfilme etwas kosten, verfahren oft gleichermaßen suggestiv wie seriös. Das Publikum und die Jury (der ich selbst angehörte) begeisterten sich gleichermaßen an der feinsinnigen Erlesenheit, mit der der Siegerfilm „The Mummies of Taklamakan“ einen bisher weißen Fleck auf der archäologischen Landkarte gegen Wüstenwind und dichten Sandnebel erschloss. Sehenswertes gab es genug: „The Mystery of the Persian Mummy“ (Spezialpreis der Jury) recherchierte investigativ die kriminellen Machenschaften des internationalen illegalen Mumienhandels, „Un corsaire sous la mer“ (Preis in der Sparte Unterwasserarchäologie) tauchte filmisch freibeuterisch am Meeresgrund vor der Korsarenstadt Saint-Malo, „Sagalassos“ (Preis der Sparte „Grabung und Methoden“) ließ eine antike türkische Stadt auferstehen – erst durch perfekte Computergrafiken, dann Stein für Stein. „Das Römische Gutshaus von Hechingen“ (Preis für angewandte Archäologie) entpuppte sich als quietschfideles Freilichtmuseum auf Ruinen. Und der Kieler Helmut Schulzeck nebst Maria-Debora Wolf lieferten mit „www.betreuteloecher.de“ (Preis in der Sparte Kurzfilm) den nötigen Lacher für ein Festivaljahr, das sich auffällig mutig Fragen von Moral und Ethik stellte.

Und trotzdem: Mit der baldigen Pensionierung des Leiters Kurt Denzer könnte das Festival ins Straucheln kommen, so weit sein Renommee über die Landesgrenzen hinausragt. Denn mit Denzer droht auch die AG Film und damit die organisatorische Leitzentrale in den Ruhestand zu treten. Abzuwarten bleibt, ob sich die Universität zu diesem eigenwilligen Projekt bekennt – immerhin ist es das einzige Filmfestival für den archäologischen Film in Deutschland. Das klingt hochtrabend, vergleicht man es mit seinem Kieler Bekanntheitsgrad. Kiel kennt Cinarchea kaum – im Saal sitzen Interessierte aller Welt, einige Kieler Studenten, zu wenig Spontanpublikum. Es ist keine Sensation, eher ein großfamiliales Special-Event mit Vorträgen, Filmen, Gesprächen, manche sagen mit Hinweis auf den kauzig-espritreichen Leiter: „das Denzer-Festival“. Die sieben weiteren archäologischen Inseln in Europa – Museen, Institute, Sender – nehmen es als Magneten wahr. Aber wer fühlt sich verantwortlich? Ein Festival mit einem so unübersichtlichen Titel – Archäologie-Film-Kunst – sitzt vielleicht so quer zwischen allen Stühlen, dass ihm niemand eine Lehne anbietet.

Vielleicht kommt es in späteren Zeiten zu einer Ausgrabung. Jemand wird staubige Kataloge und Filmbeschreibungen eines eigenartigen Festivals finden, in dem der aktuelle Stand seiner Zeit festgehalten und diskutiert wurde, und man wird sich fragen, durch welchen Vesuvausbruch es verschüttet worden sein mag. (Gerald Koll)

Cookie Consent mit Real Cookie Banner